Gautier, Théophile

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394] Gautier (spr. gōtjé), 1) Théophile, franz. Dichter und Kunstkritiker, geb. 31. Aug. 1811 in Tarbes, gest. 23. Okt. 1872 in Neuilly bei Paris, widmete sich unter Rioults Leitung der Malerei, gab aber diesen Beruf auf, um Schriftsteller zu werden. Ein eifriger Anhänger Victor Hugos, beteiligte er sich auf seiten der Romantiker lebhaft an dem Kampf gegen die alte Schule und erwarb sich den Ruf eines ausgezeichneten Novellisten und eines Lyrikers ersten Ranges. Seinen »Premières poésies« (1830) folgten »La comédie de la mort« (1838), ein neuer Band »Poésies« (1845), »Émaux et camées« (1852) und »Poésies nouvelles« (1863), die als »Poésies complètes« (zuletzt 1885, 2 Bde.) gesammelt erschienen. Von seinen Novellen nennen wir: »Les Jeune-France, romans goguenards« (1833); »Mademoiselle de Maupin« (1835), eins der glänzendsten, aber auch sittlich anstößigsten Erzeugnisse der neuern französischen Literatur; »Fortunio« (1838); »Une larme du diable« (1839); »La peau de tigre« (1852, 3 Bde.); »Jettatura« (1857); »Le capitaine Fracasse« (1863, 2 Bde.); »La belle Jenny« (1848); »Spirite« (1866) u. a., zum Teil gesammelt u. d. T: »Nouvelles« (15. Aufl. 1884). Ausgezeichnet war G. auch als Reiseschriftsteller, so in den anziehenden und, wie seine Novellen, oft ausgelegten Schilderungen seiner Reisen in Spanien (1843), in Italien (1852), in der Türkei: »Constantinople« (1853), in Rußland: »Trésors d'art de la Russie« (1861–63) und »Voyageen Russie« (1866). Auch schrieb er Texte zu Balletten (»Giselle«, 1841; »La Péri«, 1843; »Sacountala«, 1858) und einige kleine Theaterstücke, die aber wenig Glück machten (gesammelt erschienen 1872, 2. Aufl. 1877). Seine Kritik war geistreich-sprudelnd, aber (namentlich in der spätern Epoche) blasiert und allzu nachsichtig; in der Kunstkritik steht er, wenigstens was die Beschreibung betrifft, geradezu unerreicht da. Seine Theaterrezensionen für die »Presse« und den »Moniteur« erschienen gesammelt u. d. T.: »Histoire de l'art dramatiqueen France depuis 25 aus« (1859, 6 Bde.), seine »Poésies complètes« Par. 1875, 2 Bde. (neue Ausg. 1890, 3 Bde.). Außerdem sind von seinen Werken noch zu erwähnen: »Les Grotesques« (1844), eine Charakteristik von Schriftstellern des 16. und 17. Jahrh.; »Histoire du romantisme, 1830–1868« (4. Aufl. 1884); »Honoré de Balzac«, Erinnerungen (1858); »Ménagerie intime« (1869), eine Art Autobiographie, und die posthumen Werke: »Portraits et souvenirs littéraires« (1875) und »L'Orient« (1877, 2 Bde.). Ausgewählte Werke Gautiers übersetzten H. H. Ewers[394] und Ilna Ewers-Wunderwald (Leipz. 1903–04, 6 Bde.). Vgl. Baudelaire, Théoph. G. (1859); Feydeau, Th. G.; souvenirs intimes (1874); Bergerat, Th. G.; entretiens, souvenirs, correspondances (1878); De Lovenjoul, Histoire des œuvres de Th. G. (1887, 2 Bde.); Du Camp, Th. G. (2. Aufl. 1895); E. Richet, Th. G. L'homme, la vie et l'œuvre (1893).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 394-395. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006658199