Arndt, Ernst Moritz
Ernst Moritz Arndt
Ernst Moritz Arndt (* 26. Dezember 1769 in Groß Schoritz; † 29. Januar 1860 in Bonn) war ein deutscher nationalistischer und demokratischer Schriftsteller, Historiker und Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. Als Publizist und Dichter widmete er sich hauptsächlich der Mobilisierung gegen die Herrschaft Napoleon Bonapartes in Deutschland. Daher wird er auch als Freiheitskämpfer bezeichnet. Er gilt als bedeutender Lyriker der Epoche der Befreiungskriege. / https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Moritz_Arndt
Gymnasium Stralsund, Stud. Theol., Philosophie, Geschichte und Sprachen in Greifswald und Jena; Hauslehrer; Wanderung durch "fast halb Europa"; Professor in Greifswald (2.10. 1811 endgültig aufgegeben); floh vor Napoleons Zorn nach Schweden; kam zurück nach Greifswald, verbarg sich unter dem Namen "Allmann" u.a. in Berlin; Sekretär des Reichsfreiherrn von Stein in Petersburg; 1818 Professur in Bonn (1820 wegen "burschenschaftlichen Umtrieben" in den Ruhestand versetzt, erst 1840 wieder eingesetzt); 1848/49 Mitgl. der Frankfurter Nationalversammlung.
1933 wurde die Universtät Greifswald nach ihm benannt. Der Name wurde nach 1945 eine Zeit lang nicht mehr verwendet, 1954 aber wiederhergestellt. Seit den 90er Jahren wurde die Namensgebung an der Universität kontrovers diskutiert. 2018 legt die Universität den Namen ab. 2019 plakatiert die Greifswalder CDU im Wahlkampf: "Wir sind Arndt"
Brockhaus 1837
[123] Arndt (Ernst Moritz), ein freimüthiger, geistvoller und gelehrter deutscher Schriftsteller, geb. 1769 auf der Insel Rügen, machte sich zuerst bekannt durch seine Reisen in Schweden, Frankreich, Italien, Ungarn und Deutschland, deren Beschreibung ihn als einen ebenso aufmerksamen als aufgeklärten Beobachter charakterisirt und mit vielem Beifalle gelesen wurde. Früher ein Verehrer Bonaparte's, ward er, als dessen Plane ihm klarer geworden waren, entschiedener Gegner desselben und suchte durch Wort und Schrift dessen Absichten auf Deutschland entgegen zu wirken. Seine Hauptschrift in dieser Beziehung war das Werk »Geist der Zeit« (Altenb. 1807). An der Stiftung des Tugendbundes, der sich in Preußen für den Zweck bildete, das künftige Erheben [123] Deutschlands gegen die Franzosen vorzubereiten, hatte er großen Antheil und fand es, als die franz. Regierung deshalb auf ihn aufmerksam geworden war, für gerathen, sich 1813 nach Schweden zu begeben, von wo er erst, nachdem Napoleon's Macht in Deutschland gebrochen war, zurückkehrte. Eine Menge Flugschriften, die er hierauf im Interesse Deutschlands erscheinen ließ, wirkten zum Theil sehr wohlthätig auf die öffentliche Meinung. Er ward 1818 Professor der Geschichte an der Universität zu Bonn, sah sich jedoch schon 1819 wegen demagogischer Umtriebe in eine Untersuchung verwickelt, in Folge deren die preuß. Regierung mehre Jahre lang seine Vorlesungen untersagte, obschon er selbst freigesprochen wurde. Unter dem Titel »Christliches und Türkisches« gab er 1828 mehre seiner einzeln erschienenen Aufsätze über die Politik der neuern Zeit heraus.
Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 123-124. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000811858
Herder 1854
[263] Arndt, Ernst Moritz, geb. 1769 zu Schoritz auf Rügen, wurde 1806 Professor der Geschichte in Greifswalde, mußte aber 1812 wegen seiner Schrift »Geist der Zeit« vor Napoleon flüchten. Von dieser Zeit übte er als Flüchtling zuerst von Schweden, dann von Rußland aus durch seine Schriften einen entschiedenen Einfluß auf die öffentl. Meinung Deutschlands. Um jene Zeit erschienen: »Soldatenkatechismus«, »Ueber Landwehr und Landsturm«, und seine frischesten Gedichte, unter denselben: »Was ist des Deutschen Vaterland?« Von 1815 an lebte er am Rhein, schrieb den »Wächter«, wurde 1818 Professor der Geschichte in Bonn, aber 1819 wegen demagogischer Umtriebe inquirirt und pensionirt. 1840 wurde er durch Friedrich Wilhelm IV. wieder in seine Stelle eingesetzt und zum Rector der Universität Bonn ernannt, erhielt auch den Rothen Adlerorden; 1848 kam er als Deputirter nach Frankfurt, gehörte zur gothaischen Fraction, wie er denn überhaupt zeigte, daß er über die Ideen von 1815 nicht hinaus und nicht von ihnen zurückgekommen sei, so ehrenhaft sich auch diesmal sein Charakter bewährte. Seine zahlreichen Schriften sind poetischen, histor. und biograph. Inhalts.[263]
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 263-264. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003208117
Pierer 1857
Arndt 3) Ernst Moritz, geb. den 26. Decbr. 1769 zu Schoritz auf Rügen, studirte 1791–94 Theologie in Greifswald u. Jona, machte dann Reisen in Ungarn, Italien, Frankreich u. Schweden u. wurde 1805 Professor in Greifswald; trat, während der Eroberung Deutschlands durch Napoleon (besonders durch seinen Geist der Zeit, Altona u. Berl. 1807) gegen die Franzosen auf u. mußte deshalb 1806 nach Stockholm flüchten; 1809 kehrte er unter dem Namen Allmann nach Greifswald in seine Stellung zurück, gab dieselbe aber 1811 auf u. ging 1812 nach Rußland, wirkte 1813–15 durch viele Flugschriften (z.B. An- u. Aussichten der Deutschen Geschichte, Lpz. 1814,1. Bd., zusammengestellt in: Schriften für u. an seine lieben Deutschen, Lpz. 1845, 3 Bde.), bedeutend auf das sich erhebende Volk; lebte seit 1815 in Köln, wo er den Wähler herausgab, seit 1817 in Bonn, wo er 1818 die Professur der Geschichte erhielt, aber 1819 wegen freier Äußerungen u. angeschuldigter[747] Verbindungen mit Demagogen zur Specialuntersuchung gezogen u. 1820 suspendirt wurde; dagegen vertheidigte er sich durch sein: Abgenöthigtes Wort in meiner Sache, Altenb. 1821, erhielt 1840 durch König Friedrich Wilhelm IV. die Professur in Bonn wieder, war 1848 einer der rheinländischen Abgeordneten zur Nationalversammlung in Frankfurt, aus der er 1649 mit der Gagernschen Partei ausschied. Im Mai 1854 trat er in Ruhestand, u. 1856 wurde ihm zu Greifswald ein Denkmal gesetzt. Er schr. noch: Reisen durch Schweden, Berl. 1797, 2 Bde.; durch Italien, Lpz. 1799, 2 Bde.; durch einen Theil Frankreichs, Lpz. 1801, 3 Bde.; Deutschland, Italien, Ungarn, Lpz. 1804, 4 Bde.; Der Storch u. seine Familie (Tragödie), Lpz. 1809, n. A. 1816; Fragm. über Menschenbildung, Altona 1803–15, 3 Bde.; Gedichte, Rost. 1804, Frkf. 1818, 2 Thle.; Verm. Sammlung, 1840, n. A. 1843; Neue Auswahl, 1850; Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern u. Rügen, Berl. 1803; Geist der Zeit, 1807, dann 1813–18, 4 Bde.; Soldatenkatechismus; Über Landwehr u. Landsturm; Mährchen u. Jugenderinnerungen, Berl. 1818; Nebenstunden (Beschr. der Schott. Inseln), Lpz. 1826; Christliches u. Türkisches, Stuttg. 1828; die Frage über die Niederlande, Lpz. 1831; Belgien u. was daran hangt, Lpz. 1834; Leben Aßmanns, Berlin 1834; Schwed. Geschichten unter Gustav III. u. Gustav IV., Lpz. 1839; Erinnerungen aus dem äußeren Leben, Lpz. 1840, 3. Aufl. 1842; Verf. in vergl. Völkergeschichten, Lpz. 1843, 2. Aufl. 1844; Rhein- u. Ahrwanderung, Bonn 1846; Zugabe zu Diderots Grundgesetz der Natur, Lpz. 1846; Nothgedrungener Bericht aus meinem Leben u. aus Urkunden der demagogischen Untersuchungen, ebd. 1847, 2 Bde.; Das verjüngte od. zu verjüngende Deutschland, Bonn 1848; Blätter der Erinnerung, meist um u. aus der Paulskirche, Lpz. 1849; Mahnruf in allen deutschen Gauen, in Betreff der Schleswig-holstein. Sache im August 1850; Geistliche Lieder, Berlin 1855; Blüthenlese aus Altem u. Neuem, Lpz. 1857.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 747-748. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009405089
