Etrusker
Etrurĭen (Meyers 1906)
[141] Etrurĭen (Tuscia, von den Griechen Tyrrhenia genannt, s. Karte beim Art. »Italia«), Landschaft auf der westlichen Seite von Mittelitalien, vom etruskischen Apennin bis zum Tibertal; im Altertum stark bevölkert, blühend und fruchtbar, hafenreich, im Besitz einer alten und eigentümlichen Kultur und von politischer Bedeutung. Die Hauptflüsse von E. waren der Arnus (Arno), der Clanis (Chiana), ein Nebenfluß des Tiber, und die Küstenflüsse Umbro (Ombrone), Albinia (Albegna), Armenta (Fiora) und Marta (Ausfluß des Volsinischen Sees). Die östlichen, am Fuß des Apennin gelegenen Teile sind ausgezeichnet durch mildes Klima, fruchtbaren Boden und reiche Bewässerung, aber auch der Westen, die jetzt sogen. Maremme, war im Altertum reich bebaut. Der ganze südliche Teil Etruriens ist vulkanischer Natur und wird nur von einzelnen Kalkbergen, so dem 740 m hohen Soracte, durchbrochen. Die zahlreichen, kesselartig eingeschlossenen Seen jener Gegend, der Trasimenus (Lago di Perugia) und der Volsiniensis (Lago di Bolsena), die beiden größten, ferner der Ciminius (Lago di Vico), der Sabatinus (Lago di Bracciano) und der Vadimonis (Lago di Bassano), füllen erloschene und eingestürzte Krater. An andern Stellen hatte die tuskische Wasserbaukunst die Seen durch Emissarien, die durch die Seiten der Berge gebrochen wurden, abgelassen, um dadurch Land für die Kultur zu gewinnen. Unter den Bodenerzeugnissen Etruriens sind besonders zu nennen: der clusinische Spelt (far), aus dem das einheimische Nationalgericht, der djcke Mehlbrei (puls), bereitet wurde, Flachs, Wein und Öl. Der Apennin lieferte herrliche Tannenstämme als Bauholz zu Wohnungen und Schiffen, so daß Rom einen großen Teil seines Bedarfs aus E. bezog. Auch Viehzucht, Fischfang und Jagd waren Nahrungszweige. Von Mineralien wurden Eisen auf dem benachbarten Ilva (Elba), Kupfer (bei Volaterrä) und silberhaltiges Blei in großen Massen gewonnen und zu Waffen, Statuen und Geld verarbeitet. Erst spät benutzt wurden dagegen die Marmorbrüche von Luna, wo jetzt der karrarische Marmor gewonnen wird. Die namhaftesten Städte Etruriens, deren Umfang z. T. noch heute die Reste ihrer einst mächtigen (kyklopischen) Umfassungsmauern bezeugen, waren: im nördlichen Teil in der untern Niederung des Arnus die[141] alte Handelsstadt Pisä, oberhalb des erst im letzten Jahrhundert der römischen Republik nach Austrocknung der Sümpfe angelegten Florentia das feste Fäsulä (Fiesole; diese drei ursprünglich nicht zu E. gehörig) und im Quellgebiet des Arnus das mächtige, zugleich den Übergang in das Tibertal beherrschende Arretium (Arezzo); dann in Mitteletrurien Volaterrä (Volterra), im Küstenstrich Populonia, Rusellä und Vetulonia, auf den Vorhöhen des Apennin Cortona, Perusia (Perugia) hoch über dem Tibertal, davon westlich Clusium (Chiusi), der Herrschersitz des Porsena, und südlich Volsinii (Bolsena); endlich im S. Volci mit der Hafenstadt Cosa, Tarquinii, Cäre (Cervetri, in ältester Zeit Agylla, »Rundstadt«), uralte Handelsstadt mit dem Hafen Pyrgi, und das früh zerstörte Veji (Ruinen Isola Farnese).
Erst die neuere Zeit hat wieder anerkannt, welch bedeutende Stelle die Etrusker, die sich selbst Rasennä genannt haben, unter den Völkern des Altertums einnahmen, obwohl man über ihren Ursprung noch nicht klar geworden ist.
Von der etruskischen Sprache besitzt man zahlreiche Denkmäler, etwa 7000 Inschriften; der umfänglichste Text ist ein längeres Stück einer Bücherrolle, das sich unter den Binden einer ägyptischen Mumie gefunden hat. Ein mit dem italischen Etruskisch nahe verwandter Dialekt wurde auf der Insel Lemnos gesprochen, der durch zwei Inschriften (aus dem 7. Jahrh. v. Chr.) vertreten ist. Dem etruskischen Alphabet liegt, wie dem der andern altitalischen Stämme, das griechische zugrunde, so daß die Lesung der Inschriften auf keine Schwierigkeiten stößt. Verstanden und übersetzt ist aber bis heute noch keins von allen Denkmälern, und alle Versuche, die etruskische Sprache mit einer andern bekannten Sprache älterer oder neuerer Zeit in verwandtschaftliche Verbindung zu bringen, sind bis jetzt gescheitert. Insbesondere ist zu betonen, daß das Wenige, was man bis jetzt über den Bau der Sprache festzustellen vermochte, mit der Annahme, sie gehöre zu den indogermanischen Sprachen, schlechterdings unvereinbar ist. Als eine nichtindogermanische Sprache betrachtet das Etruskische neuerdings auch V. Thomsen in seinen durchaus methodisch vorgehenden »Remarques sur la parenté de la langue étrusque« (Kopenh. 1899), wo auf die auffallende Übereinstimmung einiger etruskischer Flexionsausgänge mit solchen der östlichen Gruppe der nordkaukasischen Sprachen hingewiesen wird. Wie die Bemühungen um die Sprache, so haben bisher auch die um die ethnologische Stellung der Etrusker ein sicheres oder auch nur wahrscheinliches Resultat nicht ergeben. Vgl. A. Torp, Etruskische Beiträge (Leipz. 1902–1903,2 Hefte); Derselbe, Etruskische Monatsdaten (Christiania 1902).
Hauptbeschäftigung der Etrusker waren Ackerbau und Handel zur See und zu Lande; ihrer Energie gelang die Austrocknung der sumpfigen Niederungen ihres Landes; zugleich aber führte sie schon in sehr früher Zeit ein Handelsweg über die Alpen nach dem Norden, und auf dem Meere waren sie nach den Griechen, Phönikern und Karthagern das bedeutendste Handelsvolk. In ihrem Privatleben tritt frühzeitig Neigung zu Pomp in Kleidung und Insignien hervor, wie ja auch vieles, was zu Rom die Magistrate äußerlich auszeichnete, die lictores, apparitores, die elfenbeinernen Kurulsessel, die toga praetexta, die Ausstattung der Triumphe von ihnen entlehnt wurde. Die alte berühmte Tapferkeit verschwand, je mehr sie sich der Verweichlichung und Schwelgerei zuwandten.
