Chateaubriand, François René de

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Eisler 1912

[93] Chateaubriand, Vicomte de, 1769-1848. = Gegner der Aufklärung, der die (katholische) Religion als Bedingung der menschlichen Höherentwicklung ansieht. Schriften: Génie du Christianisme, 1802, 1836.

Quelle: Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 93. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001818600


Meyers 1905

[898] Chateaubriand (spr. schatobrisáng), François René (nicht Auguste), Vicomte de, berühmter franz. Schriftsteller und Staatsmann, geb. 4. Sept. 1768 zu St.-Malo in der Bretagne, gest. 4. Juli 1848 in Paris, stammte aus altadliger Familie, besuchte die Collèges zu Dol, Dinan, Rennes und wurde erst zum Seedienst, dann zum geistlichen Stand bestimmt, trat schließlich aber als Leutnant in das Regiment Navarra. Nach dem Tode seines Vaters (1786) ging er nach Paris, trat in Verbindung mit Parny, Ginguené, Le Brun, Chamfort u. a., unter deren Einfluß er Freidenker wurde, und schiffte sich 1791, um die nordwestliche Durchfahrt aufzufinden, nach Nordamerika ein, wo er fünf Monate blieb. Zurückgekehrt, trat er nach seiner schleunigen Vermählung mit einer reichen Erbin in das Emigrantenheer, wurde bei Thionville verwundet und floh 1793 nach London, wo er in großer Not lebte. Hier entstand sein »Essai sur les révolutions, etc.« (Lond. 1797, 2 Bde.), ein unreifes Gemisch von Vorurteilen, religiösen Zweifeln und philosophischen Betrachtungen nach J. I. Rousseau. Die Nachricht von dem Tode seiner Mutter (1798) bewirkte in ihm eine Umkehr zum positiven Christentum. In dieser Stimmung verfaßte er sein »Génie du christianisme« (1802, 5 Bde., u. ö.; deutsch von Schneller, Freiburg 1856–57), eine glänzende Apologie des Christentums, die weder historisch noch dogmatisch, sondern lediglich poetisch und ästhetisch ist; sie erfuhr vielfache Angriffe, auch von theologischer Seite, und wurde von der Kirche auf den Index gesetzt. Ein Jahr vorher hatte er im »Mercure de France« daraus die Episode »Atala« veröffentlicht, welche die majestätische Schönheit der amerikanischen Natur mit der herben, entsagungsvollen Strenge des Christentums vereinigte und zwar mit solcher Pracht und Üppigkeit der Diktion, daß alle Welt entzückt war. Ähnlichen Erfolg hatte »René, ou les effets des passions«, eine Episode, die C. erst 1807 aus dem Hauptwerk loslöste, eine Art christlichen Werthers mit Byronschem Weltschmerz und Faustscher Genußsucht, das Abbild der Persönlichkeit des Autors selbst. Den Schluß zu »René« bilden »Les Natchez«, die 1825 im Druck erschienen. Als C. 1800 nach Frankreich zurückkehrte, schloß er sich ernstlich dem Konsulat an und ging 1803 als Gesandter nach Rom; doch ward er dieser Stellung bald überdrüssig, und der am Herzog von Enghien (1804) verübte Justizmord bot ihm die erwünschte Gelegenheit, sein Amt niederzulegen. 1806 trat er seine bekannte Reise nach dem Orient an; er besuchte Griechenland, Palästina, Afrika und Spanien. Früchte derselben waren das große religiöse Epos in Prosa: »Les Martyrs« (1809, 2 Bde.; deutsch von Fesenmair, Münch. 1864), an dem er seit 1802 arbeitete, sodann das »Itinéraire de Paris à Jérusalem« (1811, 3 Bde.; deutsch von Haßler, Freiburg 1817), Schilderungen der Örtlichkeiten, auf denen die »Martyrs« sich abspielen, beides Meisterwerke sorgfältiger Ausführung und harmonischen Stils. 1811 wurde C. in die Akademie gewählt an die Stelle M. I. Chéniers, des Revolutionärs und scharfen Kritikers seines »Génie du christianisme«. Da er aber statt der üblichen Lobrede eine höchst abfällige Beurteilung[898] seines Vorgängers vorlegte, so verbot der Kaiser, die Rede zu halten. C. tritt nun in Opposition zu Napoleon und wird eine politische Persönlichkeit. Sein Haß macht sich am schärfsten geltend in dem unwürdigen Pamphlet »De Buonaparte, des Bourbons etc.