Meyers 1905
2) Ernst Moritz, deutscher Patriot, wurde 26. Dez. 1769 in Schoritz auf der Insel Rügen geboren, die noch schwedisch war, und starb 29. Jan. 1860 in Bonn. Sein noch als Leibeigner geborner Vater, damals Inspektor auf einem Gute des Grafen Malte-Putbus, ließ ihn die gelehrte Schule zu Stralsund besuchen. Seit 1789 studierte er zuerst in Greifswald, dann in Jena, neben der Theologie mit Vorliebe Geschichte, Erd- und Völkerkunde, Sprachen und Naturwissenschaften. Nachdem er eine Zeitlang in der Heimat als Kandidat und Hauslehrer zugebracht hatte, machte er 1798–99 eine größere Reise nach Österreich, Oberitalien, Frankreich und zurück durch Belgien und einen Teil von Norddeutschland, die er in den »Reisen durch einen Teil Deutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs« (Leipz. 1804, 4 Bde.) beschrieb, nachdem er schon 1800 eine Schrift »Über die Freiheit der alten Republiken« herausgegeben hatte. Nach seiner Rückkehr habilitierte sich A. Ostern 1800 in Greifswald als Privatdozent der Geschichte und Philologie, verheiratete sich mit der Tochter des Professors Quistorp, die ihm aber bald wieder durch den Tod entrissen ward, und erhielt, nachdem er sich ein Jahr (1803/1804) in Schweden aufgehalten, 1805 eine außerordentliche Professur. Die 1803 erschienene »Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen« zog ihm zwar Klagen mehrerer adliger Gutsbesitzer zu, bestimmte aber den König von Schweden. 1806 die Leibeigenschaft und die Patrimonialgerichte in Vorpommern aufzuheben. Aus derselben Zeit datiert das Schriftchen »Germanien und Europa« (1803), worin A. die von Frankreich drohenden Gefahren beleuchtete. Andre Schriften aus diesen Jahren handeln über die Sprache und die Erziehung. Unter dem Druck der politischen Verhältnisse gab er 1806 den ersten Teil seines großen Werkes: »Geist der Zeit« (6. Aufl. des Ganzen Altona 1877) heraus, der die kommenden Ereignisse prophetisch voraus verkündete und das deutsche Volk zum Kampf gegen Napoleon aufrief. A. selbst arbeitete damals in der schwedischen Kanzlei zu Stralsund. In jener Zeit hatte er mit einem schwedischen Offizier, der geringschätzig von Deutschland gesprochen, einen Zweikampf, in dem er schwer verwundet wurde. Nach der Schlacht bei Jena floh er nach Schweden und fand dort eine Anstellung, die ihm Zeit ließ, den zweiten Teil des Werkes »Geist der Zeit« auszuarbeiten, der 1809 in London erschien und im feurigsten patriotischen Schwung auf die Wege hinwies, auf denen allein Deutschland aus der Erniedrigung erlöst werden könne. Der Sturz seines geliebten[795] Königs Gustav IV. bewog ihn 1802, nach Deutschland zurückzukehren und sich nach Berlin zu begeben. In dem patriotischen Kreise des Buchhändlers Reimer empfing er hier mannigfache Anregung, doch lebte er, da er von Napoleon geächtet war, nicht ohne Gefahr. 1810 konnte er zwar nach dem Friedensschluß zwischen Frankreich und Schweden sein altes Amt in Greifswald wieder antreten, aber schon im Januar 1812 begab er sich wieder nach Berlin, Breslau, Prag und knüpfte überall mit den hervorragendsten preußischen Patrioten enge Beziehungen an. Er war, erfüllt von der Vorstellung, daß Preußen seinen politischen und patriotischen Forderungen gerecht werden könne, ganz Preuße geworden. Stein berief ihn zur Förderung seiner auf die Befreiung Deutschlands gerichteten Pläne zu sich nach Petersburg, und mit ihm kehrte A. nach der Niederlage Napoleons nach Deutschland zurück. Jetzt begann erst eigentlich seine durchgreifende Wirksamkeit. In zündenden Worten, in immer neuen Gedichten, Flugschriften und Ausrufen aller Art rief er das Volk zu den Waffen. Unermeßlich ist der Einfluß, den er auf die Befreiung Deutschlands gewann durch: »Was bedeutet Landwehr und Landsturm?