Cantemir, Dimitrie

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Dimitrie Cantemir (russisch: Дмитрий Кантемир, türkisch: Kantemiroğlu, griechisch: Δημήτριος Καντεμίρης; * 26. Oktober 1673 in Silișteni, Fürstentum Moldau; † 21. August 1723 in Dmitrowka bei Charkow, Gouvernement Kiew, Russisches Reich) war ein moldauischer Universalwissenschaftler, Historiker, Musiktheoretiker, Komponist, Geograph und Enzyklopädist.


Meyers 1907

[577] Kantemír, moldauisches Fürstengeschlecht, angeblich von Timur abstammend. Seine namhaftesten Sprößlinge sind:

1) Demetrius (Dimitrie), geb. 26. Okt. 1673, gest. 23. Aug. 1723, Sohn des Moldauer Woiwoden Konstantin K., kam 1687 als Geisel nach Konstantinopel, war 1709 Hospodar der Moldau und stand in solcher Gunst bei der Pforte, daß sie ihm seit 1710 allen Tribut erließ und ihm auch die Hospodarschaft der Walachei versprach. Da sie indessen ihr Wort nicht hielt, knüpfte K. Unterhandlungen mit Peter d. Gr. an und erhielt den Besitz der Moldau als souveränen und erblichen Fürstentums zugesichert. Der für Rußland unglückliche Ausgang des Krieges zwang ihn indes, 1711 dem Zaren nach Petersburg zu folgen. Er ward daselbst in den Fürstenstand erhoben, erhielt beträchtliche Güter in der Ukraine mit dem Souveränitätsrecht für seine Person und beförderte, ein Kenner des Lateinischen, Griechischen, Russischen, Französischen und Türkischen, die Gründung der Akademie in Petersburg. K. war einer der vorzüglichsten Mittler zwischen morgen- und abendländischer Literatur. Er schrieb außer einem philosophischen »Diwan« und einer satirischen »Istoria ieroglifica« ein Werkchen über orientalische Musik, das älteste seiner Art, dann die klassische »Descriptio Moldaviae« (Leipz. 1771 erschienen), ein unvollendetes »Hronicul Romîno-Moldovlahilor« und »Historia de ortu et defectione imperii turcici«, 1300–1711 (deutsch von Schmidt, Hamb. 1745, 2 Bde.; auch ins Französische, Englische und Rumänische übersetzt).

2) Antioch Dmitrijewitsch, russ. Schriftsteller, Sohn des vorigen, geb. 21. (10.) Sept. 1709 in Konstantinopel, gest. 11. April (31. März) 1744, erhielt seine Erziehung in Rußland, wo Peter d. Gr. sich sehr für ihn interessierte und ihn später bis zu seinem Tod auf allen Reisen und Feldzügen mit sich nahm. K. begann seine Laufbahn im Preobrashenskischen Garderegiment und vollendete sie als Gesandter in London (1732–38) und dann in Paris. Er war ein vielseitiger Geist und einer der ersten und bedeutendsten Satiriker Rußlands, der vom europäisch aufgeklärten Standpunkt aus die Roheit der russischen Gesellschaft geißelte. Seine Vorbilder waren Horaz, Juvenal und Boileau; mit ihm beginnt eigentlich die pseudoklassische Dichtung in Rußland. Ein Jahr vor seinem Tode gab K. selbst alle seine Satiren (deutsch von v. Spilcker, Berl. 1752) sowie Übersetzungen griechischer und lateinischer Dichtungen heraus. Die beste neuere Ausgabe seiner Werke veranstaltete Jefremow (mit Biographie von W. Stojunin, Petersb. 1867, 2 Bde.), seine »Berichte (Reljacii) aus London« veröffentlicht W. Alexandrow (Mosk. 1892, Bd. 1). Sein Leben beschrieb Sementowsky (russ., Petersb. 1893).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 577. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006866077


Herders 1855

[539] Kantemir, Demetrius, Hospodar der Walachei, bewog Peter d. Gr. 1711 [539] zum Kriege gegen die Türkei und flüchtete nach dessen unglücklichem Ausgange nach Rußland, wo er als Fürst lebte u. 1723 auf seinen Gütern in der Ukraine starb; schrieb in lat. Sprache eine Geschichte des Aufganges und Abnehmens des türk. Reichs von 1300–1711. Sein Sohn Demetrius. geb. 1709. gest. 1744, war russ. Gesandter in London, geschätzter Satirendichter, übersetzte auch griech. Classiker in das Russische.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 539-540. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003394794


Pierer

[285] Kantĕmir, moldauisches Fürstengeschlecht:

1) Constantin, diente früh unter den polnischen Truppen u. hierauf in der Walachei; Demetrius Kantakuzeno, eifersüchtig auf seine Verdienste, verläumdete ihn bei dem Seraskier Soliman Pascha, aber K. rechtfertigte sich u. wurde 1685 an Kantakuzenos Stelle Hospodar der Moldau; er st. 1693; s. Moldau (Gesch.).

2) Antiochus, 1695 Hospodar der Moldau, nachdem sein Bruder Demetrius den Constantin Ducas verdrängt hatte.

3) Demetrius, Bruder des Vor., geb. 1673, wurde 1709 Hospodar der Moldau, insgeheim auch mit der Walachei belehnt, machte gemeinschaftliche Sache mit Rußland u. ging, als der Krieg für Rußland weniger günstig ausfiel, 1711 nach Petersburg, wurde russischer Fürst u. Geh. Rath, beförderte die Gründung der Akademie in St. Petersburg u. st. 1723 in der Ukraine auf seinen Gütern, wo er für seine Person Souveränitätsrechte hatte; er schr.: Hist. de ortu et defectione imperii turcici, von 1300–1711 (deutsch von Schmidt, Hamb 1745, 2 Bde.).

4) Antiochus od. Constantin Demetrius, Sohn des Vor., geb. 1708 in Constantinopel, trat 1725 in die russische Cavaliergarde, wurde ein Hauptwerkzeug des Sturzes der Dolgorukis u. 1731 russischer Resident u. 1732 Gesandter in London, 1738 Gesandter in Paris, wo er 1744 als kaiserlich russischer Kammerherr, Geh. Rath u. Minister starb. Er schr. in den Jahren 1730–40 Satyren, russisch Petersb. 1762 (französisch Lond. 1750), u. übersetzte Briefe des Horaz (Petersb. 1744 u. 1788); Fontenelle's Unterhaltungen über die Mehrheit der Welten (Mosk. 1730, Petersb. 1761).

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 285. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010211322