«, das 1814 nach dem Sturze des Kaisers erschien und für Ludwig XVIII. »eine Armee wert« gewesen ist. Während der Hundert Tage wurde er Minister, dann Pair von Frankreich; als solcher saß er auf der äußersten Rechten und war royalistischer als der König selbst, wie seine Schriften: »Réflexions politiques« (1814) und »De la monarchie selon la charte« (1816) beweisen. Seine Unbesonnenheit erregte den heftigsten Unwillen des Königs; erst seine »Mémoires, lettres et pièces authentiques touchant la vie et la mort du duc de Berri« (1820) brachten eine Versöhnung zustande. C. wurde 1820 Gesandter in Berlin, dann Minister, Gesandter in London, Bevollmächtigter auf dem Kongreß zu Verona und 28. Dez. 1822 Minister des Auswärtigen und als solcher Haupturheber des spanischen Krieges, der dieses unglückliche Land härter als je in Fesseln schlug. Seine unermeßliche Eitelkeit brachte ihn jedoch bald in Differenzen mit Villèle; er wurde ungnädigst entlassen, trat aus Wut in die liberale Opposition und bekämpfte als Pair mit allen Mitteln der entfesselten Presse die Villèleschen Institutionen. Er schrieb nun in dem »Journal des Débats« seine glänzenden Artikel für Preßfreiheit und gegen die Zensur, für die Wiederherstellung Griechenlands (»Note sur la Grèce«) etc. und nahm unter dem liberalen Ministerium Martignac 1828 den Gesandtschaftsposten in Rom an, den er aber 1829 niederlegte, als der Herzog von Polignac Minister wurde. Mit der Julirevolution, an der er keinen Anteil nahm, trat er in die dritte Periode seines politischen Wirkens: er verweigerte dem Bürgerkönig den Eid der Treue, schied aus der Pairskammer und blieb den Bourbonen treu, unterhielt aber zu gleicher Zeit Verbindungen mit den Republikanern, besonders mit Carrel und Béranger. Die letzten bedeutenden Aktionen seines Lebens waren seine Reisen im Interesse der Bourbonen (1831 nach Prag, 1843 nach Belgrave Square); die übrige Zeit blieb er ruhig in der Abbaye-aux-Bois, mit der Abfassung seiner Memoiren beschäftigt, in der Nähe seiner Freundin Mad. Récamier, der er 20 Jahre lang treu geblieben ist, und in deren Salon er der Mittelpunkt und Abgott des jungen Frankreich war. Er wurde über einem Felsvorsprung (le Grand-Bé) bei St.-Malo begraben; in der Stadt ließ ihm die Nation ein Denkmal errichten (von Millet). Von seinen Werken sind noch zu nennen: »Les aventures du dernier des Abencérages« (1826), die Erzählung eines Abenteuers in der Alhambra auf seiner Reise durch Spanien. vielleicht sein vollendetstes Werk (mit »Atala« und »René« übersetzt von M. v. Andechs, Hildburgh. 1866); »Etudes ou discours historiques« (1831, 4 Bde.); »Voyages en Amérique, en France et en Italie« (1827, 2 Bde.); »Essai sur la littérature anglaise« (1836, 2 Bde.); eine Übersetzung von Miltons »Paradise lost« (1836); »Mémoires d'outretombe«, an denen er 1811–33 geschrieben hat. Wegen der vielen persönlichen Anspielungen, die das Werk enthielt, sollte es erst lange nach seinem Tode veröffentlicht werden; aber die Geldnot, in der sich C. immer befand, zwang ihn, das Manuskript um einen hohen Preis zu verkaufen, und noch bevor erdie Augen geschlossen, begann der Verleger den Abdruck als Feuilleton in der »Presse«, dann in 12 Bänden (1849 bis 1850). Die Enttäuschung war allgemein; man fand einen Wust von Widersprüchen und falschen Behauptungen und ärgerte sich über die lächerliche Eitelkeit des Autors und über die ungerechten Urteile; doch verleugnet sich Chateaubriands geistvolle Art keineswegs. Ein Meister der Sprache, ein Dichter durch seinen Reichtum an schöpferischer Phantasie, obwohl er fast nur in Prosa geschrieben und vieles aus ältern Reisebeschreibungen entlehnt hat, steht er mit Recht an der Spitze des 19. Jahrhunderts. Er ist zugleich Vorkämpfer und oberstes Haupt der Romantik in Frankreich. Nicht zu vergessen ist, daß ihm für die literarischen Werke Fontanes, für die politischen der ältere Bertin als Berater zur Seite standen. Unter den zahlreichen Ausgaben seiner »Œuvres complètes« sind die von C. selbst besorgte (1826–31, 31 Bde.) und die von Sainte-Beuve (1859–61, 12 Bde.) hervorzuheben; eine deutsche Gesamtausgabe erschien in 66 Bänden (Freiburg i. Br. 1827–28). Die einzelnen Werke sind oft aufgelegt worden, z. B. »Atala« 1862, mit Zeichnungen von G. Doré; die »Mémoires« 1856 (in 8 Bdn.), 1898–1900 (von Biré, in 6 Bdn.). Vgl. Villemain, C., sa vie, ses écrits (Par. 1858, 2 Bde.); Sainte-Beuve, C. et son groupe littéraire sous l'empire (das. 1860, 2 Bde., 3. Aufl. 1873); de Lescure, C. (das. 1892); Pailhès, C., sa femme et ses amis (Bord. 1896); Maurel, Essai sur C. (Par. 1898); G. Bertrin, La sincérité religieuse de C. (das. 1899); Biré, Les dernières annés de C., 1830–1848 (das. 1902); Lady Blennerhassett, C. (Mainz 1902).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 898-899. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006414745


