Cantar de Mío Cid

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spanisches Heldenepos, älteste der Dichtungen über den Nationalhelden Spaniens mit dem arabischen Namen "El Cid" (Sid, Herr). Entstehungszeit ist umstritten: Mitte 12. oder Anfang 13. Jahrhundert.


Meyers 1906

[148] Cid Campeadōr, der in Geschichten, Sagen und Liedern gefeierte Nationalheld der Spanier, dessen eigentlicher Name Ruy (Rodrigo) Diaz de Vivar ist. Die Geschichte seines Lebens erscheint so reich mit mythischem Schmuck umgeben, daß manche geneigt waren, ihm die historische Existenz ganz abzusprechen. Erst den gründlichen Untersuchungen der Neuzeit (namentlich Dozys, s. unten) ist es gelungen, die wirklich historischen Daten festzustellen und eine vollständige Biographie des Helden zu geben, deren wesentlichster Inhalt sich auf folgendes beschränkt: Der C. stammte von Lain Calvo ab und war als Sohn eines kastilischen Granden gegen die Mitte des 11. Jahrh. geboren. Seine ersten Heldentaten verrichtete er in einem Krieg, den Sancho II., Sohn Ferdinands d. Gr., gegen seinen Vetter Sancho von Navarra führte. Der C. stand auf kastilischer Seite und riet im Erbfolgekampf dem König, seinen Bruder Alfons zu überfallen, wodurch dieser gezwungen ward, zum König Ali Maimon nach Toledo zu flüchten. Schon damals sollen ihm seine Landsleute den Ehrennamen Campeador (»Kämpfer«) gegeben haben, während der Name Cid oder Mio Cid, »mein Herr« (arab. Seid, »Herr«) von den Mauren herrührt. Nach Besiegung seiner Brüder zog Sancho II. gegen Zamora, das Erbteil seiner Schwester Urraca, fand aber vor die sei Stadt durch Meuchelmord den Tod. Alfons wurde nun Herr von Kastilien, mußte aber auf Verlangen des C. vorher schwören, daß er keinen Anteil an dem Morde des Bruders gehabt habe. Infolgedessen nährte Alfons Haß gegen den C., obschon er ihn vorerst verbarg. Ja, C. vermählte sich mit Jimena, einer Nichte des Königs, und begleitete diesen auf einer Wallfahrt nach Santiago de Compostella. 1087 wurde er aber auf Anstiften des Garcia Ordoñez vom König verbannt, begab sich nach Saragossa zu einem maurischen Fürsten aus dem Stamm der Beni Hud, dem er im Kampf gegen seinen Bruder und dessen spanische Bundesgenossen beistand, und verrichtete hier Heldentaten, die seine Zurückberufung durch Alfons zur Folge haben. Voll Mißtrauen gegen diesen wendete er sich jedoch bald wieder nach Saragossa, kehrte abermals zu Alfons zurück und stand so, wie es sein Vorteil oder die Lage verlangte, abwechselnd auf beiden Seiten, verband äußersten Heroismus mit großer Schlauheit und diente lediglich dem eignen Interesse. Er wurde der Schrecken der Mauren und eroberte 1094 für sich Valencia, wobei er die bei der Übergabe eingegangenen Bedingungen treulos brach und trotz versprochener Schonung mit barbarischer Grausamkeit verfuhr. Nachdem er sich unter steten Kämpfen gegen das Heer der Mauren 5 Jahre lang in der Stadt behauptet hatte, starb er 1099. Jimena verteidigte die Stadt noch 7 Monate lang, aber trotz Alfons' Hilfe zogen die Mauren wieder ein. Jimena brachte den Leichnam des Helden nach dem Kloster San Pedro de Cardeña unfern Burgos, von wo die Gebeine später nach Burgos übergeführt und nebst denen seiner Gemahlin im Rathaus beigesetzt wurden. Von hier 1808 von den Franzosen fortgeschleppt, kamen sie in den Besitz des Fürsten Karl Anton von [148] Hohenzollern, wurden von diesem aber 1883 dem König Alfons von Spanien zurückgegeben, der sie von neuem in Burgos beisetzen ließ. An der Stelle seines Wohnhauses zu Vivar (bei Burgos) wurde dem Helden ein Denkmal errichtet. Von den beiden Töchtern des C., Cristina und Maria, vermählte sich die eine mit dem Infanten von Navarra, wodurch das Blut des Recken in das Königshaus von Kastilien kam, die zweite mit Berengar von Barcelona. C. erscheint somit nicht als ein nach heutigen Begriffen reiner, edelgesinnter Charakter; allein zu seiner Zeit sah man in einer kriegerischen Erscheinung von höchster Energie, Tapferkeit und Klugheit, wie er sie darstellte, das Muster eines Helden, und so wurde er der ideale Grundtypus eines Nationalheros, den der Mund des Volkes und die Dichtung in der Folgezeit immer mehr verklärten. Daß er seinem Lehnsherrn untreu wurde, daß er den Mauren diente, tat ihm in der Beurteilung seines Volkes keinen Abbruch; es verehrte in ihm den ritterlichen spanischen Häuptling und liebte den ungerecht Verfolgten.

