Echo

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Definition: Echo

Das Echo ist die akustische Erscheinung einer durch Reflexion zurückkehrenden Lautwelle, die getrennt vom Ursprungslaut wahrgenommen und in der Antike personifiziert und in Mythen erklärt wird, die auch heute noch unsere Phantasie anregen. Das Phänomen des Echos hat die abendländische Kultur schon früh fasziniert. Davon zeugen griechische und römische Dichter, Hesiod, die Homerischen Hymnen, Ovid, Ausonius, Macrobius u.a. In anderen mythologischen Traditionen z. B. bei Ausonius ist das Echo die Tochter der Luft und der Sprache oder wie bei Macrobius eine Allegorie der himmlischen Harmonie, und zwar als Gattin des Waldgottes Pan, des Erfinders der siebenröhrigen Flöte und Hüterin der siebenfaltigen Sphärenmusik. Fast immer ist die Erscheinung des Echos an Wald und Feld, Felsen und Grotten gebunden und handelt als typisches Liebeslied (locus amoenus) oder Liebesklage (locus terribilis).

Der Höhepunkt des Echo liegt im 17. Jahrhundert, also in der Barockzeit. Vielleicht ist die Dichtkunst der Musik gefolgt und das literarische Echo aus dem komponierten Echolied entstanden. Das Echo hatte in der Frühen Neuzeit ein hohes Ansehen. Es war ein beliebtes Stil- und Ausdrucksmittel in der religiösen Lyrik, trat aber besonders in Gedichten auf, die scherzhaft verspielt waren. Heute stellt es eher einen ästhetischen Unwert dar. Sowohl die Literaturtheorie, die Gattungsgeschichte und sogar die Theologie liefern mögliche Erklärungen für diesen hohen Wert des Echos in der neuzeitlichen Dichtkunst. Das gilt in vollem Umfang für die deutsche Barockliteratur.

In der Dichtungslehre, die in der gleichen Zeit entstand, war es komplizierter. Ihr Begründer in Deutschland, Martin Opitz, handelte das Echo im Buch von der Deutschen Poeterey unter den literarischen Gattungen ab. Ihm genügte der Hinweis, dass das Echo seinen Urprung in den Niederlanden und Frankreich hatte und nannte zwei von seinen eigenen Gedichten als deutsche Beispiele. Dank Opitz’ hoher Position und Autorität in der deutschen Poetik fand das Echo nun dort seinen offiziellen Platz.

Opitz wollte an die neulateinische Tradition, an die die Niederländer Dousa und Secundus erinnerten, anknüpfen. In seinem ersten Echogedicht kann man einige Regeln für den Umgang mit Echos erkennen :

Die Echos stehen am Ende des Gedichts und sind regelmäßig darauf verteilt, sie sind nach einem einfachem Muster eingeteilt : Einsilbige Wörter stehen am Anfang und Ende, dazwischen zwei- und dreisilbige. Die Echos sind nicht zufällig und unmotiviert gesetzt, sie werden vom lyrischen Ich hervorgerufen, so entsteht ein Frage- und Antwortspiel. Ort und Handlung zeigen fast 'idealtypische' Züge – eine Liebesklage. Einleitung und Schlußteil fungieren als Handlung organisierender Rahmen ; nach der Tröstung kann die Liebesklage gegen einen sonnigen Ort vertauscht werden.

Die Echos bilden eine adäquate Reaktion auf Fragen und Seufzer, so, wie es die Theorie verlangt. In Echobildungen werden Wörter zu neuen Formen umgemodelt: jnniglich – ich, unbekandt –bekandt, Ablaß gehen – laß gehen, mit der Zeit – der Zeit, recht – recht. Bei 'recht / recht' handelt es sich um eine Wiederholung, 'mit der Zeit /der Zeit' ist jedoch nur eine scheinbare Repetition, weil die Bedeutung sich verschiebt. Das ist korrekt nach der Regel der Poetik.

Literarische Echo-Effekte waren außerordentlich zahlreich, häufen sich aber bei poetologisch hervortretenden Autoren mit einer Vorliebe für poetische Novitäten und Experimente, wie Philipp von Zesen, Verfasser der ersten, zugleich tonangebenden Poetik nach Opitz, Justus Georg Schottelius, Verfasser der Teutsche Vers- oder Reimkunst und Dichter eines Dramentextes über den Waldgott Pan und die wichtigsten Nürnberger 'Pegnitz-Schäfer' Georg Philipp Harsdörffer, Johann Klaj und Sigmund von Birken. Sie waren in der Dichtervereinigung Pegnesischer Blumen-Orden vereint, die sich fast ausschließlich auf die modische Schäferdichtung konzentrierte.

Das Echo wurde zur Nürnberger Spezialität. Birken beschreibt das Echo äußerst ausführlich als “Fragegebände“. Er legte schon zu Beginn den charakteristischen Topos fest und wies auf das Problem 'richtiger' Echos hin.

Die kunstgerechte Bildung des Echos nahm in der Anweisungs- und Handbuchliteratur einen wichtigen Platz ein. Wo Freiheiten erforderlich waren, wurden auch diese genau geregelt, um einen gewissen poetischen Spielraum zu gewährleisten. Zum Echowort gelangt man durch Abtrennung des vorangehenden Wortes oder Wortteils (Harsdörffer). So wird aus 'neu-begrüntem' nach zwei Abänderungen von 'üntem' die Wendung 'indem'. 'Wald / bald' ist unproblematisch, aber bei 'hocherfreute' muß wieder ein Einschnitt gemacht werden, wonach 'eute' mit dem freigesetzten h zu 'heute' ergänzt werden kann.

Solche Regeln und Beispiele gab es in fast allen poetischen Werken.

Das weitaus üblichste Echo findet sich in der Endstellung der Verszeile :

Die gestellte Frage erhält eine unmittelbare Antwort aus dem Echo. Das ist bei Theorie und Wirkung des literarischen Echos jener Zeit mitzudenken. Das Echo durfte nicht anders gebildet sein als in der real existierenden Natur. Der Theoretiker Schottelius unterschied genau zwischen dem Echo in der Natur und einem Reim: „Dann der Widerhall oder Echo / als die natürliche Gegenprallung und das ebenlautende zurückschallen der Stimme“ sei die Norm des Dichters.

Das war die allgemeine und verbreitete Meinung: Das künstliche Echo hat die Funktion, räumliche und seelische Distanzen, Annäherungs- und Entfernungsbewegungen kenntlich zu machen. Seelische Distanzen und räumliche Distanzen definieren sich hier wechselseitig, und werden akustisch erfahrbar gemacht.

Der Echodialog ist die akustisch ausgestellte Reflexion eines Subjekts, das nicht bei sich bleiben kann, das vielmehr zu einer Ich- Spaltung treibt, die lediglich durch die selbstheilerische Kraft des Reflexionsganges (des Fortschreitens der Reflexion) vereitelt und in tröstliche Selbstfindung überführt werden kann.

Echoeffekte beziehen sich in der deutschen Literatur auf Liebesszenen (Liebesklagen) und auch auf ernsthaftere (religiöse) Themen. Im 17. Jahrhunderts wurde das Echo zum beliebten Stilmittel, viele Autoren bemühten sich um seine Einbindung in die Poetik des Barocks.


Quellen:


Erarbeitet von Andrea Nebel im Grundkurs A Textanalyse, Universität Greifswald, Institut für Deutsche Philologie