Goldhann, Ludwig

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Goldhann: Ludwig G., deutsch-österreichischer Dichter, wurde am 8. December 1823 zu Wien als der Sohn wohlhabender Eltern geboren, in deren Hause manche Vertreter der Litteratur und Kunst, besonders der Musik, jener Zeit verkehrten. Beethoven, an den er sich noch aus der Kinderzeit erinnerte, wohnte damals in dem Geburtshause Goldhann’s. Schon in dem Knaben zeigte sich der Keim dichterischer Darstellung und häufiger Besuch des Theaters flößte ihm ganz besonderes Interesse für das Schauspiel ein. In Wien erhielt G. seine erste Ausbildung und vollendete daselbst auch die Gymnasialstudien, während welcher bereits kleine poetische Schöpfungen entstanden; allerdings wurden solche dichterische Bestrebungen von dem Vater nicht begünstigt. Da den Jüngling ein leidender Zustand befiel, der sich insbesondere in melancholischen Anwandlungen äußerte, kam G. im J. 1839 in das Haus seines Schwagers, des Archäologen R. v. Wolfskron, nach Bozen, von wo er vollständig erholt zurückkehrte. Nachdem er sich auch die Kenntniß moderner Sprachen angeeignet, brachten ihm Reisen mit seinen Eltern 1840 nach Baiern und Südtirol, 1842 nach Dresden und Leipzig sowie Ausflüge in die österreichischen Alpen mancher1ei dichterische Anregung. Als G. an der Universität in Wien auf Wunsch des Vaters das Rechtsstudium begann, beschäftigte er sich eingehender auch mit litterarischen und poetischen Arbeiten und verkehrte mit Collegen, welche diese Bestrebungen theilten, wie E. Mauthner, J. Nordmann, Ranzoni u. A. Nachdem die Stürme des Jahres 1848 ausgebrochen waren, veröffentlichte er ein die Freiheitsbewegung feierndes Gedicht und trat begeistert in die Studentenlegion ein, entzweite sich aber hierdurch mit seinem Vater, namentlich nach den Barrikadenkämpfen am 26. und 27. Mai, an denen G. thei1genommen. Die Eltern reisten, um den Wiener Tumulten auszuweichen, nach Brünn, wohin der Sohn, als sich einige Ruhe in der revolutionären Bewegung zeigte, nachfolgte und eine wenigstens äußerliche Versöhnung mit dem erzürnten Vater zu Stande kam. Trotzdem verließ der freiheitlich gesinnte Sohn, als die Familie wieder nach Wien zurückgekehrt war, infolge stürmischer Auftritte das Vaterhaus und trat als Praktikant bei der Finanzprocuratur in Brünn in den Staatsdienst; im J. 1850 wurde er zum Doctor promovirt. Als in demselben Jahre Goldhann’s Gedichte nebst dem einactigen Trauerspiele „Arsinoe“ im Drucke (doch nicht im Buchhandel) erschienen und er das Bändchen an hervorragende österreichische Poeten wie Grillparzer, Hebbel, Halm gesandt hatte, wurde die Sammlung von den Genannten freundlich und beifällig aufgenommen. Der Wunsch des Dichters, die juridische Laufbahn aufzugeben, konnte infolge des sich scharf dagegen äußernden Ausspruches des Vaters allerdings nicht in Erfüllung gehen, doch blieb G. fort poetisch und schriftstellerisch thätig. Im Winter 1851 zeigte sich seine Gesundheit erschüttert und er unternahm eine Reise nach Italien, welche ihn über Mailand, Genua und Neapel nach Sicilien und zurück über Rom, Florenz und Venedig wieder nach Wien führte. Eine Frucht dieser Reise waren die „Aesthetischen Wanderungen in Sicilien“ (1885), welches umfangreiche Buch treffliche Reiseschilderungen und gereifte ästhetisch-künstlerische Anschauungen [432] aufwies und sich überaus günstiger Aufnahme erfreute. Nach Brünn zurückgekehrt, lieferte er für das von der Verlagshandlung Hölzel herausgegebene „Album von Mähren und Schlesien“, hierzu eingeladen, eine Reihe ansprechender litterarischer Skizzen. Inzwischen aber fühlte G. immer lebhaftere Neigung zu dramatischem Schaffen und es entstand bald darauf das historische Schauspiel „Der Landrichter von Urbau“, welches am 22. August 1857 zu Hamburg aufgeführt den Beifall des Publicums und der Kritik fand und dem anwesenden Verfasser schätzenswerthe litterarische Bekanntschaften vermittelte. In Oesterreich konnte das Stück Anfangs wegen der darin zu Tage tretenden freiheitlichen Ideen nicht zur Aufführung kommen, obwol Hebbel, Grillparzer und Laube dem Talente Goldhann’s Anerkennung zollten. Erst 1863 wurde der „Landrichter“ in Brünn und 1889 in Prag aufgeführt und gefiel allgemein. Wichtig war für G. die durch sein Schauspiel vermittelte Bekanntschaft mit Friedrich Hebbel, mit dem er nun brieflich und persönlich in Verkehr trat. In Brünn verkehrte der Dichter in den besten Gesellschaftskreisen, er zog sich im Frühjahr 1859 nach Aistersheim zurück, um die Studien zur Advocatenprüfung zu betreiben, aber auch dort auf dem Lande faßte er dramatische Pläne. Bald darauf entstand das Trauerspiel „Der Günstling des Kaisers“, welches Hebbel selbst 1862 zum Druck beförderte und dessen Held Petronius Arbiter am Hofe Nero’s ist. Die Anlage und Durchführung dieses Stückes ist eine überaus poetische und auch dramatisch vortrefflich gelungene zu nennen. Ein weiteres Drama „Herostrat“, das G. entworfen, kam nicht zur vollständigen Ausführung. Tief erschütterte den Dichter im J. 1863 der Tod seines kritischen Berathers und wohlwollenden Freundes Hebbel. Die Schöpfung eines neuen Stückes „Ein Königshaus“ lenkte seine trüben Gedanken ab, doch gelang es ihm nicht, dieses Drama auf die Bühne zu bringen.