Damen Conversations Lexikon 1834

[344] Chateaubriand, François August Vicomte de, François August Vicomte de, einer der berühmtesten Männer der Gegenwart, dessen Schriften in alle Sprachen übersetzt worden sind, der treue Anhänger der Bourbonen, der Reisende nach Jerusalem, der Dichter der »Martyrs« und der[344] »Atala,« ist 1769 in der Bretagne geboren, diente vor der Revolution im Heere, emigrirte nach Amerika, schrieb den »Essai sur les Revolutions« und den, »Génie du Christianisme.« Nach Frankreich zurückgekehrt, erschien seine bekannteste Broschüre:, »De Bonaparte et des Bourbons,« er folgte Ludwig XVIII. nach Gent, ward später Staatsminister und Botschafter in Berlin, London und Rom. Während der Zeit schrieb er »Reflexions politiques, la monarchie selon la charte,« und nach Ludwig's XVIII. Tode »Le Roi est mort, vive le roi!« Unter seinen übrigen Schriften, die in 25 Bänden heraus kamen, und wofür er ½ Million Franken bekam, sind noch die Memoiren über den Herzog von Berry zu bemerken, dessen Witwe neuerlich in ihm einen ihrer eifrigsten Anhänger und Vertheidiger fand.

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 344-345. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001720155


Brockhaus 1837

[404] Chateaubriand (François Auguste, Vicomte de), einer der ausgezeichnetsten jetzt lebenden franz, Schriftsteller, zugleich Geschichtsschreiber, Staatsmann und Redner, ein ritterlicher Vertheidiger der Religion und des Königthums, geb. 1769 zu Combourg in der Bretagne, ist der Sohn eines Fischhändlers Lepretre, der nach dem Ankaufe eines der ausgestorbenen Familie von Chateaubriand zuständig gewesenen Gutes den Namen derselben annahm.

