Christine von Schweden

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Christina von Schweden (eigentlich Kristina, nach ihrem Übertritt zum Katholizismus Maria Alexandra) (* 7. Dezember jul. / 17. Dezember 1626 greg. in Stockholm; † 19. April 1689 in Rom), Tochter des schwedischen Königs Gustav II. Adolf (1594–1632) und dessen Gemahlin Maria Eleonora von Brandenburg (1599–1655), war von 1632 bis 1654 Königin von Schweden und nach dem Westfälischen Frieden 1648 auch Regentin von Vorpommern, Rügen und Bremen-Verden.


Widmungsgedichte

Samuel Gerlach widmete die zwei Bände "Deutsche Poëtische Gedichte" der Greifswalder Dichterin Sibylla Schwarz (Danzig 1650) der Monarchin und ihr darin 2 Gedichte. Das erste zählt ihre Titel auf:

Der Schweden / Gohten und Wenden Königin / 
Großfürstin in Finland / Hertzogin zu Brehmen / 
Verden / Pommern / Ehesten und Carelien / Fürstin 
zu Rügen / Fräulein über Wismar und Jngerman-
land / etc. Seiner gnädigsten Königin 
und Fräulein 

Das zweite hier im Wortlaut:

[Samuel Gerlach:] Fräulein CHRJSTJNA / 
Königinne in Schweden usf.
durch versetzte Buchstaben C. in Z.
Ruf ! dein Reich / wo es seyn kan / steh
fein lang in Nuz.
Erklähret in einem 
Zirkel=Gedicht / 

Ruf / wer nuhr kan immer ruffen / als ein frommer Hertzens=Christ / 
dieser / sag ich / ruf und bitte den / der in dem Himmel ist / ¶
Der da seinen Ehren=Stuhl hat so hoch gesezet droben / 
über alles Sternen=Heer / und auch selbst so hoch erhoben
ist / weit über alle Götter / doch der Frommen nicht vergist / 
sondern jhr Gebeht erhöret / und wann / ohne falsche List / 
Sie vohn Hertzen jhn anruffen / jhnen hilfft in kurtzer frist / 
Darumb bitt ich alle nu / daß zu unserm Gott dort oben
     		Ruf / wer nuhr kan immer ruffen !
Was dann / Große Königinne ? daß bey dihr nicht werd gemiss´t / 
wo es seyn kan / Ruh´ und Friden ; daß kein Fehde Krig noch Zwist / 
inner deinen Grenzen sey ; daß / gleich wie der Sprey / zerstoben
deine Feinde mögen seyn / und dein Reich / vor ihrem toben / 
Fein lang lang in Nuzen stehe ! daß wihrs mögen seyn vergwist / 
     				Ruf / wer nuhr kan immer ruffen !

Geschriben zu Osterwyk im Danziger Werder / den 18. Julij N.[euen] Kal.[enders] war der Tag Christinen / nach M. Fuhrmans Kalender / dises 1650. Jahres.