Die Kunst, Literatur und Götterlehre hat sich, von nationalen Anfängen ausgehend, unter griechischem Einfluß entwickelt, sich aber von dem den Etruskern eignen nüchternen und kalten Realismus nicht frei machen können. Das Selbständigste haben sie im Städtebau, namentlich in den Gewölben geleistet und sind in der Anlage der Häuser und im Wasser- und Tempelbau die Lehrer der Römer geworden. (Ausführliches über die Baukunst der Etrusker s. im Artikel »Architektur«, S. 711, mit Tafel IV, Fig. 1–11.) Ihre Metallarbeiten waren ein geschätzter Ausfuhrartikel, Schmucksachen, wie auf der Rückseite gravierte Spiegel (s. Abbildung beim Artikel »Spiegel«) und Toilettekästchen, Hausgeräte, wie Becher und Kandelaber, Waffenstücke. Dagegen haben sie in ihren Tongefäßen nur griechische Muster nachgeahmt und sind in den übrigen Werken der Plastik (s. Bildhauerkunst, S. 865), Tempelzierden und Sarkophagen mit figurenreichen Reliefs an den Seiten aus gebranntem Ton (s. Tafel »Terrakotten«) und aus Stein, immer plump und derb geblieben. Ihre Malerei, von der uns an den Wänden der Gräber in Tarquinii, Clusium, Cäre (s.d. mit Abbildung) u. a. O. zahlreiche Proben erhalten sind, hat sogar griechische Stoffe zur Darstellung gebracht. Beispiele etruskischer Kunstfertigkeit s. auf den Tafeln »Ornamente I« (Fig. 40–43), »Gemmen« (Fig. 3 u. 9), »Ringe« (Fig. 13–15). Das bei ihnen übliche Musikinstrument war die griechische Flöte, neben der auf Denkmälern auch die Zither erscheint. Griechische Schauspiele sind, wie die Theater in Fäsulä u. a. O. bezeugen, entweder in der Übersetzung oder in der Ursprache ausgeführt worden, wie denn auch die griechische Sage nach Ausweis der Denkmäler ihnen geläufig gewesen ist. Sonst erfahren wir von einer nationalen Dichtkunst nichts. Unter den Wissenschaften übten die Etrusker Heilkunde, Naturkunde und Astronomie, und besonders als Ärzte genossen sie einen nicht unbedeutenden Ruf bei den Griechen. Die von ihnen gerühmte Kunst des Wasserfindens oder Regenlockens (aquaclicium) beruhte offenbar auf tieferer Kunde der Natur. Ihre Zeitrechnung folgte genauen Gesetzen. Sie bestimmten den Anfang des Tages durch den höchsten Stand der Sonne und bedienten sich wirklicher Mondmonate. Ihr Zahlensystem war das duodezimale.
Auch die Götterlehre der Etrusker unterlag frühzeitig griechischen Einflüssen, indem man hellenische Gottheiten teils geradezu dem Götterkreis der Etrusker einverleibte, wie das z. B. bei Dionysos der Fall war, teils dieselben den alten tuskischen Göttern unterschob, wodurch von mehreren der letztern der ursprüngliche Begriff ganz verloren gegangen ist. Zwei Ordnungen von Göttern wurden unterschieden: die obern oder verhüllten Gottheiten, die Jupiter befragt, wenn er eine Veränderung des bisherigen Zustandes durch einen Blitz verkünden will, und die Zwölfgötter, die Jupiters gewöhnlichen Rat bilden, mit dem lateinischen Namen Consentes genannt. Als den Etruskern eigentümliche Gottheiten werden genannt: Vertumnus, eine Naturgottheit, die, wie es scheint, die Verwandlungen in der Natur bezeichnete; Nortia, eine Schicksalsgöttin; der von den Römern sogen. Vejovis oder Vedius, der böse Jupiter, dessen tuskischer Name nicht bekannt ist; der dunkle Summanus; die Unterweltsgottheiten Mantus und Mania, nebst den Manes; Voltumna, die Göttin des Bundestempels; die freundliche Göttin der Geburt, Mater Matuta, mit einem berühmten Tempel zu Cäre; Menerfa oder Meurfa, eine Blitzgöttin, die sich in Rom[142] unter griechischem Einfluß zur Minerva ausbildete, die Lares, die Namen und Begriff in Rom beibehalten haben, u. a. Die Religiosität der Etrusker war von einem starren Formalismus beherrscht, der sich auch in den von den Griechen übernommenen Spielen und Festaufzügen kundgab; sie mußten wiederholt werden, wenn irgendwie von der Regel abgewichen worden war. Man weissagte aus dem Flug der Vögel (augurium), aus dem Fraß heiliger Hühner, aus den Erscheinungen am Himmel, besonders den Blitzen, aus den Eingeweiden der Opfertiere (haruspicium) und verehrte als Vater dieser Wahrsagekunst einen Dämon, namens Tages, der, ein Kind von Jahren und Gestalt, aber grau an Weisheit, in einer Ackerfurche entdeckt ward und den Lucumonen das Geheimnis offenbarte. Eigen war der Religion der Etrusker ferner die Neigung zum Finstern und zur Grausamkeit; das Totenreich erschien ihnen namentlich von seiner schrecklichen Seite als ein Ort der Peinigung, von den griechischen Sagen haben ihre Künstler die schrecklichen bevorzugt, sie kannten auch Menschenopfer, und die Gladiatorenspiele der Römer sind eine etruskische Erfindung gewesen. Was die politischen Verhältnisse betrifft, so wurden in der frühesten Zeit die einzelnen Städte von einem König (Lars oder Larth) regiert, an dessen Stelle später jährlich wechselnde Magistrate traten. Die Bevölkerung bestand aus den herrschenden Geschlechtern (lucumones) und aus Untertanen, die mit den thessalischen Penesten oder den Heloten verglichen werden. Ein ziemlich loser Bund hielt die (zwölf) Stadtrepubliken zusammen; man vereinigte sich alljährlich, in dringendern Fällen auch öfter, beim Tempel der Göttin Voltumna in der Nähe des Vadimonischen Sees, veranstaltete gemeinsame Opfer und Spiele, wählte einen Oberpriester und im Fall eines Krieges einen gemeinsamen Bundesfeldherrn, beschloß über Krieg und Frieden und beratschlagte über alle die Gesamtheit angehenden Gegenstände, ließ aber über die innern Verhältnisse jeder Stadt den Adel mit voller Selbständigkeit verfügen.
Die Blütezeit der etruskischen Macht fällt in die Jahre 800–400 v. Chr., in der sie sich nicht nur über ein Land von rund 3000 QM. ausdehnte, nämlich außer E. über das Gebiet zwischen Apennin und Po und den mittlern Teil der nördlichen Poebene (Mantua, Melpum und Felsina, jetzt Bologna, waren etruskische Städte) sowie über Kampanien, das die Etrusker um 800 erobert hatten, sondern auch das Meer an der Westküste Italiens beherrschte, das die Griechen daher das Tyrrhenische nannten. Auch das Königtum der Tarquinier in Rom scheint auf etruskischen Einfluß hinzuweisen, und nach ihrer Vertreibung hat sich die junge Republik dem clusinischen Porsena beugen müssen. Um sich gegen die Ausdehnung der griechischen Seeherrschaft zu schützen, verbündeten sich die etruskischen Städte mit Karthago (Anfang des 6. Jahrh.) und vertrieben mit ihm vereint die Phokäer, die sich in Alalia auf Korsika niedergelassen hatten (540). Der Niedergang begann, als Aristodemos einen Angriff der Etrusker von Cumä zurückwies (um 524), Rom ihre Herrschaft abschüttelte und ihre Flotte vor Cumä von dessen Bewohnern und Hieron von Syrakus vollständig geschlagen wurde (474). Seitdem wichen sie auf dem Meer vor den Griechen und den Karthagern zurück, die Kelten verdrängten sie aus Oberitalien, die Samniter aus Kampanien; gegen das sich nach dem gallischen Einfall nach Norden ausbreitende Rom suchten sie Hilfe bei den Samnitern und beteiligten sich an dem zweiten und dritten Samniterkrieg, gerieten aber, namentlich infolge der Sonderpolitik der Städte, nach dem Siege der Römer bei Sentiunm 295 unter die römische Herrschaft, die sich von da an mehr und mehr befestigte, so daß E. ums Jahr 280 als den Römern völlig unterworfen gelten konnte; nur Sprache, Sitte, religiöse Disziplin und meist auch die innere Verfassung der einzelnen Staaten bestanden noch fast zwei Jahrhunderte in ihrer Eigentümlichkeit fort, und E. war immer noch ein reiches, blühendes Land. Erst von Sulla wurde es infolge seines Festhaltens an der demokratischen Sache nach harten Kämpfen seiner nationalen Einheit beraubt und durch zahlreiche Militärkolonien in Stücke zerrissen. Noch einmal tauchte der alte Name des Landes auf, als E. 1801 dem Erbprinzen Ludwig von Parma als Königreich überlassen wurde (s. darüber den folgenden Artikel).