Das älteste der vorhandenen Gedichte, die den Helden feiern, ist das »Poëma del Cid« (oder »de mio Cid«), das noch aus dem 12. Jahrh. stammt und offenbar aus Volksliedern hervorgegangen ist. Die Bemerkung: »Per Abbat le escriuioen el mes de Mayoen era de mille CCCXLV annos«, nach unsrer Zeitrechnung also 1307, bezieht sich auf den Schreiber der einzig erhaltenen Auszeichnung. Diese wurde lange zu Vivar im Haus des C. aufbewahrt und 1779 von Sanchez in seiner »Coleccion de poesías castellanas anteriores al siglo XV« (Madr., 4 Bde.; neue Ausg. von E. Ochoa, Par. 1842) gedruckt; dann von Janer in Ribadeneyras Sammlung »Poetas castellanos anteriores al siglo XV« (Madr. 1864), später von Vollmöller (Halle 1879ff., mit Glossar) und Huntington (1898), neuerdings paläographisch von R. Menendez Pidal (Madr. 1900), nach der Madrider Handschrift von O. L. B. Wolff (Jena 1850) ins Deutsche, von Damas-Hinard ins Französische (Par. 1858), von Ormsby ins Englische (Lond. 1879) übersetzt. Die Anfangsblätter des Gedichts fehlen sowie hin und wieder einzelne Verse. Das angewendete Versmaß ist eine ungefüge Langzeile, deren zwischen 12 und 18 Silben schwankender Bau sowohl Vertrautheit mit dem Romanzenvers als auch Bekanntschaft mit dem zünftigen Alexandriner zeigt. Aus Tradition, Volksdichtungen und Prosaberichten schöpfend, erzählt der Autor in schlichter, doch markiger Darstellung im ersten Cantar die historischen Taten des C. während der Verbannung; im zweiten die Eroberung von Valencia, Versöhnung mit König Alfons, sagenhafte Vermählung der Töchter Iimenens mit den Infanten von Carrion; im dritten ihr Mißgeschick, den Schmerz des Vaters, seine Rache und zum Schluß die ruhmreiche Doppelhochzeit mit den Königssöhnen. Geschildert wird der C. als Krieger, Gatte, Vater und Freund; doch hat der Dichter die historische Gestalt veredelt, indem er das Rühmliche hervorhebt und alles Unrühmliche verschweigt, ohne daß die historische Wahrheit gänzlich verloren wäre. Als hauptsächlichste Eigenschaft wird seine unbedingte Lehnstreue hervorgehoben. Refrainmäßig kehrt der Ausruf wieder: »Gott, welch guter Lehnsmann, hätte er einen guten Herrn!« Dabei nimmt sich der C. dem Könige gegenüber des Volkes an und verteidigt dessen Rechte gegen die Granden. Verschieden von diesem »Poëma« ist die »Crônica rimada del Cid«, die, ein halbes Jahrhundert später entstanden, zuerst von Fr. Michel im 116. Bande der »Wiener Jahrbücher« (später im »Romancero« von Duran) herausgegeben wurde und nicht nur in Einzelheiten von der Erzählung des »Poëma« abweicht, sondern auch den Charakter des Helden in anderm Licht erscheinen läßt. Hier ist der C., der als jugendlicher Kraftbursche dargestellt wird (im Zweikampf mit Graf Gormaz), der Repräsentant der Gesamtheit der Granden, die gegen die Idee einer absoluten Monarchie kämpfen. Mehrere Jahrhunderte hindurch wechselten die beiden Cid-Auffassungen, bis Kastilien ganz dem Monarchismus huldigen mußte; damit wurde der Cid-Typus des »Poëma« feststehend. So in der »Crónica general de España« aus dem Ende des 13. und in der »Crónica del Cid« aus dem 14. Jahrh. Die Lieder selbst, aus denen der alte Kunstdichter schon so früh ein Ganzes schuf, haben sich bis auf den heutigen Tag in sich immer verjüngenden Formen, den berühmten Cid- Romanzen, erhalten, deren älteste auf uns gekommene Gestalt zwar kaum über den Anfang des 16. Jahrh. zurückreicht, deren Grundlagen und Urformen aber älter als das »Poëma« sein müssen. Sie gehören teils der Volks-, teils der Kunstpoesie an, und man darf daher in ihnen nicht die strenge Charaktereinheit des Helden suchen, weil sie sich in die beiden Haupttypen, die von ihm entstanden waren, teilen und in ihrer Gesamtheit sein Bild durch viele individuelle Züge vervollständigen. Da diese Gedichte alle im C. ein ritterliches Ideal aufzustellen suchen, zu der Ritterlichkeit des romantischen Zeitalters aber auch die Liebe gehörte, so erleidet auch die Darstellung der Jimena Veränderungen. Einzelne Romanzen vom C. erschienen zuerst gedruckt in »Pliegos sueltos« und den allgemeinen Romanzensammlungen; so die ältesten und echtesten in der »Silva de varios romances« (1550), im »Cancionero de romances« (1550), im »Romancero de Sepulveda« (1566), andre im »Romancero general« (1604) etc., dann in besondern Sammlungen, wie in der von Escobar (Lissab. 1605, Alcalá 1612; neueste Auflagen von Reguero, Madr. 1818 u. Frankf. 1828) und in der von Metge (Barcelona 1626). Zu einem Ganzen geeint in Durans »Romancero de romances caballerescos é historicos« (Madr. 1832) und in dessen »Romancero general« (das. 1849–51, 2 Bde.); in besonderm Abdruck als »Romancero del Cid«, herausgegeben von Keller (Stuttg. 1840), am vollständigsten von Karoline Michaelis (Leipz. 1872); neuerdings mehrmals in Madrid (1876 u. 1878), in gediegener Auswahl von Milá y Fontanals (1884).