C. trat im 17. Jahre [404] in Kriegsdienste, allein die ersten Schreckensscenen der Revolution veranlaßten ihn, 1789 sich nach Nordamerika zu begeben, wo er einige Zeit unter den Wilden lebte, jedoch bald nach Europa zurückkehrte, 1792 unter den Fahnen der Emigranten focht, nach einer bei Thionville erlittenen Verwundung aber nach England flüchtete, wo er seiner bedrängten Lage durch literarische Arbeiten abzuhelfen suchte. Nach dem 18. Brumaire (s.d.) kam C. nach Frankreich zurück und begann seine eigentliche Wirksamkeit als politischer Schriftsteller und Staatsmann, indem er mit mehren ausgezeichneten Gelehrten Herausgeber des »Mercure de France«, 1803 franz. Gesandtschaftssecretair in Rom und Gesandter in Wallis wurde. Nach dem Tode des Herzogs von Enghien entsagte er aber 1804 dem Staatsdienst wieder und unternahm 1806 seine große Pilgerfahrt über Griechenland nach Jerusalem, von wo er über Ägypten und Spanien 1807 zurückkehrte und unter Anderm auch ein Fläschchen Wasser aus dem Jordan mitbrachte, welches er später zur Taufe des Herzogs von Bordeaux der Herzogin von Berri (s.d.) überreichte. Wie seine anfangs ausgesprochenen liberalen politischen Ansichten gab C. bald auch seine wenig rechtgläubigen religiösen auf und schon 1802 erschien in London sein »Geist des Christenthums«, welches Werk viel zur Wiederherstellung der Kirche in Frankreich beitrug und auch den Beifall Napoleon's erhielt. Seine Feder gegen die Bourbons zu gebrauchen, ließ sich C. aber weder durch Versprechungen noch Drohungen bewegen; gleichwol enthalten mehre seiner Schriften Stellen zum Lobe Napoleon's, dessen Größe ihm Bewunderung abnöthigte und die auszusprechen äußere Verhältnisse ihn zwangen. Als er aber 1814 seinen Wunsch, die Bourbons wieder auf dem franz. Throne zu sehen, erfüllt sah, trat er mit seiner berühmten Schrift: »Bonaparte und die Bourbons« auf das Entschiedenste wider den Gestürzten auf, wurde nach dessen zweiter Vertreibung im Aug. 1815 Minister, Pair von Frankreich und 1816 Mitglied der Akademie, aber die in seiner bald darauf erschienenen Schrift: »Die Monarchie nach der Charte«, ausgesprochenen Ansichten hatten seine Entlassung aus dem Ministerium zur Folge und machten ihn zum eifrigen Gegner des Herzogs Decazes (s.d.). Von 1820–24 war C. nacheinander franz. Gesandter in Berlin, Staatsminister und Geheimrath, Gesandter in London, wohnte 1822 dem Congreß zu Verona bei, war dann Minister der auswärtigen Angelegenheiten und erhielt endlich seine Entlassung, weil er mit dem Minister Villèle wegen Herabsetzung der franz. Renten nicht übereinstimmte. Nach dem Regierungsantritt Karl X. schrieb er heftig gegen das Ministerium, vertheidigte die von demselben bekämpfte Preßfreiheit und die Sache der Griechen schriftlich und in kräftigen Reden in der Pairskammer. Nachdem er 1829 die das Jahr vorher angenommene Botschafterstelle in Rom wieder niedergelegt, trat er ins Privatleben zurück und beschäftigte sich mit Herausgabe seiner Werke. Die Julirevolution rief ihn jedoch wieder auf die politische Bühne und mit Wärme nahm er sich des Herzogs von Bordeaux gegen Ludwig Philipp an, dem er auch den Eid der Treue verweigerte und darum aus der Pairskammer trat, wodurch er ein jährliches Einkommen von 12,000 Fr. einbüßte. C. verließ hierauf freiwillig Frankreich, wohin er aber bald zurückkehrte, seine Talente fortwährend der vertriebenen Dynastie widmete, gegenwärtig aber, scheinbar mit dem Hofe Ludwig Philipp's ausgesöhnt, in Paris lebt, wo er seine Memoiren beendigt hat, die aber erst nach seinem Tode vollständig erscheinen sollen.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837, S. 404-405. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000818143