Literatur. Quellen sind, abgesehen von den einheimischen Kunstdenkmälern und Inschriften, griechische und römische Aufzeichnungen und Traditionen, die uns jedoch nur in Bruchstücken bei verschiedenen Autoren überliefert sind. Von neuern Schriften über E. sind außer Dempster (»De Etruria regali«, 1726) und Gori (»Museum etruscum«, 1737–43, 3 Bde.) die wichtigsten: Inghirami, Monumenti etruschi (Flor. 1825, 10 Bde.); O. Müller, Die Etrusker (Bresl. 1828, 2 Bde.; neue Ausg. von Deecke, Stuttg. 1877); Abeken, Mittelitalien vor den Zeiten der römischen Herrschaft nach seinen Denkmalen dargestellt (das. 1843); »Musei etrusci monumenta« (Prachtwerk, Rom 1842, 2 Bde.); Dennis, The cities and cemeteries of Etruria (2. Aufl., Lond. 1878, 2 Bde.; deutsch von Meißner, Leipz. 1851); Desvergers, L'Étrurie et les Étrusques (Par. 1864, 2 Bde.); Gray, History of Etruria (Lond. 1843–70, 3 Bde.); Taylor, Etruscan researches (das. 1874); Genthe, Über den etruskischen Tauschhandel nach dem Norden (Frankf. 1874); Martha, L'art étrusque (Par. 1888); Seemann, Die Kunst der Etrusker (Dresd. 1890); Pauli, Corpus inscriptionum etruscarum (bisher Bd. 1, Leipz. 1893–1902); Derselbe, Die Urvölker der Apenninenhalbinsel (im 4. Bande von Helmolts »Weltgeschichte«, das. 1900).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 141-143. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006574106
Etrurien (Hetrurien)
[143] Etrurien (Hetrurien), Name für das durch Napoleon Bonaparte geschaffene Königreich, das 1801 im Frieden von Lüneville dem Erbprinzen Ludwig von Parma (s. S. IV der Beilage »Die Verzweigungen des bourbonischen Hauses«, Bd. 3, S. 280) überlassen wurde. Nach seinem Tode (1803) übernahm seine Witwe, die Infantin Marie Luise von Spanien, als Vormünderin ihres Sohnes Karl II. Ludwig die Regierung, mußte sie indes schon 10. Dez. 1807 wieder niederlegen. Nun wurde E. französische Provinz und durch Senatsbeschluß vom 30. Mai 1808 für einen Teil des französischen Kaiserreichs erklärt, 1809 aber als Großherzogtum Toskana (s.d.) Elisa Bonaparte, verehelichte Bacciocchi, der ältesten Schwester Napoleons I., zugewiesen, die es ihrerseits wieder 1814 an das frühere Regentenhaus abtreten mußte. Vgl. Marmottan, Le royaume d'Etrurie 1801–1807 (Par. 1895).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 143. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006574114
Damen Conversations Lexikon 1835
[21] Etrurien, im grauen Alterthume ein blühendes, mächtiges Reich, begriff außer dem heutigen Toskana als Mittelpunkt die ganze Landstrecke von den Alpen bis zu der Tiber hinab, und war vermuthlich von den Griechen bevölkert worden. Das Volk trieb Handel, war kriegerisch und kunstliebend; griechische Sitte und Bildung waren ihm nicht fremd, und so blieb es lange Jahrhunderte den mächtigern Römern, welche aus einer Verschmelzung der Ureinwohner mit griechischen Flüchtlingen hervorgingen, nicht nur ein furchtbarer Feind, sondern Rom holte auch aus dem Nachbarstaate seine Priester und Staatsmänner, seine Baumeister und Künstler, und lernte durch die Etrusker vor Allem die Schifffahrt. Längst, ehe die Römer ein Schiff auf dem Meere besaßen, sandte Etrurien die seinigen in ausgedehnten Handelsverbindungen über alle dem Alterthume bekannte Meere. Einmal zitterte selbst Rom vor den drohenden Nachbarn, als Porsenna an deren Spitze stand; vierhundert Jahre währten die Kampfe bis zur völligen Unterwerfung Etruriens. – Einer besondern Erwahnung verdienen die etruskischen Bildwerke, von denen eine reiche Anzahl auf uns gekommen ist; sie bestehen in Reliefs, Statuen aus Erz, Marmor und gebrannter Erde, vorzugsweise aber in Vasen und Urnen von eigenthümlicher Form und Färbung, meist in einem rothgelben[21] Thone auf schwarzem Grunde. Trümmer etruskischer Bauwerke finden sich noch heute in Rom, an Thoren und Kloaken. V.
Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 21-22. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001728784
Pierer 1858
[930] Etrurien (Tuscia, bei den Griechen Tyrrhenia, a. Geogr. u. Ant.), Landschaft der Italia propria, lag zwischen Ligurien, dem Cispadanischen Gallien, Umbrien u. Latium u. wurde begrenzt von dem Tyrrhenischen Meer, dem Fluß Macra, den Apenninen u. dem Tibris. Das Land war im Allgemeinen eben u. wurde nur von Ausläufern der Apenninen durchschnitten; Berge waren der Argentarius, Ciminius u. Soracte; Vorgebirge: das Promontorium Lunae u. Palinurum; Flüsse: Macra u. Tibris, letzter mit seinen Zuflüssen Clanis u. Cremera, außerdem mehrere Küstenflüsse: Vesidia, Aufer, Arnus, Cecinna, Alma, Umbro, Ossa, Almina, Armine, Martha, Minio; Seen: Lacus Trasimenus, Clusinus, Prelius, Vulsiniensis, Ciminius, Vadimonis u. Sabatinus, u. hatte am Meeresgestade zwar Sümpfe (daher nicht überall gesund), aber auch treffliche Baien; es brachte fast alle Producte Italiens, obgleich, bei der im Ganzen hohen Lage u. bergigen Beschaffenheit, noch keine Südfrüchte in E. wuchsen; es gab aber Getreide, bes. Weizen u. Dinkel, Flachs, Wein, Bauholz, Wildpret (bes. Eber), Fische, Wachs, Korallen, Eisen, Marmor, Alabaster, Peperin, Töpferthon, Mineralwässer; über die Beschäftigung der Einwohner s. unten; über die Einwohner selbst s. Etrurien (Gesch.). E. war in seiner Blüthenzeit eingetheilt in 12 Districte, die sich nach den Hauptstädten nannten: das Gebiet von Clusium, Perusia, Cortona, Arretium, Volaterrä, Vetulonium, Rusellä, Tarquinii, Volsinii, Falerii (nach dessen Zerstörung Cosa), Veji, Cäre; daneben finden sich auch noch als Bundesstädte: Pisä, Fäsulä, Aurinia od. Caletra, Volci u. Salpinum genannt. Unter den Inseln, welche zu E. gehörten, war die wichtigste Elba. Verfassung: wo Etrusker wohnten, sowohl in E., als im Paduslande, hatten sie einen Zwölfstädtebund, am bekanntesten ist der in E.; aus gegenseitiger Eifersucht wurde zwar keiner zum Haupt od. Vorstande gewählt, doch hatte seit frühester Zeit u. bes. seit dem 6. Jahrh. v. Chr. Tarquinii Ansprüche auf die Leitung des Bundes gemacht u. behielt dieselbe bis zu seinem Sturze durch Rom, s. Etrurien (Gesch.). Die Staaten wurden überhaupt weniger durch ein politisches, als durch ein religiöses Band zusammengehalten, Die Versammlung der Bundesstaaten wurde bei dem Tempel der Voltumna (nahe am Tibris, zwischen Ameria, Volsinii u. Falerii) gehalten. Die regelmäßigen Versammlungen waren im Frühjahr, u. zwar mit Opfern, Spielen u. Markt verbunden; zu außerordentlichen kam man auf den Antrag einzelner Staaten zusammen. Stimme bei den Berathungen hatten wahrscheinlich nur die Häupter der Staaten; Gegenstand der Berathung war meist Krieg, an welchem gewöhnlich alle Bundesglieder Theil nahmen. Die Verfassung der einzelnen Staaten, in welche der Bundestag sich nicht mischte, war aristokratisch; es gab eine Anzahl adeliger Familien, die allein auf die (wohl nicht erbliche) Würde eines Königs (wahrscheinlich Lucumo) Anspruch hatten, die in ältester Zeit verfassungsmäßig war, später aber aufgehoben u. durch jährliche Magistrate ersetzt wurde. Der König trug als Auszeichnung eine Toga praetexta u. Bulla aurea, wurde Oberfeldherr u. hatte wahrscheinlich auch richterliche Gewalt; vor ihm gingen Lictoren mit Fasces; vor ihm erschienen die Tuscer alle 8 Tage, um ihn zu begrüßen u. mit ihm über ihre Angelegenheiten zu berathen. Der Senat bestand aus den ältesten Gliedern der Adelsgeschlechter; die anderen Landeseinwohner waren theils im Stande bürgerlicher Freiheit, theils im Verhältniß der Unterthänigkeit u. hatten wenig Rechte, Letztere stammten wahrscheinlich von den alten unterworfenen Siculern u. Umbrern; vgl. Clientel. Kriegswesen: als Waffen dienten ihnen runde Schilde, metallne Helme mit hohen Federbüschen, Panzer u. Beinschienen, lange Stoßlanzen, auch leichte Waffen, wie Wurfspieße, Pfeile u. Schleudern gab es; die Fußsoldaten bildeten den eigentlichen Kern des Heeres; Kriege wurden feierlich angekündigt (vgl. Fetiales). Der Kriegsruhm der Etrusker dauerte aber nicht lange, u. früh schon dienten Söldner in ihren Heeren. Familienleben. Der Älteste der Familie war der Erbe der Besitzung u. Repräsentant der Familie; sie erhielten oft den Ehrennamen Lar od. Lars (d.i. Herr), dagegen hießen die jüngeren Söhne gewöhnlich Aruns. Zur Bebauung der Acker hatte man Leibeigene. Handel u. Beschäftigungen: die Hauptquelle des Wohlstandes in E. war der Ackerbau, man baute bes. Dinkel u. Weizen, Flachs, Wein, Öl; im Süden waren reiche Tannenwälder, deren schöne Stämme viel ausgeführt wurden, die Wälder bargen Wild, bes. Eber; die Viehzucht gab gute Ackerstiere, Schafe, deren Wolle schon früh von den etruskischen Frauen gesponnen wurde, Pferde, Schweine; Fischfang war ein Hauptnahrungszweig in den Küstengegenden; der Gewerbfleiß bestand im Schmelzen des Eisens, das man bes. aus Elba herüberholte, u. Verfertigen von Gefäßen aus Alabaster u. Thon. Mangel an guten Häfen u. die von Etruskern selbst stark betriebene Seeräuberei hinderte in den ältesten Zeiten das Gedeihen des Handels, aber zur Zeit ihrer Blüthe waren sie nächst Phöniciern, Puniern u. Griechen das bedeutendste Handelsvolk im Mittelmeer. Mit den Puniern hatten sie zum Schutz gegen Seeraub Tractate, worin die Einfuhrartikel bestimmt u. den Fremden Schutz zugesichert war. Ausgeführt wurde bes. Holz, geschmolzenes Eisen, Getreide, Wein, Thongefäße, Schuhe, Erzarbeiten; eingeführt Elfenbein, Weihrauch, edle Metalle. Im Innern des Landes waren ihre Märkte, bes. bei Bundesversammlungen am Tempel der Voltumna (s. oben). Den Verkehr erleichterten die schon früh in E. gewöhnlichen Münzen, aus Kupfer u. Erz gegossen, auch wurden Silbermünzen, bes. in Populonia, gefertigt.