Die erste und bekannteste deutsche Bearbeitung der Romanzen ist die von Herder (1806; neue Ausg. von Julian Schmidt, mit Erläuterungen von Karoline Michaelis, Leipz. 1868), womit den Deutschen zuerst ein voller Blick in die Welt spanischer Dichtung eröffnet wurde. Indessen gibt diese Übertragung kein treues Abbild des Originals; der Herdersche C. ist ein in deutsch-humanistischer Gesinnungsweise aufgefaßter Held und zum größern Teil Übersetzung einer französischen Prosabearbeitung der Cid-Romanzen, die sich mit willkürlichen Änderungen und Hinzufügungen in der »Bibliothèque universelle des romans« von 1783 findet (vgl. Köhler, Herders Cid und seine französische Quelle, Leipz. 1867, und Vögelin, Herders Cid. Die französischen und spanischen Quellen zusammengestellt, Heilbronn 1879). Wirkliche Übersetzungen der echten Cid-Romanzen, nach Durans und Kellers Sammlungen, sind die von Duttenhofer, Leipz. (1841 u. 1886), Regis (Stuttg. 1842; neue[149] Ausg., das. 1893) und Eitner (Hildburgh. 1871 u. ö.). Französische Bearbeitungen erschienen von Creuze de Lessert (2. Aufl. 1821), Renard (Burgos 1830, 2 Bde.) und Renal (1843, 2 Bde.); engl. von G. Lewes (»Ballads«, 1883) und Young Gibson (1887); eine italienische von Pietro Monti (Mail. 1838). Nach den Romanzen dichtete Diego Jimenes de Ayllon eine schulgerechte Epopöe in 32 Gesängen (zuerst Antwerp. 1568); Guillen de Castro (gest. 1631) behandelte die Jugendtaten und die Liebesgeschichte des C. dramatisch, und sein Stück »Las mocedades del Cid« ist die Quelle von Corneilles berühmtem Drama »Cid« (s. Castro 3).