Brockhaus 1809

[262] Christine, Königin von Schweden, Tochter des ruhmwürdigen Gustav Adolphs, war am 3 Dec. 1626 geb. und bei ihres Vaters Heldentode auf dem Schlachtfelde bei Lützen (d. 6. Nov. 1632) erst sechs Jahr alt. Im Jahr 1644 übernahm sie die Regierung selbst, die bisher von den obersten Reichsbeamten, vorzüglich von dem Staatsklugen Canzler Axel von Oxenstirna, als Vormündern geführt worden war, und schloß nach vielen von ihren Truppen unter Torstensons, Banners und Wrangels Fahnen erfochtenen Siegen, den Westphälischen Frieden 1648 zu Osnabrück, durch welchen sie viele Provinzen des nördlichen Deutschlands erhielt und ihr Reich auf den höchsten Gipfel des Ruhms brachte. Für das Wohl ihrer Unterthanen sorgte sie zwar mit rühmlichem Eifer, zog aber doch den Regierungsgeschäften die Wissenschaften vor, und beförderte dieselben mit ungeheurem Aufwande. Sie selbst war eine der gelehrtesten Frauenzimmer, die je auf einem Throne saßen, veranlaßte 1640 während ihrer Minderjährigkeit die Stiftung der Universität zu Abo, zog die größten Gelehrten, unter andern den Hugo Grotius, Descartes, Saumaise und Conring, an ihren Hof, und wählte sie zu ihren täglichen Gesellschaftern. Endlich gewann die Liebe zu den Wissenschaften und zu einer ungezwungenen Lebensart bei ihr so sehr die Oberhand, daß sie 1654 in einem Alter von kaum 28 Jahren die Regierung ihrem Vetter, Carl Gustav, Pfalzgraf von Zweidrücken, feierlich übergab, und das Reich verließ. Sie, die schon längst der Römischkatholischen Lehre geneigt war, nahm dieselbe 1654 zu Brüssel insgeheim und 1655 zu Inspruk öffentlich an, wandte sich nach Rom, that verschiedene Reisen, gerieth jedoch endlich in Dürftigkeit und Verachtung, und widmete sich bis an ihren Tod, welcher erst 1689 d. 19. Apr. in Rom erfolgte, gelehrten Beschäftigungen. Sie war edel, gelehrt, talentvoll und einzig in ihrer Art, fiel aber bei ihren litterarischen Arbeiten bisweilen auf thörigte Abwege, z. B. in Rom auf Betreibung [262] der Alchymie, verschwendete, als sie noch regierte, die besten Schätze des Reichs zur Ankaufung wissenschaftlicher Denkmähler, ließ sich nicht selten von Günstlingen leiten, und verfiel durch ihr freies und sorgloses Betragen oft ins Unanständige.


Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 262-263.

Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000746983


Damen Conversations Lexicon 1834

[391] Christine, Königin von Schweden. Wenn schon an und für sich die Erscheinung einer Frau auf dem Throne deßwegen eine interessante ist, weil uns in der Weltgeschichte eben auf Thronen nur wenige denkwürdige Frauen begegnen, so wird dieses Interesse noch bedeutend erhöht, wenn sich, wie bei Christinen an ihre Person die Erinnerung eines großen Vaters, und an die Krone, die sie trug, das Andenken an eine Königin knüpfte, die 250 Jahre vorher alle drei skandinavischen Reiche unter ihrem Scepter vereinigt hatte: und Christine, die Tochter des edeln Gustav Adolf, die Nachfolgerin jener thatkräftigen Margarethe (s. d.), vermochte es über sich, ihrem Glauben und ihrer Krone zu entsagen! – Gustav Adolf war 1626 aus dem Feldzuge in Polen zurückgekehrt, als ihm seine Gemahlin, Marie Eleonore von Brandenburg, Christinen gebar; nach des Vaters Willen sollte sie stark und männlich gebildet werden; früh schon wurden ihre Sinne, und später ihr Geist mit dem Geräusche der Waffen, mit des Krieges eisernem Spiele vertraut gemacht, daneben aber ihre Erziehung den würdigsten Männern anvertraut. Von Seiten ihrer Mutter ward ihr wenig Aufmerksamkeit geschenkt; Christine liebte daher über Alles ihren Vater, und eine außerordentliche Lebhaftigkeit, ein kräftiger Wille und eine glühende Liebe für Ruhm und Thatenglanz pflanzten sich in ihre junge Seele. Bei seiner Abreise nach Deutschland empfahl Gustav Adolf seine vierjährige Tochter dem Senate und der Sorge seiner Schwester. Schon nach 2 Jahren hatte er das Ziel seiner glorreichen Laufbahn auf den Ebenen von Lützen gefunden, die sechsjährige Christine, der das Reich, dessen Angelegenheiten der würdige Kanzler Oxenstierna leitete, den Eid der Treue und des Gehorsams schwor, konnte ihrem Vater nur kindliche Thränen weinen, während der edle Bernhard von Weimar ihn rächte. Christine war so tief erschüttert, daß man ernstlich für ihre Gesundheit fürchtete; nachdem aber die irdischen Reste des gefallenen Königs in der Ritterkirche von Stockholm in stiller Feier ihre Ruhestätte gefunden hatten, da[391] schien sein hoher Geist in dem königlichen Kinde wieder aufzuleben, Christine erhob sich aus dem weiblich weichen Zustande der Frauen, und mit männlicher Thatkraft und strengem Eifer umfing sie das ernste Reich der Wissenschaften und das heitere Gebiet der Künste. Ihre Anlagen entwickelten sich erstaunend schnell, mit dem 8. Jahre waren ihr die deutsche, französische und lateinische Sprache geläufig; dann studirte sie Geschichte, Mathematik und Philosophie, und eignete sich hierauf mit unermüdlicher Thätigkeit und Lernbegierde das Griechische, Spanische und Italienische an, ja sogar die morgenländischen Sprachen blieben ihr nicht fremd. Als 1636 Oxenstierna nach der Schlacht von Nördlingen aus Deutschland zurückkehrte, übernahm er es, das Herz der jungen Königin für ihre Pflichten als solche, für die Grundsätze des ewigen Rechtes, der gesetzmäßigen Freiheit und einer geeigneten Verwaltung zu erwärmen: in Allem fand er die gelehrigste Schülerin, und in dieser das empfänglichste Gemüth für das Große, Wahre und Gute! Dabei entwickelte sich der jugendliche Geist zu einem Grade von Selbstständigkeit, die ihrem Alter weit voraus schritt, und sich als die heilsame Frucht mehrerer Schläge des Schicksals ausbildete, worunter der Verlust ihrer Tante, der Schwester Gustav Adolf's, der härteste war. An ihrem 19. Geburtstage, im Jahre 1644, wurde Christine für volljährig erklärt, und leistete den Eid auf die Verfassung des Reiches. Ihre ersten Handlungen waren der Abtragung von Pflichten der Dankbarkeit geweiht, welche die Treuen, die während ihrer Minderjährigkeit, theils im Innern für das Wohl des Landes gewirkt, theils im Auslande die schwedischen Waffen siegreich geführt, und ihnen den Ruhm und Glanz der Zeiten Gustav Adolf's erhalten hatten, öffentlich auszuzeichnen bestimmt; der staatskluge Orenstierna ward zu der Würde des Grafenstandes erhoben; ihm vor Allen gehörte das Verdienst, im Sinne des gefallenen Helden das Land regiert zu haben. Leider aber blieb Christinen's Ohr nicht lange für die Einflüsterungen taub, die sie vor der Uebermacht des Einflusses[392] warnten, den der Reichskanzler auch nach ihrer Thronbesteigung, zum allgemeinen Besten und zur Freude der Nation, fortwährend behauptete. Gegen ihn bildete sich eine Partei am Hofe, an deren Spitze Magnus Gabriel de la Gardie stand, ein junger Mann, von vortheilhaftem Aeußern und edlem Charakter, aber nicht