Unverkennbar ist der Zusammenhang der Etruskischen Kunst mit der griechischen des unteren Italiens; allein eben so unverkennbar sind nationale Eigenthümlichkeiten, welche die Grundlage der nachmaligen römischen Kunst bilden. Der Blüthepunkt derselben fällt in die Zeit der Herrschaft der tarquinischen Könige. Unter den Denkmalen der Baukunst sind die augenfälligsten jene aus großen, recht- od. auch vieleckig behauenen, ohne Mörtel zusammengefügten Steinen aufgeführten Mauern (Cyklopische od. Pelasgische Mauern), u. die damit verbundenen Thore, an denen man zugleich das große Eigenthum dieser Kunst, die Construction des Gewölbschnittes, wahrnimmt, die in großartigster Anwendung bei Kanalbauten vorkommt. Von[930] Grabmälern unterscheidet man 3 Gattungen: kreisrunde, massive Unterbauten mit einem kegelförmigen Aufsatz (Gräber in den Nekropolen von Tarquinii, Viterbo, Vulci etc.): ferner Felsenhöhlen mit, in die Felsen gehauenen Façaden, oft architektonisch gegliedert u. mit einem Kranzgesims abgeschlossen (zu Orchia, Aria, Toscanella, Sutri, Bomarzo); u. unterirdische Grabkantmern (Hypogeen), mit flacher od. giebelförmig erhobener Decke, mit Malereien an den Wänden (in Vulci, Corneto etc.). Der etruskische Tempelbau war von dem orientalischen u. dorischen ausgegangen, hatte aber in seiner Abweichung durch Breite u. Schwerfälligkeit nie das Ernste u. Würdige des dorischen erreicht; die Säulen auf Basen stehend, waren schlanker u. standen weiter auseinander. Der Plan dieser Tempel erhielt durch die Rücksicht auf das etruskische Auguraltemplum Modificationen; das Gebäude war mehr quadratisch, die Celle im Hintertheil, die Vorhalle bestand aus Säulen. Wenn der Tempel 3 Cellen hatte, so nahmen sie die ganze hintere Hälfte ein; hatte er nur eine, so wurden auch noch auf beiden Seiten der Celle Säulen gestellt. Unter den Denkmalen der Bildnerei sind vor allen, da sich nur wenige Werke aus Stein erhalten haben, die aus Thon (Terracotten) u. Erz zu nennen, welche letztere Kunst in E. einen hohen Grad technischer Vollendung erreicht hatte. Unter ersteren stehen die verschiedenartigen Gefäße oben an, die man häufig in den Gräbern findet; eine Gattung (Aschengefäße) sind mit menschlichen Köpfen, statt der Deckel, u. mit Armen, statt der Henkel, versehen. Ferner kleine Erzfiguren, die dem Hausgottesdienst gedient zu haben scheinen. Von der Malerei u. Zeichenkunst besitzt man schätzbare Überbleibsel an den Wandgemälden der Gräber, den Vasenbildern u. den Gravirungen auf Metallspiegeln. Ihr Inhalt ist dem täglichen Leben, vornehmlich den religiösen Vorstellungen entnommen. Die Zeichnung ist ziemlich mager, die Formen conventionell ohne Naturnachahmung, das Gefälte durch seine Linien ohne erhebliche Züge u. Massen. Der Farbenauftrag besteht in einfachem Coloriren ohne Schattengebung; in den Ornamenten zeigt sich am ersten ein feineres Schönheitsgefühl. Inzwischen zeigen die vorhandenen Werke einen verschiedenen Styl, von gemessener Strenge an bis zu flüchtiger Manier. Die vollständigsten Sammlungen der Werke etruskischer Sculptur u. Zeichenkunst bewahren die Museen von Bologna, Florenz, Rom, Neapel, Berlin, München, Paris etc., die besterhaltenen Malereien befinden sich in den Gräbern von Corneto.
Groß war die Liebe der Etrusker zur Musik, die sie bei ihren Festen, Opfern, Tänzen, sogar auf die Jagd begleitete. Das National kleid der Etrusker war die Tunica u. Toga, die Zeuge webten die Frauen aus den selbstgesponnenen Fäden, die Königs- u. Fürstenkleider zeichneten sich durch den Purpursaum aus. Vorzügliche Aufmerksamkeit schenkten sie den Fußbedeckungen, u. die Tyrrhenischen Schuhe, eine Art Sandalen, waren im ganzen Alterthum berühmt, die Sohle war von Holz u. hoch, die Riemen waren vergoldet; die Lucumonen trugen Hüte aus Fellen, die Frauen spitze Mützen von Wolle. Das Barthaar wurde abgeschoren. Nahrung. Das etruskische Nationalgericht war die Puls, ein Brei aus Dinkelmehl (das Mehl wurde mit Drehmühlen gemahlen); doch wurden die Mahlzeiten mit steigendem Luxus sehr üppig, u. die Etrusker galten für Schwelger. Bei ihren Mahlzeiten lagen sie, auch Frauen waren zugegen, welche den Wein credenzten u. zutranken. Es scheint bei diesen Mahlen auch noch zu anderen Ausbrüchen der Wollust gekommen zu sein, deren sich die etruskischen Mädchen überhaupt nicht entblödeten. Über die Sprache u. die Religion der Etrusker s.u. Etruskische Sprache u. Etruskische Mythologie. Vgl. Dempster, De Etruria regali, Flor. 1723, 2 Bde., Fol.; Gori, Museum etruscum, Flor. 1737–43, 3 Bde., Fol.; Hancarville, Collection of Etrusc. antiq., Neap. 1766, 4 Bde., Fol.; Inghirami, Monu menti Etruschi, Flor. 1821 ff., 7 Bde. u. 7 Bde. Kupfer; O. Müller, Die Etrusker, Bresl. 1828, 2 Bde: Micali, Monumenti ant., Flor. 1832; Hamilton Gray, Tour to the sepulchres of Etruria, 1839; G. Dennis, The cities and cemeteries of Etruria, Lond. 1848, 2 Bde. (deutsch von Meißner, Lpz. 1852).
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 930-931. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009885951
Geschichte
[931] Etrurien (Gesch.). In den ältesten Zeiten wohnten im nördlichen E. Ligurer, im südlichen Umbrer, Erstere noch unbekannten, vielleicht celtischen, Letztere griechisch-italischen Stammes. Schon frühzeitig mögen sich an der Küste einzelne Schaaren kleinasiatische Griechen, die zur See gekommen waren, niedergelassen haben; indessen waren die einheimischen Bewohner von einem dritten fremdartigen Volke, das sich selbst nach seinem Archegaten Rasenä (Ras-ennae), gewöhnlicher aber Tursener (wohl etruskisch Turs-ennae, woraus die Griechen Tyrseni u. Tyrrheni, die Umbrer Tursci, die Römer aber Tusci u. Etrusci machten) nannte u. nördlich vom Po her vorgedrungen war. Noch vor der großen celtischen Invasion in Oberitalien saßen Tyrrhener in der Landschaft nördlich des Po, östlich an der Etsch mit den Venetern illyrischen Stammes, westlich mit den Ligurern zusammengrenzend; noch zu des Livius Zeit sprachen die Bewohner der Rhätischen Alpen (Graubündten u. Tyrol) einen tuscischen Dialekt, u. Mantua blieb noch bis in die Kaiserzeit tuscisch. Südlich vom Po u. an den Mündungen dieses Flusses mischten sich Etrusker u. Umbrer, jene