Historische Berichte über den C. finden sich in größerm Umfang seit dem 13. Jahrh. bei christlichen und mohammedanischen Geschichtschreibern. So besitzen wir eine wahrscheinlich aus dem Anfang des Jahrhunderts stammende »Genealogia del Cid Ruy Diaz« und die von Risco im Kloster Santo Isidoro zu Leon entdeckte, im Anhang seines Werkes »La Castilla y el mas famoso Castellano« (Madr. 1792) abgedruckte lateinische Spezialchronik »Gesta Roderici Campidocti«, die z. T. Sagenhaftes enthält. Noch mehr entstellt sind die den C. betreffenden Teile der auf Befehl Alfons' des Weisen verfaßten »Crónica general« und die von den Mönchen von Cardeña herausgegebene »Crónica particular del Cid« (Burgos 1512 u. ö.; am besten von Huber, Marb. 1844). Früher noch erschien ein Auszug aus dem den C. betreffenden Teil der »Crónica general« u. d. T.: »Crónica del Cid Ruy Diaz« (Sevilla 1498 u. ö.) und wurde Volksbuch. Von den neuern Historikern lieferten Monographien von des C. Leben und Taten: der Portugiese Jos. Pereyra Bayam (Lissab. 1731 u. 1751); die Spanier Risco (1792), Quintana (Madr. 1807), Malo de Molina (das. 1857); der Engländer Southey (Lond. 1808, hrsg. von Morley 1883); sowie Johannes v. Müller (1806, im 8. Band seiner Werke), die aber alle von der »Kritischen Geschichte des C.« von V. A. Huber (Brem. 1829) übertroffen wurden. Die neuesten und gründlichsten Forschungen über den historischen C. verdankt man Dozy in seinen »Recherches sur l'histoire politique et littéraire de l'Espagne pendant le moyen-âge« (Leiden 1849; 3. veränderte Aufl., das. 1881), neben dem noch Willemaers, »Le Cid. Son histoire, ses légendes, ses poétes« (Brüssel 1873) zu erwähnen ist.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 148-150. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006428290


Brockhaus 1911

[347] Cid (aus dem arab. sîd, Herr), mit dem Beinamen Campeadór (Kämpfer), Nationalheld Spaniens, eigentlich Ruy (Rodrigo) Diaz von Bibar, stammte aus einer kastil. Adelsfamilie, unter Sancho II. von Kastilien Feldherr, siegte über dessen Bruder Alfons VI., diente dann auch diesem, als er 1072 Sanchos Nachfolger wurde, und heiratete die Base des Königs, Jimena. Von Alfons 1081 verbannt, ging C. nach Saragossa zu den Mauren, machte sich dann 1094 durch Eroberung Valencias selbständig; gest. 1099. Durch seine Töchter Christina und Elvira ward er der Ahnherr der span. Königsgeschlechter. Seine Taten leben noch in den Volksliedern fort: das älteste auf uns gekommene Gedicht ist das »Poema del C.« um die Mitte des 12. Jahrh. (hg. von Vollmöller, 1879; deutsch 1850); die jetzigen Romanzen (Cidromanzen), die Fortbildungen der alten Lieder, gehören meist dem 16. Jahrh. an (am vollständigsten von Karoline Michaelis, 1871). Deutsche Bearbeitung zuerst in Herders »Cid« (1806), dann von Regis (1842), Eitner (1871); dramatisch behandelt von Corneille u.a. – Vgl. Dozy (1881).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 347. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001015214