ohne Eitelkeit und Sucht zu glänzen, von Christinen merklich ausgezeichnet, und um ihn bleibender an sich zu fesseln, mit ihrer Nichte vermählte. Der Einfluß, den er gewann, ward bald überwiegend, und äußerte sich selbst bei den Friedensunterhandlungen, die zu Osnabrück und Münster angeknüpft worden waren, und deren Verzögerung die Ungnade des hochverdienten Oxenstierna herbeiführten, während die Heere, zu deren Oberbefehl, nach des tapfern Torstenson Tode, Wrangel nach Deutschland abgegangen war, immer bedeutendere Fortschritte machten. Der Vetter Christinens, Karl Gustav, kehrte damals vom Heere, bei dem er nicht ohne Auszeichnung gedient hatte, zurück und glaubte die Hand der Königin, mit der er erzogen worden war, für sich zu erlangen, erhielt aber von derselben ausweichende Antworten und stieß auf gemachte Schwierigkeiten, die keinen andern Grund hatten, als die Neigung Christinens zu dem Grafen de la Gardie, der für den Prinzen die Befehlshaberstelle in Deutschland auswirkte, wohin derselbe zurück ging. Kurz darauf wurde der Friede abgeschlossen, den ganz Europa nach dreißigjährigen Stürmen ersehnt hatte, und Karl Gustav kehrte 1650 nach Schweden zurück. Während dessen hatten zwei dänische Prinzen, der Kurfürst von Brandenburg, Johann Kasimir von Polen und die Könige von Portugal und Spanien um Christinens Hand geworben, alle wurden von ihr ausgeschlagen, aber auch Karl Gustav, dessen Wahl die Wünsche der Nation begünstigten, wies sie entschieden zurück, und erklärte, sich nie vermählen zu wollen, obgleich sie die Verdienste dieses letzten Bewerbers in so weit anerkannte, daß sie demselben, mit Zustimmung des Senats und der Stände, die Thronfolge zusprach. Hierauf und nachdem[393] noch mehrere Staatsangelegenheiten auf das Beifälligste geordnet waren, ließ sich Christine mit dem höchsten Glanze und einem Prachtaufwande krönen, der von ihrer gewohnten Einfachheit sehr abstach. Denn wie ihr Charakter überhaupt ein männlicher war, so grenzte ihre Gleichgiltigkeit für Kleidung, Putz und Schmuck an Vernachlässigung. Dabei war die Abhärtung, die sie sich gegen alle Elemente angeeignet hatte, so groß, daß sie selbst die Sorge für ihre Gesundheit aus den Augen setzte. Jagd und Reiten waren ihre liebsten Unterhaltungen, und eine ihr angeborne Unerschrockenheit ließ sie, selbst in Augenblicken dringender Gefahr, niemals Fassung und Besonnenheit verlieren. Christine war streng, gerecht, aber eben so unerbittlich, wenn sie strafte, als willig, das Gute und Verdienstliche anzuerkennen und freigebig, oft verschwenderisch, zu belohnen; mit unermüdlichem Eifer und warmer Liebe begünstigte sie Künste und Wissenschaften und strebte unaufhörlich darnach, ihrem Volke Licht und Aufklärung zu Theil werden zu lassen. Die größten Geister der Zeit verweilten an ihrem Hofe oder unterhielten wenigstens eine Verbindung mit ihr, denn außer vielen Franzosen zeichnete sie auch holländische und deutsche Gelehrte und Künstler aus. Die Großen des Reiches eiferten ihrem Beispiele nach, vorzüglich ließ es der Graf de la Gardie an keiner Gelegenheit fehlen, dem Beispiele der Königin zu folgen; die Periode seines Glanzes aber nahte sich ihrem Ende, und einige unüberlegte Handlungen führten 1653 seinen Sturz herbei, seit welchem Christine ausschließend dem spanischen Gesandten Pimentel ihre Gewogenheit schenkte. Indessen ward unter dem Adel und vor Allem unter der Geistlichkeit die Meinung laut, der Spanier wolle die Königin zur Annahme der katholischen Religion veranlassen; auch das Volk murrte wegen des argen Druckes, den die Erschöpfung der Finanzen, durch die Verschwendung des Hofes herbei geführt, nothwendig machte. Diese und andere Ursachen vielleicht auch ihre eigene Eitelkeit, einen Schritt zu thun, der die Augen von ganz [394] Europa auf sie richten mußte, erneuerten in ihr den schon früher gefaßten Entschluß, dem Throne zu entsagen. Am 16. Juni 1654 entband sie in feierlicher Versammlung die Stände ihres Eides und verpflichtete dieselben dem Pfalzgrafen Karl Gustav. Unmittelbar nachher verließ sie, nur von 4 Edelleuten begleitet, Schweden, und reiste zunächst durch Deutschland nach Antwerpen, von wo sie, einer Einladung des Erzherzogs Leopold folgend, in Brüssel einen glänzenden Einzug hielt, nachdem sie die ganze Reise bis dahin in Mannskleidern zurück gelegt hatte. Am Tage nach ihrer Ankunft in Brüssel schwor sie in des Erzherzogs und Pimentel's Gegenwart den lutherischen Glauben ab. Nachdem sie sich von da nach Rom zu reisen entschlossen und den Papst davon benachrichtigt hatte, wurde sie von