Herders 1854

[69] Chateaubriand (frz. Schatobriang), François Auguste, Vicomte de, geb. 4. Sept. 1769 zu St. Malo, franz. Schriftsteller und Staatsmann. In ersterer Beziehung ist sein Ruhm als Dichter unbestritten; sein Styl ist glänzend und frei, seine Empfindung tief und wahr, und er hat dadurch der neueren Richtung der franz. Literatur Bahn gebrochen. Weniger befriedigt er als historisch-politischer Schriftsteller; seine derartigen Schriften sind zu sehr mit den eigenen persönlichen Rücksichten und Eindrücken gesättigt, werden vielfach schwülstig, wo man Klarheit der Beweisführung od. Entwicklung erwartet und leiden überhaupt an einem gewissen gespreizten Wesen. Als Staatsmann war er Royalist; er kehrte von seiner Reise in Amerika zurück, als die Revolution immer bedrohlicher für den König wurde, emigrirte und focht unter Condé gegen die Republikaner, kehrte aber nach dem 18. Brumaire zurück und gewann durch seine Schriften die Gunst Bonapartes. Er wurde von ihm zu einigen untergeordneten diplomatischen Sendungen gebraucht, trat aber nach der Hinrichtung des Herzogs von Enghien aus dem Dienste. 1814 schrieb er zu Gunsten der Bourbonen, wurde in Gent Minister Ludwigs XVIII., erhielt aber 1816 seine Entlassung wegen einer Schrift für die Monarchie nach der Charte. Nun zeigte er sich wieder ganz royalistisch, wurde 1820 Gesandter in Berlin, 1821 auf kurze Zeit Minister, 1822 Gesandter in London, dann Bevollmächtigter in Verona, wo er die franz. Intervention in Spanien bewirkte, durch die er 2 Dinge zu erreichen gedachte: eine einflußreiche Stellung für Frankreich gegenüber den Großmächten und militärischen Ruhm für die Bourbons. 1823 wurde er Minister des Auswärtigen, den 6. Juni 1824 aber wieder entlassen und blieb nun bis 1830 ein Feind Villeles und der Jesuiten; nach Villeles Sturz 1828 ging er als Gesandter nach Rom, jedoch nur auf kurze Zeit. Nach der Julirevolution verweigerte er als Pair der Regierung den Eid, lebte aber unangefochten in Frankreich, begab sich jedoch zeitenweise nach England, Deutschland und der Schweiz. Während dieser Zeit bis zu seinem Tode 4. Juli 1848 war er so ziemlich verschollen und verfiel in den [69] wiewohl nationalen Fehler seiner Landsleute von sich selbst zu sprechen, wenn die Welt nicht von ihm sprechen wollte. Vollständige Ausgaben seiner Werke veranstaltete er 1826 und 1836; sein Congrès de Verone erschien 1838; la vie de Rancé 1844, seine Memoiren (Mémoires dʼoutre tombe 1849–50 erschienen) entsprachen nicht annähernd den Erwartungen, die ihre Ankündigung von C. erregt hatten. Seine besten Werke: »Atala, Génie du Christianisme, les Martyrs, Itineraire de Paris à Jerusalem et de Jerusalem à Paris« sind vielfach herausgegeben u. auch ins Deutsche übersetzt worden.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 69-70. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003267857