Pierer

[140] Cid (spr. Sid, v. arab., d. i. Herr), eigentlich Don Rodrigo od. Ruy Diaz, Graf von Bivar, mit dem Beinamen der Cid (Herr) u. Campeador, d. i. Vorkämpfer (lat. Rodericus campiductus), ist der in Liedern u. Sagen hochgefeierte Nationalheld Spaniens; das Leben u. der Charakter des C. erscheint in den, verschiedenen Zeiten angehörigen Romanzen u. Erzählungen der Spanier nicht immer in derselben Weise, u. das Volkslied hat den Helden mit manchen ihm fremden Zügen ausgestattet, auch seine Thaten u. Erlebnisse romanhaft ausgeschmückt. Nach den ältesten, im 16. Jahrh. aufgezeichneten Romanzen, deren Inhalt am meisten Verwandtschaft mit den ursprünglichen verlorengegangenen Volksliedern haben muß, ist der C. der Sohn eines Müllers od. ein Bastard, von Diego Lainez mit einem Bauernmädchen gezeugt, trotzig u. kühn selbst dem Könige gegenüber, dem er als Vasall zu dienen sich weigert. Spätere Romanzen, welche den Nachrichten der Chronisten sich anschließen, machen den C. zu einem treuen Vasallen u. Diener des Königs, dessen Befehlen er ohne Anstand Folge leistete; noch unterthäniger erscheint er in den jüngsten Romanzen, welche von seiner rauhen Kriegernatur nichts wissen, sondern ihn als schmiegsamen Hofcavalier, welchem die Gunst seines Königs das Höchste ist, darstellen. Mönchische Einflüsse umkleiden den Helden in dieser späteren Zeit mit einem Heiligenschein u. verflechten in die Erzählung seiner Thaten legendenartige Züge. Am bekanntesten ist die Darstellung seines Lebens, welcher Her der bei seiner deutschen Bearbeitung der spanischen Romanzen folgte; darnach ist der C., Sohn des Diego (geb. 1026); Graf Gormaz, eifersüchtig auf den Ruhm des Vaters des C-s, besiegte diesen im Zweikampf u. höhnte ihn; der C. rächte seinen Vater u. erschlug Gormaz. Ximene, des Gormaz Tochter, klagte, obschon mit dem C. in Liebesverständniß, ihn beim Könige Ferdinand I. an, u. dieser verbannte ihn. Als aber 5 maurische Könige in Castilien einfielen, zog der C. auf seinem Roß Babieca mit seinen Vasallen aus, schlug sie u. schickte die 5 gefangenen Fürsten an Ferdinands Hof. Dieser rief ihn zurück u. verband den C. mit Ximene. Tapfer focht der C. nun für Ferdinand, u. ihm verdankte derselbe die Vereinigung von Gallicien, Leon u. Oviedo mit Castilien. Ferdinands letzter Wille theilte das Reich unter seine 3 Söhne; der C. blieb auf der Seite Sanchos, Königs von Castilien, u. befehligte seit 1067 dessen Heer bei dem bald ausbrechenden Bruderkriege, u. als Sancho 1072 durch Meuchelmord gefallen war, bestieg König Alfons von Leon den castilischen Thron, nachdem ihn der C. in Burgos hatte schwören lassen, daß er an dem Morde seines Bruders unschuldig sei. Aber der König grollte dem C., weil er den Reinigungseid von ihm gefordert hatte, u. obgleich ihm der C. treue u. wichtige Dienste leistete, verbannte er ihn doch, den Verleumdungen der Neider desselben Gehör gebend, aus seinen Staaten. Mit 300 Mann wandte sich der Verbannte nach Saragossa, lebte dort 9 Jahre, die maurischen Könige des Stammes Beni-Hâd gegen ihre Feinde, Mauren sowohl wie Christen, unterstützend (die Mauren gaben ihm den Beinamen Sid, d. i. Herr u. Eltâghijat, d. i. Herrscher), bis der König, 1087 bei Badajoz von den Mauren geschlagen, ihn zurückrief. Von Neuem siegte er für Alfons, doch wieder