demselben mit großem Gepränge eingeholt, und zog unter den größten Feierlichkeiten in die Hauptstadt der Christenheit ein; der Papst selbst, Alexander VlI., confirmirte sie, und sie nahm den Namen Alexandra an. Mehrere Monate verweilte sie in Rom, mit dessen Kunstschätzen sie sich auf das Genaueste bekannt machte; dann entschloß sie sich zu einer Reise nach Frankreich; Ludwig XIV. hatte ihr den glänzendsten Empfang bereitet, überall ward sie mit Festlichkeiten bewillkommnet, und in Paris mit einem unerhörten Aufwand von Pracht und Verschwendung aufgenommen. Diese Umstände und der günstige Eindruck, den sie bei den Franzosen zurück gelassen hatte, waren hinreichend, sie bald nach ihrer Rückkehr nach Rom zu einem zweiten Besuch in Frankreich zu bestimmen; sie kam im October 1657 wieder in Fontainebleau an. Hier aber begab sich ein Ereigniß, das einen längern Aufenthalt in Paris, wohin sie erst nach mehreren Monaten sich begeben durfte, weder für den König, noch für sie selbst wünschenswerth machte. In ihrem Gefolge nämlich befanden sich der Graf Sentinelli und der Marquis Monaldeschi, zwei Italiener, die sich, auf Christinen's Gunst eifersüchtig, tödtlich anfeindeten. Monaldeschi, ihr schon längst verdächtig, ward als Verräther entlarvt, indem man Briefe[395] von ihm auffing und der Königin zustellte; er selbst mußte auf ihre unbefangene Frage, »was derjenige verdiene, der sie verrathe,« sein Urtheil sprechen – Christine ließ ihn tödten. Zwar genoß sie in Paris noch die Freuden des Carnevals, ihr Betragen dabei mißfiel aber so sehr, daß sie alsbald die Rückreise nach Rom antrat, und sich daselbst für längere Zeit niederließ Dennoch konnte sie im Laufe der Jahre den bittern Erfahrungen nicht entgehen, die ein Vergleich ihrer Gegenwart mit dem, was sie einst gewesen und besessen, ihr nothwendig bereiten mußte; auch blieb das gute Vernehmen mit dem Papste nichst ungestört, und so eilte sie denn, als 1660 der König Karl Gustav gestorben war, nach Schweden. Man empfing sie mit allen Ehren ihrer ehemaligen Würde, sie erlangte jedoch nicht den mindesten Einfluß – ihr Uebertritt zur katholischen Religion hatte sie für immer vom Throne ausgeschlossen, und um sie zu entfernen, ward ihr selbst nicht für ihre Person die Ausübung ihres Glaubens vergönnt. Sie mußte von Neuem ihre Abdankungsakte unterschreiben, und verließ, nachdem man ihr die Fortbezahlung ihrer Rente zugesichert hatte, abermals ihr Vaterland, versuchte jedoch, als das Mißverhältniß mit dem Papste ihr immer lästiger zu werden begann, zum zweiten Male dahin zurück zu kehren. An der Grenze kam ihr von Seiten der Regentschaft die Weisung zu, ihren Priester zu entfernen; Christine wollte sich dazu nicht entschließen, und reiste sogleich zurück. In Hamburg erhielt sie die Nachricht vom Tode des Papstes Alexander, und von der Erhebung Clemens IX. auf den päpstlichen Stuhl; sie hoffte diesen durch eine Feier für sich einzunehmen, ließ ihre Wohnung erleuchten und gab dem Volke ein glänzendes Fest. Dasselbe wurde jedoch durch einen Volksauflauf gestört, und die Ruhe nicht ohne Blutvergießen wieder hergestellt, die Königin mußte aber sogleich die Stadt verlassen. Sie kehrte nach Rom zurück, wo bald nachher von Clemens IX. die dreifache Krone auf Clemens X. überging. Auch dieser starb 1667, und in dem neuen Papste, Innocenz II., [396] fand Christine einen strengen unerschütterlichen Gebieter, mit dem sie in kurzer Zeit in offenbare Reibungen gerieth. in Folge deren ihr der päpstliche Jahrgehalt entzogen ward. Christine lebte von nun an wieder ganz den Wissenschaften, bei ihrem unermüdeten Streben nach Allseitigkeit sollte ihr nichts fremd bleiben; sie versuchte sogar, in den Sternen zu lesen. Die Stimme des Ehrgeizes aber ließ sich in ihr noch im späten Alter vernehmen, und ihr Eisern nach politischer Wichtigkeit starb nur mit ihrem Tode. Dieser ereilte sie mitten in einer ruhigen Thätigkeit am 19. April 1689; sie war damals 63 Jahre alt und sah ihrer Auflösung so muthig und ungebeugt entgegen, wie sie sich durch ihr ganzes Leben bewährt hatte. Der Papst ließ sie unter feierlichem Gepränge in St. Peter beisetzen und ihr daselbst ein prächtiges Denkmal errichten. Die Königin Christine hat die entschiedensten Verdienste um die Förderung der Künste und Wissenschaften und war wie der sterbende Reichskanzler Oxenstierna treffend und erschöpfend beurtheilte, bei all ihrer Beweglichkeit, bei ihrer Größe und ihren Schwächen, ihrer Leidenschaft und den Widersprüchen ihres Charakters doch immer die Tochter des großen Gustav Adolf geblieben. X.