als das herrschende, diese als das ältere Volk; die Umbrer hatten hier Hatria u. Spina, die Etrusker Felsina u. Ravenna gegründet. Im nordetruskischen Gebiet hat sich keine dauernde Volksentwickelung gestalten können, während die Ansiedelung der Tusker in dem Lande, das noch jetzt nach ihnen (Toscana) benannt ist, weit wichtiger für die Geschichte geworden ist. Die etruskische Nationalität fand hier eine bleibende Stätte u. hat sich mit großer Zähigkeit bis in die Kaiserzeit hinein behauptet. Schon sehr früh müssen die Ligurer u. Umbrer durch die etruskische Occupation u. Civilisation vollständig vertilgt worden sein. Die Nordgrenze des eigentlich tuskischen Gebietes machte der Arnus; das Land nördlich desselben blieb zwischen Tuskern u. Ligurern streitig u. blieb ohne größere Ansiedelungen. Im Süden wurde das Gebiet zwischen Tiber u. Ciminischen Wald, mit den Städten Sutrium u. Nepete, Falerii, Veji, Cäre erst später, vielleicht erst im 2. Jahrh. Roms, von den Etruskern eingenommen, so daß sich die ursprüngliche italische Bevölkerung, wie bes. zu Falerii, wenn auch in abhängigem Verhältniß, behaupten konnte. Schon damals hatte sich die Genossenschaft der Zwölfstädte[931] gebildet, u. durch diesen Bund erhoben sich die Etrusker zu dem mächtigsten Volke Italiens; sie befuhren das Adriatische u. Tyrrhenische Meer u. standen mit den Puniern in Handelsverbindungen; auch in Campanien siedelten sie sich an u. gründeten um 800 die Colonien Capua u. Nola; hier stellte sich aber ihrem weiteren Vordringen der Lateinerbund entgegen. Unter den verbundenen Städten in E. war Tarquinii, wohin um 660 der aus Korinth vertriebene Bakchiade Kypselos sich gewendet haben soll, die mächtigste u. erlangte um 615 die Oberherrschaft. In die Zeit der Blüthe von E-s Macht fällt die Ausbildung der Aristokratie der Lucumonen u. der etruskischen Disciplin (s. Etruskische Mythologie). Aus Eifersucht gegen die Macht Tarquiniis empörten sich die anderen Städte, u. von nun an wurden mehrere innere Kriege geführt. Auch Auswanderungen nach Rom fanden Statt, wie unter Celes Vivenna (s.u. Cölius 1) u. Mastarna, der nach der Sage dort als Servius Tullius König ward. In einer Seeschlacht gegen die Phokäer, mit denen die Etrusker schon um 700 im Verkehr standen u. die sich zu Alalia in Corsica angesiedelt hatten, siegten sie 546 u. eroberten Alalia, was wegen der Eisenminen auf Corsica sehr wichtig war. Das Sinken der Macht der Etrusker begann in dem Polande, wo sie um 550 von Celten u. Ligurern überwältigt wurden. Erneuerte Unfälle dort nöthigten sie um 520 auszuwandern, ein Theil zog nach Campanien, ein anderer wahrscheinlich nach den Alpen. Bald darauf waren die Besitzungen der Etrusker im Norden des Po, bis auf Weniges, ganz verloren u. bis um 400 war ihre Macht auch in dem Lande südlich des Po von Bojern u. Lingonen gestürzt. In Süditalien waren ihre Hauptfeinde die Samniten, von denen sie um 420 u. etwas später aus Capua u. Cumä vertrieben wurden. Mit Rom mußte Veji allein den Krieg (Etruskische Kriege) aufnehmen. Im Kampfe gegen diese Stadt fielen 478 die 300 Fabier (s.d.). Nachdem 394 Veji von den Römern zerstört, 393 Capena genommen, 392 Falerii besiegt, 382–372 nach Sutrium u. Nepete römische Colonien geschickt worden waren, wurde der Ciminius als Grenze des römischen Gebiets u. E-s angenommen. Nach dieser Zeit fielen die Ligurer in E. ein u. drängten die Etrusker bis an den Arnus zurück. Auch mit Rom begannen seit 356 die Kriege wieder, u. als die Etrusker Sutrium belagerten, drang 310 Q. Fabius Maximus über den Ciminius; Perusia, Cortona u. Arretium mußten einen Separatfrieden schließen, u. die Niederlage der Etrusker am Vadimonischen See brach die Macht des inneren E-s. 308 kämpfte P. Decius Mus glücklich gegen E. Die Seestädte unterstützten inzwischen den sicilischen König Agathokles gegen die Punier. 302 brach ein neuer Krieg mit Rom aus; wohl wehrten sich die Etrusker, von Galliern (Bojern u. Semnonen), Samniten u. Umbrern unterstützt, noch eine Zeit lang gegen die Römer, aber 284 wurden sie mit ihren gallischen Bundesgenossen von dem Consul P. Cornel. Dolabella wieder am Vadimonischen See geschlagen, u. 283 durch neue Niederlagen noch mehr geschwächt, schlossen sie mit Rom Bündnisse; 282 wurde zum letzten Male vom Consul Q. Marcius Philippus über E. im Allgemeinen triumphirt. Nachdem nun noch 280 u. 265 Volsinii u. 241 Falerii besiegt worden war, galt E. für unterworfen. Es wurden einzelne römische Colonien mit römischer Verfassung in E. angelegt, die etruskischen Städte behielten ihre Institutionen, stellten aber Truppen u. leisteten Geldzahlungen an Rom. Übrigens blieb E. ein blühendes u. reiches Land. 89 v. Chr., zu Anfang des Bürgerkriegs, ertheilte Rom den Etruskern das römische Bürgerrecht, um dieselben der Republik zu erhalten. Erst als darauf Sulla das Land sich unterwarf u. römische Militärcolonien einführte, begann die Romanisirung desselben, welche in den späteren Bürgerkriegen vollendet wurde. Unter Augustus bildete E. 3 Regionen; unter Hadrian 3 Provinzen Italiens, unter Constantin eine Provinz der italienischen Diöcese. Indeß verlor sich unter der Römer Herrschaft der Name E. immer mehr u. ging in den von Tuscia über, woraus in der Folge ein selbständiger, doch in mehrere Republiken getheilter Staat, Toscana, hervorging, welchen endlich die Mediceer wieder mit Einem Bande umschlangen. Nur noch einmal wurde der Name E. (Hetrurien) während der französischen Herrschaft in das Gedächtniß zurückgerufen, indem man denselben einem, von 1801–1807 bestehenden Königreiche, welches Anfangs von Ludwig, Erbprinz von Parma, dann von dessen Gemahlin, Marie Louise, Infantin von Spanien, regiert u. endlich im November 1807 von Napoleon eingezogen wurde, beilegte, s. Toscana (Gesch.). Vgl. Dempster, De Etruria regali, 2 Bde., Flor. 1723–26, u. dazu Passeri, Paralipomena, Lucca 1767, Fol.; Micali, Storia degli antichi popoli italiani Flor. 1835–36, 3 Bde.; O. Müller, Die Etrusker, Bresl. 1828, 2 Bde.; Hamilton Gray, The history of Etruria, Lond. 1843 ff.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 931-932. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000988596X
[932]
Etruskische Mythologie.