verleumdet, wurde er zum zweiten Mal verbannt u. seines Vermögens beraubt. Er siedelte sich darauf bei Teruel in Aragonien an u. stritt unabhängig gegen die Mauren, ja setzte den Streit noch fort, als der König alle die Seinen von ihm abberief, u. verpfändete hierbei, unter dem Vorgeben, Gold in Kisten verschlossen hinzugeben, Kisten mit Sand gefüllt an die Juden, sammelte ein Heer, eroberte 1094 Valencia u. sandte, seiner Lehnspflicht treu, dem König Alfons einen Theil der Beute, siegte nun von Neuem mit dem König Don Pedro von Aragonien über die Mauren u. erhielt von Alfons Verzeihung. Zwei Grafen Carrion warhen um seine Töchter, erhielten dieselben, nahmen ihnen aber ihre Mitgift u. verließen sie nach Mißhandlungen. Der C. forderte die schändlichen Schwiegersöhne u. ihren Oheim zum Zweikampf u. besiegte sie, von zwei anderen Rittern unterstützt, ließ ihnen aber das Leben. Die letzte Waffenthat des C. war die Eroberung von Murviedro 1098: er st. in Valencia 1099. Valencia wurde kurz nach seinem Tode noch einmal von den Mauren ange griffen; da setzte man den C. in seim wohlbekannten Waffenschmuck auf sein Roß Babieca, gab ihm sein Schwert Tizona in die Hand u. die Mauren flohen, durch des C-s Anblick in Schrecken gesetzt. Den Leichnam brachte man nach St. Pedro di Cordona, wo er bei den: seiner 1104 gestorbenen Gemahlin ruht (1850 wollte man beider Asche in Burgos aufgefunden haben). Im Vorhof des Klosters ist sein treues Roß Babieca begraben. Nach historischen Nachrichten soll er zwei Gemahlinnen gehabt haben, von denen die erste des Gormaz Tochter, die zweite (auch Ximene) des Alfons Nichte war. Von seinen zwei Töchtern heirathete Christine den[140] Infanten Ramiro von Navarra u. Maria den Grafen Ramon Berengar III. von Barcelona, u. wurde so Ahnherr des spanischen Königsgeschlechts. Schon im 12. Jahrh. erschien ein Gedicht: Poema, del Cid el Campeador, abgedruckt unter andern in Schubarts Biblioteca castellana, portugues y provenzal u. Ochoas Collecion de poesias castell. anteriores al siglo XV., deutsch von Wolff, Jena 1850; später, zu Anfang des 16. Jahrh., wurden die Romanzen auf den C. von Fernando del Castillo gesammelt, auch 1613 von Escobar u. 1614 von Pedro de Florez herausgegeben; vollständig gesammelt in Durau's Romancero general. Es sind über 100 vorhanden; 70 davon sind von Herder in seinem C., Tüb. 1806, übersetzt; dann von Duttenhofer, Lpz. 1841, 2. A. Berl. 1852; von Regis, Stuttg. 1842; historisch behandelt, aus dem 13. Jahrh., in Gesta Roderici Campidocti u. Genealogia del Cid Ruy Diaz, herausgeg. von Manuel Risco, Madr. 1792. Die Echtheit dieser Darstellung wurde von Masden, welcher den C. für eine erdichtete Persönlichkeit hielt, heftig angegriffen, u. Masdens Ansicht fand viele Anhänger, bis die verlorene Handschrift in neuerer Zeit von Gotth. Heine in Berlin wieder aufgefunden wurde. Bekannt ist das Trauerspiel Corneilles: Der Eid. In Spanien ist das Leben des C. mehrfach beschrieben worden, u.a.: Cronica del famoso cavallero Cid Ruy Diaz Campeador, Sevilla 1498, n. Ausg. Burg. 1593, Fol., von Huber Marb. 1844. Auch Joh. von Müller bearbeitete die Geschichte des C. nach historischen Quellen im 25. Bd. der Werke.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 140-141. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009685855