Pierer 1857

[881] Chateaubriand (spr. Schatohbriang), François Auguste, Vicomte de Ch., geb. 4. Septbr. 1769 auf seinem väterlichen Schlosse Combourg in der Bretagne, wurde 1786 Soldat u. schon 1787 Hauptmann, bereiste 1790 Nordamerika u. drang bis zum. Stillen Meere vor, kehrte 1792 nach Europa zurück, focht in Condés Heere, lebte dann dürftig in England von Übersetzen u. Unterrichtgeben u. begann zugleich seine schriftstellerische Laufbahn mit einer Schrift über die alten u. modernen Revolutionen, welche indeß unbeachtet blieb. Bei einer Reise durch Deutschland 1790 wurde er von den Österreichern verhaftet, jedoch bald wieder freigelassen. Nach dem 18. Brumaire kehrte er nach Frankreich zurück, wo er Mitredacteur des Mercure de France wurde. Er wandte sich dann zur diplomatischen Carrière u. wurde 1802 Gesandtschaftssecretär in Rom; 1804 ernannte ihn Napoleon zum Gesandten bei der Republik Wallis. Nach der Hinrichtung des Herzogs von Enghien konnte er sich nicht dazu verstehen, länger im Napoleonischen Staatsdienste zu bleiben, nahm seine Entlassung u. bereiste 1806–7 Palästina, Nordafrika u. Spanien. Nach seiner Rückkehr lebte er auf seinem Landgute bei Aulney u. schrieb dort ein Buch über seine. Reise, welches seinen literarischen Ruhm begründete. Bei Napoleons Sturz 1814 zeigte er in einer Flugschrift: De Buonaparte et des Bourbons, Par; 1814 (fast in alle europäische Sprachen übersetzt), die Nothwendigkeit, die Bourbons zurückzuberufen; ging 1815 mit Ludwig XVIII. nach Gent u. wurde vom Könige zum Minister u. im August 1815 zum Pair ernannt. Er nahm nun entschieden die Partei der Royalisten, entzweite sich indeß als Anhänger der constitutionellen Monarchie mit Decazes wegen der Auflösung der Chambre introuvable u. erhielt 1816 in Folge seiner Schrift: De la monarchie selon la charte, Par. 1816, seine Entlassung. Als Decazes fiel, wurde Ch. 1820 Gesandter in Berlin, im April 1821 wieder Minister, nahm jedoch im August seine Entlassung. 1822 kurze Zeit Gesandter in London, begab er sich in gleicher Eigenschaft zum Congreß von Verona, wurde 1823 Minister des Auswärtigen u. wirkte als solcher für die energische Führung des spanischen Restaurationskrieges. – Mit Villèle entzweit, wurde er im Juni 1824 entlassen. Durch seine Reden in der Pairskammer u. durch seine Artikel im Journal des débats trug er wesentlich zum Sturze Villèles bei u. gab dem parlamentarischen Leben Frankreichs als. Führer der Chartisten einen großartigen Aufschwung. Vornehmlich[881] ging er darauf aus, die Abschaffung der Censur u. die Befreiung Griechenlands herbeizuführen. Obwohl er Karl X. bei dessen Regierungsantritte durch seine Schrift: Le roi est mort, vive le roi, einen nicht geringen Dienst leistete, so war er dem Könige als Minister seines Liberalismus wegen nicht genehm, erhielt aber den wichtigen Gesandtschaftsposten in Rom, welchen er 1829 unter Polignac's Ministerium, als dieses die Charte bedrohte, aufgab. Nach der Julirevolution 1830 nahm er sich der gefallenen Königsfamilie lebhaft an; deshalb vor Gericht gezogen, wurde er von den Geschworenen freigesprochen u. wanderte nach der Schweiz aus. Hier lebte er den Studien, als ihn die Gefangennahme der Herzogin von Berry abermals nach Paris zurückrief, wo er seinen ganzen Einfluß