Wegen der Zurücksetzung, welche seinem dramatischen Schaffen zu Theil wurde, mißgestimmt und verdüstert, wandte sich G. scheinbar vom dramatischen Schaffen ab und verfaßte mehrere biographische und feuilletonistische Aufsätze, welche in Wiener Tagesblättern und in anderen Zeitschriften erschienen. Auch einige novellistische Stücke verfaßte er um jene Zeit und es wurde ihm in Brünner Zeitungen die Theaterkritik übertragen, welche er mit großer Sachkenntniß und mit Ernst übte. Aber auch zur Bühnenschriftstellerei kehrte er wieder zurück. So vollendete er ein bäuerliches Trauerspiel: „Tief im Gebirge“ (erschienen 1885), sowie die wirksame Tragödie „Ein verkauftes Herz“, auch beschäftigte er sich mit der Vollendung von Hebbel’s „Demetrius“, in welcher Gestalt derselbe 1869 auf dem Hoftheater zu Berlin zwar zur Darstellung gelangte, aber geringen Erfolg aufwies. Was Goldhann’s äußere Stellung betrifft, so wurde er schon 1860 zum Adjuncten der Finanzprocuratur in Brünn ernannt und von seinem Vetter, dem Finanzminister v. Plener, zu administrativen und publicistischen Arbeiten verwendet, 1868 wurde der Dichter pensionirt und fühlte sich nun von amtlichen Fesseln frei. Er unternahm in demselben Jahre eine Reise ins Salzkammergut, nach Baiern, in die Schweiz und nach Italien, worauf er sich zum Besuche seines Bruders nach Graz begab, leider traf ihn bald darauf ein harter Schlag durch den Tod seiner geliebten Mutter. Auf dramatischem Gebiete hatte sich G. seit 1867 Stücken heiteren Charakters zugewendet. Es wurden vollendet und an verschiedenen Bühnen auch in Wien und Brünn günstig aufgenommen der Schwank: „Ein Solosänger“ (1867), die einactige Bluette: „Im alten Raubschloß“ (1867) und das Lustspiel: „Freigegeben oder die Doctoren der Rechte“. Litterarisch werthvoller erscheint das historische Lustspiel „Ein Tanz mit der Königin“ (1867), welches, nachdem es eingereicht und geprüft war, der Intendant des [433] Wiener Burgtheaters Baron Münch (Friedrich Halm) dem persönlich erschienenen Verfasser mit der Bemerkung zurückstellte: „in dem Stücke kommt ein König vor, der offenbar betrügt – und das – Sie sehens doch ein – das kann ich doch nicht aufs Burgtheater bringen“. Die letzte größere dramatische Arbeit Goldhann’s ist die Tragödie „Am Rande des Abgrunds“ (1867), wozu er den Stoff einer mährischen Sage entnahm und die reich an dramatischen Effecten ist. Obgleich der Dichter sich stets mit dem Gedanken trug, Brünn zu verlassen, kam er doch zu keinem festen Entschlusse. Er war in allen Gesellschaftskreisen der Stadt außerordentlich beliebt und gründete in Brünn eine Filiale der deutschen Schillerstiftung, zu deren Obmann er gewählt wurde. Eine poetische Scene „zum Concertvortrag“: „Hekuba“ wurde von Rubinstein vertont und mit großem Beifalle vorgetragen. In die letzten Lebensjahre fallen häufige Reisen nach der Schweiz und nach Italien, aber obwol der Dichter noch an verschiedenen dramatischen Plänen beschäftigt war, wurde nichts vollendet. Oefter besuchte er auch Wien und verkehrte dort mit litterarischen Freunden. Von 1886 an übernahm er das regelmäßige Schauspielreferat für den Brünner „Mährisch-schlesischen Correspondenten“ und wurde 1892 zum Präsidenten des Schriftstellervereins für Mähren und Schlesien gewählt. Aber schon machten sich öfter Anfälle eines leidenden Zustandes bemerkbar und am 18. Januar 1893, nach einer Theatervorstellung, wurde er bei einem Freunde zu Besuche unwohl und ein Herzschlag machte plötzlich seinem Leben ein Ende. Die Herausgabe des litterarischen Nachlasses hat G. seinem ebenfalls litterarisch thätigen Neffen Franz Goldhann übertragen.