Damen Conversations Lexikon 1834

[408] Cid, Don Ruy Diaz, Graf von Vivar, mit dem ruhmvollen Beinamen el Campeador, der Vertreter des Ritterthums, der Held unzähliger Sagen und Lieder, war im Jahr 1926 wahrscheinlich zu Vivar, nahe bei Burgos, geboren. Seine Geschichte, der Gegenstand von Hunderten von Gesängen, ist so reich mit Blüthen der Dichtung durchflochten, daß die historische Wahrheit von dem Schmuck der Erfindung fast nicht mehr zu trennen ist. Aus einem altberühmten castilischen Geschlechte herstammend, fallen unter die lange und glorreiche Regierung Fernando's des Großen die ersten Thaten seines Ruhms. Von den Qualen einer unglücklichen Liebe zu Ximenen, der schönen Tochter des Grafen Lozano von[408] Gormaz, der von Ruy's Hand fiel, in die Schrecken des Kampfes getrieben, bestieg der noch nicht 20 jährige Jüngling sein edles Roß Babieca und zog gegen die Mauren, die unter 5 Fürsten verheerend in Castilien eingefallen waren. Von seinem ritterlichen Schwerte erlag der Feind, Ruy sandte die Fürsten gefangen an Fernando, der ihm zum Dank seine geliebte Ximene zuführte Seines Königs Kämpfer gegen Ramiro, den König von Aragonien, erfocht er den Besitz von Calahorra, und als Fernando gestorben und das Reich unter seine 3 Söhne getheilt hatte, siegte Sancho im Bruderkriege über die übrigen, denn der Campeador trug seinen Banner. Nur noch die einzige Stadt Zamora leistete tapfern Widerstand für Alfonzo; vor ihren Mauern fiel Sancho und Alfonzo ward zum Thron berufen, nachdem ihm der Cid zu Burgos einen feierlichen Eid, daß er an des Bruders Ermordung keinen Antheil habe, im Namen der Stadt Castiliens abgenommen hatte. Mit heldenmüthiger Treue diente Ruy seinem neuen Fürsten und kämpfte für sein Reich, auch nachdem er die Wandelbarkeit der königlichen Gnade erfahren hatte. Kein Unglück vermochte den Helden zu beugen, den die glänzendsten Siege mit immer frischen Lorbern krönten. Sein Schwert trieb die Mauren nach Afrika zurück, unterwarf Valencia und züchtigte Don Pedro von Aragonien. Ein Fels in der Gegend von Terruel heißt noch heute Pena del Cid. Die Eroberung Murviedro's 1095, war seine letzte Waffenthat; der Cid starb 1099 im 74.Jahre. Die Sage berichtet, daß sein Leichnam noch gerüstet, mit seinem Schwerte Tizona umgürtet, auf sein treues Schlachtroß Babieca gesetzt, die Mauren, welche nach des Campeadors Tode Valencia wieder zu nehmen versuchten, geschreckt und zur Flucht gezwungen habe. Donna Ximene versenkte ihn darauf zu Cardena in Castilien in eine Grabstätte, die noch jetzt seine Gebeine aufbewahrt. – Die unsterblichen Thaten des Cid wurden zuerst Anfangs des 13. Jahrhunderts in dem Gedicht Poema del Cid el Campeador gefeiert; spätere Lieder sammelte Escobar, aus[409] dieser und Debing's »Sammlung altspanischer Romanzen« über. setzte Herder 70 in seinem »Cid.« Das Leben des Helden ist von J. von Müller im 8. Theil seiner Werke nach historischen Quellen bearbeitet worden.

B. Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 408-410. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001720848


Brockhaus 1837

[431] Cid und Campeador, Herr und Held ohne Gleichen, sind volksthümliche Beinamen des hier nach dem Tode abgebildeten Don Rodrigo Diaz, Grafen von Bivar, geb. 1026, jenes an Tapferkeit und Rittertugend ausgezeichnetsten span. Helden, dessen Thaten zahllose Romanzen feiern.