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 391-397. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001720597

Herders 1854 [109] Christine, Königin von Schweden, Tochter Gustav Adolfs und der Marie Eleonore von Brandenburg, regierte unter Vormundschaft von 1632–1644, selbstständig von 1644–1654, wo sie gegen eine Pension die Regierung an den Pfalzgrafen Karl Gustav abtrat. Sie begab sich zuerst nach Brüssel, wo sie zur kath. Kirche zurücktrat, welchen Act sie feierlich zu Innsbruck am 3. November 1655 wiederholte. Hierauf zog sie nach Rom, besuchte 1656 und das folgende Jahr Frankreich, 1660 Schweden, abermals 1666, lebte übrigens meistens in Rom, wo sie 1689 den 19. April st. und in der St. Peterskirche begraben wurde. C. war von Natur ein Mannweib und wurde auch nicht weiblich erzogen; sie erwarb sich alle Kenntnisse, die ein Regent nöthig hat, leitete die Politik Schwedens trotz dem erfahrensten Staatsmanne, war entschlossen und kühn wie ihr Vater, dabei Freundin und Kennerin der Kunst und in den schönen Wissenschaften bewanderter als mancher Professor. Sie sammelte einen Kreis gelehrter Männer um sich, unter denselben H. Grotius, Isaak Vossius, Huetius, Meibomius, Descartes etc.; ihre Bibliothek und Kunstsammlung gehörte zu den ausgezeichnetsten. Schon früher war sie auf Willkürlichkeiten des protestantischen Systems gestoßen, aufmerksamer geworden fand sie deren immer mehr, eigenes Studium und der Umgang mit kath. Theologen überzeugte sie von der irrthümlichen Grundlage des Protestantismus und anderseits von der Wahrheit der kathol. Religion. Sie kehrte in den Schoß der Kirche zurück, obwohl sie diesem Schritte die Krone und in den Augen der Welt als Tochter Gustav Adolfs die kindliche Liebe opfern mußte. (Grauert, Christine von Schweden und ihr Hof; Bonn 1838–42. Archenholz, Memoiren der [109] Königin Christine; Berlin 1751–60; Ranke, Päpste, III. Bd.; Historisch-politische Blätter 1843. XII.)

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 109-110. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003270939


