Hofmann von Hofmannswaldau, Christian
(auch Hoffmann von Hoffmannswaldau)
Manfred Windfuhr über Hofmannswaldau
Die meisten Kritiker des 19. Jahrhunderts hatten für die Lyrik Hofmannswaldaus wenig Sinn. Vom Individualismus einer offenen Liebessprache her mußte sie ihnen fremd sein. Eichendorff sprach von der »großen Lüge dieser Poesie«, Wolfgang Menzel sah in ihr die »äußerste Entartung der Poesie«. Vor allem erschien sie ihnen als »sitten- und zügellos«, »frivol«, »zotenreißerisch«, »lasziv«, »schlüpfrig«. Man wunderte sich darüber, daß Hofmannswaldaus Biographie keine der in den Gedichten genannten Lesbien oder Flavien neben seiner glücklichen Ehe aufweist. Man erblickte darin eine Bestätigung der These von der lügnerischen Dichtung. Der moderne Leser findet neue Zugänge zu Hofmannswaldau. Wir haben mehr Verständnis für kollektive Erfahrungen, das Private ordnet sich dem Gesellschaftlichen ein, wird zwangsläufig eingeordnet, die Weltliebe, die sich in den galanten Gedichten ausdrückt, findet Zustimmung. In dem Maße, wie sich die subjektiven Ordnungen von uns entfernen, rücken uns die festen Fügungen wieder näher. (...)
Hofmannswaldau ist ein großer Ästhet und Formkünstlcr. Es gibt vor Wieland, Goethe und Heine kaum einen deutschen Dichter mit ähnlich sicherem Kunstverstand. Er geht selten unter ein bestimmtes Niveau. Während bei Gryphius der Unterschied zwischen der kleinen Zahl vollkommener Gedichte und der Masse der übrigen beträchtlich ist, halten seine Gedichte eine gleichmäßige Höhe.
Manfred Windfuhr, Nachwort, in: Hofmannswaldau, Gedichte. Stuttgart: Reclam, 1983, S. 140f / 145
Pierer 1859
[445] Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann v. H., geb. 25. December 1618 in Breslau, aus alter schlesischer Familie, studirte in Leyden, bereiste, als Gesellschafter des Prinzen Tremonville, Europa; wurde 1646 Rathsherr in Breslau, nützte seiner Vaterstadt in mehreren diplomatischen Sendungen, besonders am kaiserlichen Hof, u. st. 8. April 1679 als kaiserlicher Rath u. Präsident des Rathscollegiums in Breslau. Er war das Haupt der Schlesischen Dichterschule, s. Deutsche Literatur V. Als Dichter benutzte er die Bildsamkeit der Deutschen Sprache sehr zu deren Wortbereicherung, obgleich seine Gedichte an Bombast u. Schwülstigkeit leiden u. Erzeugnisse einer ungeregelten oft schmutzigen Phantasie sind. Er schr. zuerst deutsche Heroiden; seine vermischten Gedichte (galante Gelegenheitsgedichte, Epigramme, Oden, Heldenbriefe) erschienen. zuerst Bresl. 1673, u.ö., dann Lpz. 1703, u.ö.; übersetzte auch Guarinis Treuen Schafer, Theophiles Sterbenden Sokrates; eine vollständige Gesammtausgabe seiner Werke gab Neukirch, Lpz. 1695–1725, 7 Bde., heraus, u. Aufl. 1734; eine Auswahl davon ist im 14. Bande der Bibliothek deutscher Dichter des 17. Jahrh. (Lpz. 1838) enthalten. Vgl. Lohenstein, Lobrede auf H., Bresl. 1679.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 445. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010123423
Herder 1854
[328] Hofmannswaldau, Christian, Hofmann von, neben Lohenstein der erträglichste Vertreter der 2. schles. Dichterschule, wurde geb. 1618 zu Breslau, wo er nach langem Umherreisen städt. Aemter begleitete und als kaiserl. Rath und Präsident des städtischen Rathscollegiums 1676 st. An seinen Reimereien, besonders an den »Curiosen Heldenbriefen u. andern herrlichen Gedichten« ist das Streben nach Eleganz u. der Sprachreichthum anzuerkennen, im Ganzen tragen sie das Spielende u. Süßliche, das erlogene Pathos u. die durchschimmernde Frivolität seiner Schule bereits, wenn auch noch mit einigem Maße, zur Schau. Gedichte von H. finden sich als Proben der Geschmacklosigkeit seiner unglückl. Zeit in allen größern Sammlungen.
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 328. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003373746
Meyers 1907
[433] Hofmannswaldau, Christian Hofmann von, einer der Führer der sogen. zweiten schlesischen Dichterschule, geb. 25. Dez. 1617 in Breslau, wo sein Vater kaiserlicher Kammerrat war, gest. daselbst 18. April 1679, erhielt in seiner Vaterstadt und auf dem Gymnasium zu Danzig seine Schulbildung und studierte dann in Leiden die Rechte. Nach Vollendung seiner Studien bereiste er mit dem Fürsten von Fremonville die Niederlande, England, Frankreich und Italien und erhielt nach seiner Rückkehr, noch ohne das erforderliche Alter erreicht zu haben, eine Ratsherrnstelle in Breslau. Mehrere Reisen nach Wien in städtischen Angelegenheiten veranlaßten seine Ernennung zum kaiserlichen Rat; später wurde er zum Präsidenten des Ratskollegiums ernannt. H., der sich persönlich durch große Geschäftsgewandtheit und einen unbescholtenen Lebenswandel auszeichnete, führte als Dichter den schwülstigen Stil, der damals Dichtung und bildende Kunst aller Kulturländer beherrschte, bis zum äußersten fort und verkündete sein sinnlich-epikureisches Ideal in gekünstelten Versen von allzu galanter Zierlichkeit. Dies erweisen besonders seine »Gelegenheitsgedichte« und seine »Heldenbriefe«, in denen sich der Einfluß des Engländers Drayton zeigt. Er übersetzte auch des Franzosen Théophile »Sterbenden Sokrates« und Guarinis »Getreuen Schäfer«. Seine »Deutschen Übersetzungen und Gedichte« erschienen 1679 (mit Lohensteins Leichenrede auf den Verfasser und dann bis 1730 in 11 weitern Auflagen). In der von Neukirch veranstalteten Sammlung »Herrn von H. und anderer Deutschen auserlesene und bisher ungedruckte Gedichte« (Frankf. u. Leipz. 1695–1727, 7 Bde.) rührt nur ein kleiner Teil von H. selber her. Eine Auswahl erschien in der »Bibliothek deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts«, Bd. 14 (Leipz. 1838), und, von Bobertag besorgt, in Kürschners »Deutscher Nationalliteratur«, Bd. 36 (Stuttg. 1885). Vgl. Ettlinger, Christian Hofmann von H. (Halle 1891); Brossmann, Hofmann von H. (Liegn. 1900).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 433. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006781764
Brockhaus 1911
[814] Hofmann von Hofmannswaldau, Christian, Haupt der Zweiten Schles. Dichterschule, geb. 25. Dez. 1617 zu Breslau, Präsident des Ratskollegiums und kaiserl. Rat das., gest. 18. April 1679; schrieb in schwülstigem Stil galante Gelegenheitsgedichte, »Kuriose Heldenbriefe« u.a. – Vgl. Ettlinger (1891), Broßmann (1900).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 814. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000119383X