Wie schon aus dem Vorhergehenden ersichtlich, wies G. eine ungewöhnliche Begabung namentlich auf dramatischem Gebiete auf, die von ihm geschaffenen zum Theile historischen Gestalten sind lebenswahr und plastisch herausgearbeitet, die Vorgänge geschickt erfunden und das dramatische Gefüge wirkungsvoll. In manchen seiner Dramen tritt uns die Einwirkung der ungebändigten Kraft seines Freundes und Förderers Hebbel entgegen. Die Verse in den Tragödien erscheinen fließend und edle Gedanken in schöne dichterische Form gebracht finden sich häufig darin. Dies gilt namentlich von der Tragödie: „Der Günstling des Kaisers“, in welcher die Figuren des Nero und Petronius scharf gezeichnet hervortreten, wie überhaupt das ganze Drama ursprüngliche und bedeutende Dichterkraft aufweist. Ein „markiges Talent“ wie der Litterarhistoriker Gottschall hervorhebt, zeigen auch die mehr auf volksthümlichem Gebiete sich abspielenden Stücke, insbesondere „Am Rande des Abgrunds“, worin der Dichter zahlreiche effectvolle Scenen und Gestalten vorführt, die, wie Frau Mona, die realistisch gezeichnete Trägerin der Handlung, oft sinnliche Wildheit aufweisen. Allerdings sind Goldhann’s Frauencharaktere durchaus nicht idealisirt, wohl aber dem Leben nachgezeichnet. Reich an Effecten wenn auch weniger ausgeprägt in den Personencharakteren erscheint das Trauerspiel „Tief im Gebirge“. – Bedeutend ist der Eindruck, welchen das historische Drama „Der Landrichter von Urbau“ hervorbringt, das auf Grundlage eingehender Studien verfaßt, die Gestalt eines auf seinem verbrieften Rechte beharrenden Mannes vorführt, welcher lieber in den Tod geht, als die Ansprüche auf dieses sein altes Recht aufzugeben, womit eine fesselnde, wenn auch an grauenhaften Einzelheiten reiche Familiengeschichte in Verbindung steht. Keinem Zweifel unterliegt es, daß sich Goldhann’s dramatisches Talent hätte reicher und voller entfalten können, wenn man von Seite der Bühnenleiter ihm freundlicher entgegengekommen wäre, leider hatte er in dieser Beziehung oft mit [434] unübersteigbaren Hindernissen zu kämpfen. – Eine große Beachtung verdienen die lyrischen Gedichte Goldhann’s, welche sinnige, ernste Lebensbetrachtung, Schilderungen der Naturschönheit und des Herzenslebens enthalten und meist eine gereifte ethische Weltanschauung aufweisen, die in edler, tadelloser Form und tiefpoetischer Sprache zu Tage tritt. Auch einige Balladen und erzählende Gedichte sind unter den kleinen Dichtungen hervorzuheben.

Ein ausführliches Lebens- und Charakterbild des Dichters hat Emil Soffé in der von Franz Goldhann, dem Neffen des Dichters, veranstalteten Sammlung: „Ludwig Goldhann’s Leben und Gedichte“ (Brünn 1896) geboten. Diese Biographie fußt zum Theil auf Tagebuchaufzeichnungen, deren Goldhann zahlreiche hinterlassen hat. Von den Gedichten sind die besten für den Band ausgewählt und manche aus dem Nachlasse beigefügt. – Vgl. auch Brümmer, Lexikon d. deutsch. Dichter u. Prosaist. d. 19. Jahrhunderts, Leipzig 1896, Bd. I. Anton Schlossar.

Empfohlene Zitierweise: Artikel „Goldhann, Ludwig“ von Anton Schlossar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 431–434, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Goldhann,_Ludwig&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2022, 14:08 Uhr UTC)