Die etruskische Religion, eine polytheistische, war ihrem Charakter nach tiefsinnig, düster u. phantasiearm, aber von großem Einfluß auf das öffentliche u. Privatleben. A) Die Götter (Äsar) zerfielen in 2 Ordnungen: a) die oberen od. verhüllten (lat. Dii superiores, D. involuti) dunkle, namenlose, im Geheimen wirkende, unvergängliche, im ersten Heiligthum des Himmels wohnende Gottheiten, Tina befragte sie, wenn er durch einen Blitz die Veränderung des bisherigen Zustandes verkünden wollte; b) die niederen, zusammenseienden (lat. Diiconsentes, D. complices), benamt, der sichtbaren Natur u. dem Menschengeschlecht näher stehend, vergänglich, 12 an Zahl, 6 männliche u. 6 weibliche, darunter Tina, ihr Herr u. König, dann Kupra, Menrva, Vejovis, Summanus, Sethlans, Saturnus, Mars; außerdem Vertumnus u. Janus od. Neptun. Nächst Neptun war eine bedeutende Seegöttin zu Cere die Matuta. Ungewiß ist, wohin die Schicksalsgöttin Nortia zu rechnen ist. Die Penaten, Götter des Hauses, welche Segen, Nahrung u. Gedeihen gaben u. in dem Inneren des Hauses, in der Vorrathskammer, verehrt wurden, waren wohl keine besondere Klasse von Göttern; Fortuna (vielleicht Nortia), Ceres, Genius Jovialis u. Pales scheinen die allgemein verehrten gewesen zu sein. Andere geben 4 Klassen derselben an, nämlich [932] Penaten des Tina, des Neptun, der Unterweltsgötter u. der sterblichen Menschen, welche vielleicht als Dämonen des Himmels, des Meeres, der unterirdischen Räume u. der Erde gedacht wurden. Bes. wichtig in der E-n M. war die Lehre von dem Genius, dem Gotte mit der allgemeinen Kraft der Zeugung, welcher die Verbindung zwischen Göttern u. Menschen vermittelte. Ausgezeichnete Menschen hießen seine Söhne, so z.B. der Wunderknabe Tages (s.d.). Geisterwesen waren die Laren, Lemures od. Larvä u. Manes (s.d. a.), auch Furien scheinen der E-n M. nicht fremd gewesen zu sein. Von unbekannter Bedeutung sind Ancharia u. Voltumna, sabinischen Ursprungs Feronia u. Soranus. Andere, später eingeführte Götterwesen waren Turnes (Mercur) u. Tinia (Bacchus); der Dienst der Venus u. des Hercules sind ebenfalls als alt nicht sicher nachzuweisen. Auch feindliche Gottheiten spielten in der E-n M. eine große Rolle, woraus sich die häufigen Sühnopfer u. die Furcht vor Fascination erklärt. Zu ihnen gehörten die Götter der Unterwelt Mantus u. Mania. Seltsame u. fremde Dämonen werden nur im Allgemeinen genannt; ihnen wurden Menschenopfer gebracht. Überhaupt scheint die Vorstellung von der Unterwelt u. den unterirdischen Göttern bei den Etruskern verhältnißmäßig sehr ausgebildet gewesen zu sein; die Ansichten davon aber waren Schrecken u. Furcht erregend. Die Heroen in der E-n M. scheinen sich auf wenige Repräsentanten der alten Städte u. Ahnen der berühmtesten Geschlechter beschränkt zu haben, dagegen war die griechische Heroenmythologie, mit einheimischen Sagen verschmolzen, hier zeitig eingebürgert. Bes. sind zu nennen Nanus (Nanas), Tarchon, Halesus, Aucnus (Ocnus), Aulestes, Corythus. Die Volkssage kannte gewiß auch gespenstische Wesen u. Ungeheuer, wie die volsinische Volta lehrt. B) Kosmogonie nach Suidas: der Demiurg bestimmte der Welt 12 Jahrtausende zum Lebensalter u. stellte jedes Tausend unter die Herrschaft eines Zeichens des Thierkreises. Die Schöpfung dauerte 6 Jahrtausende, 6 andere sollte sie bestehen. Im 1. wurde Himmel u. Erde, im 2. das Firmament, im 3. Meer u. Gewässer, darauf die beiden großen Lichter, darnach die Seelen der Thiere, zuletzt der Mensch geschaffen. Wahrscheinlich ist diese Angabe aber aus einer orientalischen entlehnt (vgl. die Mosaische Schöpfungsgeschichte). Den Menschen u. menschlichen Dingen waren gewisse Zeitalter gesetzt, u. der Übergang aus dem einen in das andere wurde stets durch Erscheinungen u. Vorzeichen am Himmel u. auf der Erde angedeutet. Dem etruskischen Staate waren zu seinem Bestehen 10 Zeitalter bestimmt, davon bestanden die 4 ersten aus je 105 Jahren, das 5. aus 123, die 6. aus 119, das 7. aus eben so viel etc. C) Anthropologie u. Eschatologie. Die Seelen der Menschen waren durch den Genius mittelbar von Tina gezeugt (s. oben A). Diese Kraft wirkte in den Sterblichen, denen die Götter günstig waren, auch nach dem Tode fort, so daß der aus. der Unterwelt heraufbeschworene Todte selbst wieder ein Genius wurde; auch konnten durch gewisse, bestimmten Göttern gebrachte Opferthiere die Seelen göttlich u. den Gesetzen der Sterblichkeit entzogen werden. Aber nicht Götter jeglicher Art wurden aus ihnen, sondern nur Penaten u. Laren. An gewissen Tagen stand der Zugang zur Unterwelt offen (s. Mundus), u. dann konnten, für diese Tage, auch andere Seelen die Oberwelt besuchen. Um denselben aber keinen schädlichen Einfluß auf die menschlichen Angelegenheiten zu gewähren, so galten jene Tage als religiosi, an denen keine entscheidenden Angelegenheiten ausgeführt werden durften. D) Cultus. a) Die Priester, welche Collegien bildeten u. denen der Dienst der Götter u. die Erforschung des Willens der Götter, bes. durch Opferschau (s. Haruspices), Erklärung von Wunderzeichen (s. Prodigium, Portentum), Blitzdeutung (Fulguratores), auch die Städtegründung oblag, waren Leute aus den edeln Geschlechtern u. die Hauptpriesterthümer waren erblich, so wie sich die Kunde der Divination durch Unterweisung von Vater auf Sohn fortpflanzte. Doch konnten auch andere Leute darin unterrichtet werden, u. es scheint in Etrurien Priesterschulen gegeben zu haben, wie die Druidenschulen in Gallien. Die etruskischen Priester waren aber auch in den Nachbarstaaten, bes. in Rom, mit ihrer Kunst angesehen u. wurder oft dahin gerufen, um Zeichen zu deuten; zu Augustus Zeit waren etruskische Haruspiker über die ganze römische Welt verbreitet. Ihre Disciplin war in mehreren Büchern aufgezeichnet (s.u. Etruskische Sprache). b) Von Opfern gab es 2 Klassen: solche, wo das Thier blos geschlachtet wurde, wahrscheinlich Sühn- u. Ersatzopfer; u. solche, bei denen der Wille u. der Rath der Götter befragt wurde; hier wurden von dem Opferthiere die edleren Eingeweide dargebracht, das Übrige von den Theilnehmern des Opfers genossen. Außer Thieropfern waren bei den Etruskern auch Menschenopfer gebräuchlich (s. oben). Hieron soll die Menschenopfer in Etrurien untersagt haben. Weil die Etrusker überhaupt viel auf das Sinnliche gaben, so gaben sie auch dem Gottesdienste viel äußeren Glanz. c) Über die Tempel der Etrurier s.u. Etrurien (a. Geogr.). Zum Cultus gehören bei den Etruskern auch d) Spiele u. Feste, u. die Spiele wurden daher mit eben so großer Gewissenhaftigkeit abgehalten, als Opfer u. andere Religionshandlungen; auch galten alle besonderen Zufälle, Erscheinungen, ja die geringsten Unregelmäßigkeiten dabei von besonderer Vorbedeutung. Dies war bes. der Grund, die Darstellungen musikalischer u. orchestrischer Kunst durch Jahrhunderte in derselben Gestalt zu erhalten. Bei solchen Festen u. Spielen fanden feierliche Aufzüge (Pompen) Statt, welche von Musikern, Tänzern, Histrionen, Kämpfern (Faustkämpfern) begleitet wurden. S. Müller, Die Etrusker, Bd. II. S. 1 ff.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 932-933. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009886001
[933]
Etruskische Sprache u. Literatur.