Pierer 1858

[106] Christine, weiblicher Vorname, bedeutet die Christin. Merkwürdig sind als Fürstinnen: A) Königinnen: a) Von Schweden: 1) Ch. Auguste, Tochter Gustav Adolfs II. u. der Marie [106] Eleonore von Brandenburg, geb. 9. Decbr. 1626; 1632 gelangte sie, nach ihres Vaters Tode unter Vormundschaft von 5 Reichsräthen, zur Regierung. Sie erhielt eine gelehrte (bes. von dem Hofprediger Joh. Matthiä) u. männliche Erziehung, u. als sie am 7. Decbr. 1644 die Regierung selbst angetreten hatte (s. Schweden, Gesch.), war es ihr eifrigstes Bestreben, die Wissenschaften durch das Herzurufen gelehrter Männer u. durch den Ankauf von Büchern, Kunstsachen, Antiken etc. zu fördern (vergl. Schwedische Literatur), wodurch sie aber die Finanzen des Reichs zerrüttete. Freisinnig in ihren religiösen Ansichten u. einer Union der beiden evangelischen Bekenntnisse sehr geneigt, fand sie deshalb bei der lutherischen Geistlichkeit ihres Landes großen Widerstand u. Widerspruch, u. darin lag der Grund ihrer immer größer werdenden Abneigung gegen die Lutherische Kirche. Durch ihren Leibarzt u. Günstling Bourdelot gewann der Papst Einfluß auf sie, u. nachdem verkleidete Jesuiten in Stockholm das Bekehrungswerk vollendet hatten, entsagte sie am 6. Juni 1654 in Upsala (nachdem ihr ein Einkommen von 240,000 Rthlrn. zugesagt worden war) der Krone zu Gunsten ihres Vetters, des Pfalzgrafen Karl Gustav, u. reiste nun über Dänemark nach Brüssel, schwur hier am 2. 4. Decbr. d. I. in die Hände des Pater Guemés den protestantischen Glauben ab, wiederholte diese Abschwörung am 3. Nov. 1655 in Innsbruck öffentlich u. ging im Decbr. 1655 nach Rom, wo sie, vom Papst Alexander VII. gefirmt, den Namen Alexandra annahm. In Rom widmete sie sich nun wieder ganz den Wissenschaften; im Sommer 1656 besuchte sie Paris, kehrte aber Ende d. I. über Turin nach Italien zurück, wo sie in verschiedenen Städten lebte. Im Oct. 1657 ging sie nochmals nach Frankreich, wo ihr das Schloß Fontainebleau von Ludwig XIV. zum Aufenthalt angewiesen wurde. Hier ließ sie ihren Oberstallmeister, den Marchese Monaldeschi (s.d.), der nach dem Grafen de la Gardie ihr Geliebter gewesen war, weil er, nun durch den Grafen Santinelli ersetzt, über das Verhältniß mit ihr unvorsichtige Äußerungen gethan hatte, durch einige ihres Gefolges ermorden, was ihr den Unwillen des Hofs, des Papstes u. der öffentlichen Meinung von Europa zuzog. Im Frühjahr 1658 kehrte sie nach Rom zurück, wo sie wegen Geldverlegenheit eine jährliche Pension von 12,000 Scudi vom Papst erhielt u. Einfluß auf den römischen Hof zu gewinnen suchte. Nach Karls X. Gustav Tode kehrte sie 1660, nicht ohne die Absicht, die Krone wieder zu übernehmen, nach Schweden zurück, aber der Senat nöthigte sie zu einer 2. Entsagungsacte, auch im Fall des Todes des, erst 4 Monate alten Königs. Sie verließ Schweden wieder im Mai 1661, hielt sich lange in Hamburg auf u. kam dann wieder nach Rom, wo sie jedoch wegen ihrer Einmischung in Familienangelegenheiten u. Staatshändel bald unbequem wurde. 1666 kehrte sie nochmals nach Schweden zurück, aber da ihr zur Bedingung gemacht wurde, sich der Ausübung des katholischen Cultus zu enthalten, wendete sie schon in Norkopig um, lebte in Hamburg, u. nachdem sie sich 1668 vergebens um die durch den Tod des Königs Johann Kasimir erledigte Krone von Polen beworben hatte, ging sie im Oct. d. I. wieder nach Rom, wo sie die Akademie der Arkadier stiftete u. bis an ihren Tod sich mit Kunst u. Wissenschaft beschäftigie; sie st. in Rom 19. April 1689, der Papst ließ für sie 20,000 Seelenmessen lesen u. ihr ein Denkmal errichten. Den Cardinal Azzolini hatte sie zum Erben ihres Vermögens eingesetzt. Vgl. Archenholz, Historische Merkwürdigkeiten der Königin Ch., Lpz. u. Amst. 1750–52 (deutsch Berlin 1751–60, 4 Bde.); Pensées de Ch., Reine de Suede, Par. 1825; Grauert, Ch. u. ihr Hof, Bern 1838–42, 2 Bde.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 106-108. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000968185X