Am Hofe Königs Ferdinand I. von Castilien erzogen, mußte er seinen im Zweikampf überwundenen greifen Vater schon als Jüngling an einem misgünstigen Höflinge rächen. Er tödtete aber dabei in demselben zugleich den Vater seiner geliebten Ximene, die nun von Pflichtgefühl getrieben beim Könige den Wiedergeliebten anklagte, der im Kampfe mit den in Castilien eingefallenen Mauren Zerstreuung und Linderung seines Kummers suchte. Hier erhielt er vom Feinde den ruhmvollen Beinamen des Cid, und bald konnte der 20jährige Held fünf überwundene und gefangene maurische Fürsten an Ferdinand I. abschicken, der ihm dafür verzieh und mit der Geliebten verband, und den Siegen des C. verdankte er die Provinzen, welche Castilien unter seiner Regierung erwarb, sowie den Beinamen des Großen. Da er bei seinem Tode sein Reich unter seine drei Söhne theilte und die Brüder sich darüber bekriegten, focht der C. siegreich für König Sancho von Castilien, der ihn zum Campeador des ganzen Heers ernannte, und nachdem dieser durch Meuchelmord gefallen war, widmete er dessen Nachfolger und Bruder Alfons seine wichtigen Dienste mit gleicher Treue und gleichem Erfolge, mußte aber dennoch mehrmals erfahren, daß neidische Einflüsterungen mächtiger waren als seine Großthaten und diese ihm das beständige Vertrauen des Königs nicht sicherten. Er tröstete sich darüber im Kreise seiner Familie, und da sein Ruhm stets Kampflustige ihm zuführte, hörte er nicht auf, mit einem für sich allein gebildeten Heere die Ungläubigen zu befehden, und obgleich Alfons ihn seines Vermögens beraubte, vergaß er nicht, als gewissenhafter Lehensmann demselben stets den gebührenden Antheil von der gemachten Beute zu übersenden. Die glänzenden Erfolge der Waffen und das makellose Benehmen des C. brachten endlich den König Alfons zu der Einsicht, daß ihm dieser eine Ritter bessere Dienste leiste als alle [431] seine Höflinge; er entzog ihm daher seine Gunst fortan nie wieder und schützte ihn kräftig gegen seine Neider und Feinde. Die Eroberung von Murviedro im J. 1095 war die letzte Waffenthat des C., der 1099 in Valencia verschied. Als kurz darauf diese Stadt von den Mauren angegriffen wurde, soll man den in die wohlbekannte Rüstung gekleideten Leichnam auf des Verblichenen Streitroß Babieça gesetzt, ihm das Schwert in der Hand befestigt und ihn so den Mauren entgegengeführt haben, die alsbald vor dem Anblick des vermeintlich Lebenden die Flucht nahmen. Die Witwe des C. führte hierauf die Leiche des Helden nach Castilien, wo er zwei Stunden von Burgos im Kloster San-Pedro de Cardenna beigesetzt, sowie im Klosterhofe sein Streitroß begraben wurde. Da Vieles in der Lebensgeschichte des C. auf dichterischen Überlieferungen beruht, so bleibt ihre historische Gewißheit zweifelhaft. Die meisten der seinen Ruhm feiernden Romanzen sind von Herder in seinem »Cid« (Tüb. 1806) ins Deutsche übersetzt worden.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 431-432. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000818674


Herder 1854

[122] Cid, Rodrigo Diaz, Graf von Vivar, genannt Campeador, Kampfheld, Spaniens gefeiertetster Nationalheld, geb. 1026, erschlug als Jüngling den Grasen Gormaz, gegen den sein Vater geblieben war, besiegte für König Ferdinand I. von Castilien 5 maurische Fürsten, focht dann für dessen Sohn Sancho von Castilien und als dieser durch Meuchelmord umgekommen, für dessen Bruder und Nachfolger Alfons, der ihn mehrmals verbannte, aber jedesmal, von den Mauren bedrängt, wieder zurückrief; auf eigene Faust eroberte der C. zuletzt noch Valencia und Murviedro und starb 1099. Schon bei Lebzeiten wurde der C. von seinen Landsleuten besungen und lebt in den Volksliedern fort; das älteste auf uns gekommene ist das Poema del Cid, um die Mitte des 12. Jahrhdts. (herausgegeben von Ochoa in seiner Sammlung von castilian. Poesien vor dem 15. Jahrh.); die jetzigen Romanzen, die Fortbildung der alten Lieder, stammen aus dem 16. Jahrh. Sie gehören zu den schönsten epischen Gedichten aller Zeiten und sind ein treuer Ausdruck des span. Volkscharakters in seiner Ritterlichkeit, Religiosität, Ehre, seinen Anforderungen an die königliche Gewalt und die höheren Stände. Sie sind gesammelt in Durans »Romancero general« (2. Aufl. Madrid 1849); die erste deutsche Bearbeitung ist von Herder in seinem »C.« (Sid, arab., Herr), die neuesten Uebersetzungen sind von Duttenhofer und Regis (1842 und 1852).

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 122. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003271706