Gattungen nach Buchner
August Buchners kurzer Weg-Weiser zur Deutschen Tichtkunst, hrsg. durch Georg Gözen. Jena: Sengenwald, 1663 (Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt. Digitalisierung von Drucken des 17. Jahrhunderts)
Im 4. Kapitel: Von den Reim-Gedichten und deren Arten, unterscheidet Buchner Reimgedichte von Werken, die "nicht in Reimen sondern in freyer Rede abgefasset seind" (S. 36). Reimgedicht bedeutet hier sovielwie Versdichtung, gebundene Rede.
"Die Griechen und Lateiner nennens Poema oder Poesis wiewol dieses Wort eigendlich von der Bewegung des Gemüths ein Gedichte zu nennen / die Kunst aber solches zu verfertigen wird Poetica genennt." (36)
Begriffsklärung
Bildlich gleiche
- "also das Gedichte einem Gebäude und Hause so nun da stehet"
- "die Poesi dem Bau desselben"
- "der Poet dem Werckmeister"
- "die Poetica dessen Wissenschaft" (37)
Einteilung in Gedichtarten
Buchner unterteilt die "Reimgedichte" nach 3 Gesichtspunkten
1. nach der Anwesenheit des Poeten
Manche Texte "bestehen auff einer blossen erzählung des Poeten / und wird keine andere Person mit angeführet / die etwas redet" (37); andere erzählen durch Personen (Dramatica), "als würde sie gehandelt und verrichtet / nicht aber erzählet". Dazu gehören Komödien und Tragödien "und was sonst in form eines Gesprächs verfertigt wird / als Hirtenlieder / Satyren / Epigrammata, auch wohl Lyrische Oden" (er nennt als Beispiel Horaz 9, 3.
Manchmal kämen beide Arten in einem Werk gemischt vor, Poëmata mixta (Vergil, Homer)
2. nach den behandelten Sachen
Theologische, astronomische, natürliche "und dergleichen" (38).
"die jenigen aber / so auff das menschliche Leben und weltliche Händel gerichtet seind / seind mancherley Arten" (38):
- Heroische Poesie, "darinnen grosser Herrn Geschlechte / Leben / Thaten / und Verdienst gerühmet und erzählet werden" (38)
- Tragœdia, "welche heftige / schreckliche / und grausame Händel grosser Potentaten / und hoher Personen vorstellet" (38f)
- Comœdia, "solche Sachen / so bey dem gemeinen Manne täglich vorgehen und gehandelt werden" (39)
- "Aus dieser ist die Satyra entsprungen / welche schertzweise / und in lachendem Muthe von allerley nützlichen Sachen / sonderlich aber / wie der Tugend nachzujagen / die Laster aber zu meiden seind / Unterricht gibet und höfliche Vermahnung thut" (39)
- Hirtenlieder Bucolica oder Schäfereyen
- hymni Lobgesänge
- Gebets-Gedichte
- Epithalamia, Hochzeit-Gedichte
- Epicedia, Begräbnis-Gedichte
"davon Scaliger in seinem dritten Buch weitläuffig handelt".
3. nach "Reimart" ( hier gemeint: Versart)
Das sei die geringste und schlechteste Einteilung; "also könnten wir Teutschen die Reimgedichte in Jambische und Trochäische vertheilen / dann wir bißanhero mehr Arten Verse nicht haben / wie unten mit mehrerm angedeutet werden soll." (40). Hier kündigt er indirekt an, dass er nach der von Opitz regulierten Verwendung von Jamben oder Trochäen auch Daktylen zulassen will.
"Hierbey ist nicht zuvergessen / daß etzliche in einem ärgern Verstande Lieder und Gesänge genennet werden können / weil diese Gesetz-weise gesetzt. Also daß in einem ieden Gesetze eine richtige und vollkommene Meinung gäntzlich begriffen sey / und sie dannenhero zur Music und singen desto beqvemer gebraucht werden können"." (40)
(Gesetz bedeutet hier Strophe, bei denen eine festlegegte Zahl von Zeilen "gesetzt" werden.)