Meyers 1906

[113] Christine, 1) C., Königin von Schweden, Tochter Gustav Adolfs (s.d.) und Maria Eleonoras von Brandenburg, geb. 18. Dez. 1626, gest. 19. April 1689 in Rom. Bereits 1627 von den Ständen als Thronfolgerin anerkannt, stand sie nach dem Tod ihres Vaters (1632) lange unter einer von A. Oxenstierna geleiteten Vormundschaftsregierung, die zwar für ihre wissenschaftliche Ausbildung trefflich sorgte, sie aber absichtlich ihrer Mutter entfremdete, übernahm Ende 1644 selbständig die Regierung und brachte die Kriege Schwedens mit Dänemark (1645), bez. in Deutschland (1648) zu einem vorteilhaften Abschluß. Ursprünglich dem Großen Kurfürsten, ihrem Vetter, zur Gemahlin bestimmt, wies sie aus Abneigung gegen die Ehe diesen wie zahlreiche andre Bewerber ab und setzte 1649 bei den Ständen die Ernennung des Pfalzgrafen Karl Gustav, ihres Halbvetters, zu ihrem Thronfolger durch. In Europa durch den Beinamen »Pallas suecica« geehrt, weil sie Dichter, Künstler und Gelehrte (Grotius, Descartes, Salmasius u. a.) an ihren Hof zog, einen regen wissenschaftlichen Briefwechsel unterhielt und eine prächtige Münz-, Antiken- und Gemäldesammlung zusammenbrachte, erregte anderseits beim Volk ihre Verschwendungssucht, beim Adel ihre Begünstigung der Talente ohne Rücksicht auf Rang oder Geburt, bei der Geistlichkeit ihr Umgang mit Jesuiten und Calvinisten lebhaften Anstoß. Diese innern Verwickelungen machten sie schließlich regierungsüberdrüssig. Nachdem der Reichstag ihr 600,000 Mi. jährliche Revenuen angewiesen und sie ermächtigt hatte, diese Summe im Ausland zu verzehren, dankte sie 16. Juni 1654 ab und begab sich über Brüssel, wo sie Weihnachten 1654 insgeheim zum Katholizismus übertrat, und Innsbruck, wo sie Anfang November 1655 öffentlich das katholische Glaubensbekenntnis ablegte, nach Rom, wo sie nach der Firmung durch Papst Alexander VII. den Namen Christina Alexandra annahm. Den Sommer 1656 verlebte sie in Frankreich. Bei einem zweiten Aufenthalt daselbst (1657–58) ließ sie ihren Günstling und Oberstallmeister Monaldesco (s.d.) ermorden. Nach dem Tode Karl Gustavs (1660) begab sie sich aus Italien nach Schweden, wo sie sich jedoch durch Betonung ihrer katholischen Gesinnung die Gemüter entfremdete und eine neue, vollständige Entsagungsakte ausstellen mußte. 1661–62 weilte sie in Hamburg, dann in Rom. Während einer abermaligen Anwesenheit in [113] Hamburg (1666–68) und in Schweden (1667) trat sie von neuem für die katholische Kirche in die Schranken. In Rom fortan der Mittelpunkt der geistlichen und gelehrten Kreise, machte sich C. als Stifterin einer Akademie (1674), der spätern Accademia clementina o reale, durch Veredelung der italienischen Sprache und Dichtkunst verdient. Nach dem Tode Johann Kasimirs (1672) erhob sie als dessen nächste Wasaverwandte auf seine Güter in Polen und Neapel vergeblich Anspruch. Kardinal Azzolino, ihr bester Freund und langjähriger Vertrauter, war ihr Universalerbe. Vgl. Arckenholtz, Mémoires de C., reine de Suède (Amsterd. 1751–60, 4 Bde.; auch deutsch und schwedisch); Woodhead, Memoirs of C., queen of Sweden (Lond. 1863, 2 Bde.); Grauert, C., Königin von Schweden und ihr Hof (Bonn 1838–42, 2 Bde.); Bain, C., queen of Sweden (Lond. 1889); H. E. Friis, Dronning C. af Sverrig (Kopenh. 1896; deutsch, Leipz. 1899); R. Schulze, Das Projekt der Vermählung Friedrich Wilhelms von Brandenburg mit C. von Schweden (Halle 1898); Gustafsson, Bidrag till historien om drottning Kristinas afsägelse och riksdagen 1654 (Stockh. 1887); (Burenstam,) La reine C. de Suède à Anvers et Bruxelles 1654–1655 (Brüss. 1891); Buffon, C. von Schweden in Tirol (Innsbr. 1884); Claretta, La regina C. di Svezia in Italia 1655–1689 (Turin 1892); Campori, C. di Svezia e gli Estensi (Modena 1877); Bildt, C. de Suède et le cardinal Azzolino (Par. 1899); O. Granberg, I, a galerie de tableaux de la reine C. de Suède (Stockh. 1896, auch schwedisch).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 113-114. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006425062


Brockhaus 1911

[343] Christine, Königin von Schweden, geb. 18. Dez. 1626, Tochter Gustav Adolfs, folgte diesem 1632 unter Vormundschaft, seit 1644 selbständig, sammelte Gelehrte um sich, dankte 1654 zugunsten des Prinzen Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken ab, trat in Innsbruck zum Katholizismus über; gest. 19. April 1689 zu Rom. – Biogr. von Grauert (1837-42), Friis (deutsch 1899).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 343. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001013378