Die Sprache der Etrusker steht unter den übrigen Sprachen des alten Italiens vollkommen isolirt; einen näheren Zusammenhang derselben hat man bis jetzt weder mit den Sprachen griechisch-italienischen Stammes, noch mit denen Per germanischen u. celtischen Völker bestimmt nachweisen können. So viel ist gewiß, daß man innerhalb derselben zwei Perioden zu unterscheiden hat, eine ältere, in welcher die Vocalisirung durchgeführt u. die Häufung von Consonanten vermieden ist, u. eine jüngere, welche die vocalischen u. consonantischen Endungen abwirft, sowie durch Abschwächung od. Ausstoßung der Vocale (nebst Zurückziehung des Accents auf die erste Sylbe) die Sprache äußerst hart u. rauh[933] machte. So entstanden Tarchnas aus Tarquinius, Meurva aus Minerva, Menle aus Menelaos, Pultuke aus Polydeukes, Elchsentre aus Alexandros. Schon früh müssen o u. u, b u. p, c u. g, d u. t zusammengefallen sein; dagegen bedienten sich die Etrusker der Aspiraten in großer Ausdehnung, z.B. in Thethys für Thety, Thelaphe für Telephos, Uthuze für Odysseus. Die Endung al bezeichnet die Abstammung, die Endung sa bei Frauennamen das Geschlecht, in welches sie eingeheirathet haben, z.B. Lecnesa für die Gattin eines Licinius. Eigenthümlich ist die Namensendung enna, z.B. Vivenna, Spurinna (wohl römisch Vibius u. Spurius); clan mit dem Casus clensi ist Sohn, sex Tochter, ril Jahr; der Gott Hermes ist Turms, Aphrodite Turan, Hephästos Sethlans, Helios u. Eos Usil. Es finden sich zwar einzelne Analogien zwischen Etruskisch u. Lateinisch, aber manches davon kann aus Latium nach Etrurien gekommen sein. Trotz des auf zahlreichen Inschriften gebotenen Materials, sowie mancher (durch Bilingues) gegebenen Anhaltepunkte, hat für die Entzifferung noch wenig geleistet werden können, ja es ist mit Sicherheit noch nicht ermittelt, unter welchen Sprachstamm das Etruskische zu classificiren ist. Mehreres, z.B. die Zahlwörter, deutet allerdings auf indogermanischen Ursprung hin, wie auch in neuester Zeit Mommsen u. A. Maury (Revue de l'instruction publique, 1858) annehmen. Die Mehrzahl der Etruskologen folgt Lanzi u. sucht die Sprache aus dem Griechischen u. Lateinischen zu deuten (wie Vermiglioli, Orioli, Conestabile u. And.), während Andere, wie Lanci, Jannelli, Leudier, Pfitzmeier, Tarquini (Revue archéol., 1858) u. am gelehrtesten Stickel, den semitischen Ursprung annehmen. Jedenfalls sind die Basken, Ligurer u. die Urbewohner der Insel Sardinien den Etruskern völlig fremd. Die Schrift der Etrusker, die von der Rechten zur Linken lief, stammt aus der altgriechischen (altdorischen); man unterscheidet eine ältere (auf der Vase Gavassi) u. eine neuere Form (auf der Inschrift von Bomarzo); etruskische Sepulcralinschriften kommen noch bis in die Kaiserzeit vor. Aber in dieser Zeit hörte Sprache u. Schrift auf, u. selbst die etruskischen Weissager bedienten sich der römischen Übersetzung ihrer Ritualbücher. Die Etruskische Literatur ist für uns arm, u. wer weiß, ob sie je reich gewesen ist; die Etrusker hatten ihre Lieder, die sie bei Festen u. Processionen sangen, ob sie aber der Form nach metrisch od. rhythmisch waren, läßt sich nicht bestimmen, da man die Sprache noch zu wenig kennt. So wie schon diese Gesänge zum Cultus gehörten, so auch die anderen, dem Namen nach bekannten Schriftwerke der Etrusker; schon früh zeichnete man Prodigien auf u. setzte denselben geltende Deutung (Libri fatales) unter, die dann auch mit Per etruskischen Disciplin nach Rom kamen u. dort gebraucht wurden. Auch die ganze etruskische Disciplin, früher durch Familientradition fortgepflanzt, wurde später unfgezeichnet u. als Libri etrusci (Libri Etruscorum, Libri etruscae disciplinae) wurden sie von den Haruspikern gebraucht; sie zerfielen in: L ibri rituales, worin von der Art, Städte zu gründen, Altäre u. Tempel zu weihen, von der Heiligkeit der Mauern, dem Rechte der Thore, der Eintheilung in Tribus, Curien, Comitien, von der Ordnung der Heere etc. geschrieben war; Libri fulgurales, welche die Lehre von. den Blitze werfenden Göttern, Art u. Bedeutung der Blitze etc. enthielten; Libri haruspicini, über die Opferschau, Ostentaria von den wunderbaren Vorzeichen; in den Libri tagetici (Disciplina Tagetis, Sacra tagetica, vgl. Tages) waren Regeln der Blitzweissagung, der Städtegründung etc.; in den, zu den vorigen gehörigen Libri acheruntici war die Lehre von der Versöhnung der Götter, der Vergötterung der Seelen etc.; Libri Begoes (Libri Bacchetidis), von der Kunst, vom Blitz getroffene Orte zu sühnen. Seit der Zeit Ciceros beschäftigten sich mehrere Römer u. Etrusker mit Übersetzungen u. Erklärungen jener alten Bücher, bes. Aulus Cäcina, Nigidius Figulus, Vicellius, Umbricius, Julius Aquila, Tarquitius, Corn. Labeo u. A., die jedoch sämmtlich, wie alle Originalien, verloren gegangen u. nur noch bruchstücksweise aus Citaten von Scholiasten bekannt sind. Wkr besitzen zur E-n S. jetzt weiter nichts, als die größere Perusinische Inschrift (s.d.) u. dann kleinere Sepulcral- u. Gefäßschriften. Vgl. Amaduzzi, Alphabetum vet. Etrusc., Rom 1775; Lanzi, Saggio di lingua Etrusca, Rom 1789, 3 Bde.; O. Müller, Die Etrusker, J. 58 ff., II. 281 ff.; Gori, Museum Etr. L. XLVIII. II. 505 ff.; Stickel, Das Etruskische als Semitische Sprache erwiesen, Lpz. 1858.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 933-934. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000988601X
Brockhaus 1911
[539] Etrurĭen, grch. Tyrrhenia, im Altertum Landschaft Italiens am Tyrrhen. Meere, zwischen dem Tiber, dem Apennin und Arno, bewohnt von den Etrusci oder Tusci (daher Tuscia, woraus später Toskana entstand), einem Volke unbestimmter Abkunft, das vom 8. bis 6. Jahrh. v. Chr. auf der Höhe seiner Macht stand und weite Gebiete Italiens beherrschte. Seit dem 5. Jahrh. v. Chr. wurde es von Rom bekriegt (396 Zerstörung der etrusk. Stadt Veji durch Camillus), 280 völlig von den Römern unterworfen und ging in diesen auf. Die etrusk. Kunst, das Mittelglied zwischen der griech. und röm., aber mehr handwerksmäßig betrieben, von großem Einfluß auf die röm., tritt in den Bauwerken und Grabmälern der Etrusker zutage, sowie in ihren zahlreichen Tonarbeiten, woraus sich später der dekorative Erzguß, der Glanzpunkt der etrusk. Bildnerei, entwickelte. Die Zugehörigkeit der etrusk. Sprache, von der Denkmäler in Inschriften erhalten sind, ist noch nicht festgestellt. – 1800-7 war E. Bezeichnung für ein von Napoleon I. geschaffenes Königreich. – Vgl. O. Müller (neue Bearbeitung 1877); Corssen (Sprache, 1874-75); Durm (Baukunst, 2. Aufl. 1905); Seemann (Kunst, 1890).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 539. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001090070