zu Gunsten der Gefangenen aufbot. Im Jahre 1833 u. 1834 begab er sich zu Karl X. nach Prag. Unerschütterlich in seinen politischen Überzeugungen denen er bereitwillig jede Aussicht auf eine glänzende Stellung im Leben opferte, von der strengsten Loyalität beseelt, hielt er treu zur legitimistischen Partei, der er eine gewichtige Stütze war u. als deren Haupt er mit Recht anerkannt wurde. Mit literarischen Arbeiten beschäftigt, lebte er zurückgezogen größtentheils in der Schweiz u. st. am 4. Juli 1848. Als Dichter ist er vorzüglich durch: Atala, Par. 1801 (deutsch von Kramer, Lpz. 1805); René, Par. 1802 (deutsch Lpz. 1802); Les Martyrs, Par. 1809, 2 Bde. (deutsch von Th. von Haupt, Darmst. 1809 f., u. von Haßler, 2. A. Freib. 1816, 3 Bde.); u. Genie du christianisme, Lond. 1802 (deutsch von Schneller, Freib. 1856, u. von Venturini, welches dem Romanticismus der Französischen Literatur die Bahn brach) bekannt. Als politischer Schriftsteller zeichnete er sich außer den genannten Schriften aus durch: Essai sur les révolutions anciennes et modernes, Lond. 1797, n. A. 1815 (dessen Grundsätze er später perhorrescirte); Réflexions sur quelques brochures du jour. Par. 1814; Remarquessur les affaires du moment, ebd. 1818; Mém. touchants la vie et la mort du Duc de Berry, ebd. 1820; Le roi est mort, vive le roi, ebd. 1824; De l'abolition de la censure, ebd. 1824; De la restauration et de la monarchie elective, 1831; Essai sur la lit. anglaise, 1836, 2 Bde.; Congres de Vérone, 1838, 2 Bde.; La vie de Rancé, 1844, etc.; Itinéraire de Paris à Jerusalem et de Jerus. à Paris, 1811, 3 Bde. (deutsch von Meth. Müller u. G. Lindau, Lpz. 1811), u. Souvenirs d'Italie, d'Angleterre et d'Amérique, Lond. 1815, 2 Bde. (deutsch, n. Ausg. von Lindau, Dresd. 1816); er übersetzte auch Milton (1837). Seine sämmtlichen Werke erschienen Par. 1826_–31, 52 Bde., 1829–31, 30 Bde. (deutsch von L. von Kronfels, Schnetzler u. And., Freib. 1827–32,53 Bdchn.). Er erhielt für dieselben ein Honorar von 1/2 Mill. Fr. Seine Mĕmoires d'outre-tombe, Par. 1849–50, 12 Bde. (deutsch von L. Meyer, Lpz. 1852, 4 Bde.); Lebensbeschreibung von Marin, Par. 1832, 2 Bde.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 881-882. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009668624


Brockhaus 1911

[328] Châteaubriand (spr. schatobrĭáng), Franç. René, Vicomte de, franz. Schriftsteller und Staatsmann, geb. 4. Sept. 1768 zu St.-Malo, focht 1792 unter den Emigrierten, kehrte 1799 nach Frankreich zurück, wo er durch die Erzählungen »Atala« (1801), »René« (1802) und die das Christentum verherrlichende Schrift »Génie du christianisme« (5 Bde., 1802 u.ö.; deutsch 1856-57) berühmt wurde. Unter Napoleon I. Gesandter in Rom 1803-4, erklärte er sich 1814 für die Bourbons (»De Bonaparte et des Bourbons«), ward Staatsminister, Gesandter und Pair, 1822 Minister des Auswärtigen; 1824 entlassen, trat er zur liberalen Opposition, erklärte sich aber nach der Julirevolution für die Sache der Bourbons; gest. 4. Juli 1848. »Mémoires d'outre-tombe« (12 Bde., 1849-50). – Vgl. Sainte-Beuve (3. Aufl. 1873), Lescure (1892), Pailhès (1896), Blennerhassett (1903).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 328. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001007939