«, den »Deutschen Volkskatechismus«, »Über Entstehung und Bestimmung der deutschen Legion«, »Grundlinien einer deutschen Kriegsordnung« und die Schrift »Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze«, »Über Volkshaß und über den Gebrauch einer fremden Sprache« (1813), »Über das Verhältnis Englands und Frankreichs zu Europa« (1813), »Noch ein Wort über die Franzosen und über uns« (1814). In dem Schriftchen »Das preußische Volk und Heer« (1813) schildert er mit beredten Worten, wie Preußen aus tiefstem Sturz wieder auferstanden sei durch zwei Mittel, welche die Staatsleiter mit wahrer Umsicht angewendet: »den Geist freizulassen und das Volk kriegsgeübt zu machen«. Seine schönen Kriegs- und Vaterlandslieder, erschienen in zwei Sammlungen: »Lieder für Deutsche« (1813) und »Kriegs- und Wehrlieder« (1815), sachten die Begeisterung mächtig an. Sie gingen später in die vollständigern Ausgaben seiner »Gedichte« (zuerst Frankf. 1818, 2 Bde.; Ausgabe letzter Hand, Berl. 1860; 2. Aufl. 1865; Auswahl 1889) über. Noch 1813 veröffentlichte er einen dritten Teil seines Werkes »Geist der Zeit«, worin er die Grundzüge eines neuen, zeitgemäßen Verfassungszustandes in Deutschland gab, die er weiter ausführte in der Schrift »Über künftige ständische Verfassungen in Deutschland« (1814). Der Vertretung des Bauernstandes widmete er eine besondere Schrift (1815). Während die deutschen Heere auf französischem Boden kämpften, ließ er Flugblatt auf Flugblatt ausgehen, so: »über Sitte, Mode und Kleidertracht«, »Entwurf einer deutschen Gesellschaft«, »Blicke aus der Zeit in die Zeit«, »Über die Feier der Leipziger Schlacht«, sämtlich von 1814, dann »Friedrich August von Sachsen«, »Die rheinische Mark und die deutschen Bundesfestungen«, beide von 1815. Seine publizistische Tätigkeit konzentrierte er in der Zeitschrift »Der Wächter«, die er 1815–16 zu Köln herausgab. 1817 veröffentlichte er seine »Märchen und Jugenderinnerungen« und den 4. Teil vom »Geist der Zeit«. 1818 wurde er Professor der Geschichte an der neubegründeten Universität zu Bonn, nachdem er 1817 die Schwester Schleiermachers, Nanna (gest. 16. Okt. 1869), als zweite Gattin heimgeführt hatte. Seine akademische Wirksamkeit war indessen von kurzer Dauer. Nach Beginn der Demagogenverfolgungen infolge von Kotzebues Ermordung wurden wegen des vierten Bandes des »Geistes der Zeit« und wegen Privatäußerungen im September 1819 Arndts Papiere in Beschlag genommen, er selbst im November 1820 von seinem Amt suspendiert und im Februar 1821 die Kriminaluntersuchung wegen demagogischer Umtriebe gegen ihn eröffnet.
Sie hatte kein Resultat: Arndts Forderung einer Ehrenerklärung wurde nicht erfüllt, er ward aber auch nicht für schuldig erklärt, sein Gehalt ihm gelassen, die Erlaubnis, an der Universität Vorlesungen zu halten, jedoch nicht wieder erteilt. Eine Schilderung des Prozesses gab A. später selbst in dem »Notgedrungenen Bericht aus meinem Leben, aus und mit Urkunden der demagogischen und antidemagogischen Umtriebe« (Leipz. 1847, 2 Bde.). In den folgenden Jahren schrieb er: »Nebenstunden, Beschreibung und Geschichte der Shetländischen Inseln und Orkaden« (Leipz. 1826); »Christliches und Türkisches« (Stuttg. 1828); »Die Frage über die Niederlande« (Leipz. 1831); »Belgien und was daran hängt« (das. 1834); »Leben G. Aßmanns« (Berl. 1834); »Schwedische Geschichten unter Gustav III. und Gustav IV. Adolf« (Leipz. 1839); »Erinnerungen aus dem äußern Leben« (3. Aufl., das. 1842). Ein tiefer Schmerz traf ihn 1834 durch den Verlust seines Sohnes Wilibald, eines blühenden Knaben von 9 Jahren, der in den Fluten des Rheins ertrank. Es war einer der ersten Regierungsakte Friedrich Wilhelms IV., A. wieder in sein Amt einzusetzen und ihm seine Briefe und Papiere zurückgeben zu lassen. Die Universität wählte A. 1841 zum Rektor. Es erschienen nun: »Versuch in vergleichenden Völkergeschichten« (2. Aufl., Leipz. 1844); »Schriften für und an seine lieben Deutschen« (das. 1845–55. 4 Bde.), eine Sammlung seiner kleinen politischen Schriften; »Rhein- und Ahrwanderungen« (Bonn 1846). 1848 ward A. von dem 15. rheinpreußischen Wahlbezirk in die deutsche Nationalversammlung gewählt und hier durch feierliche Huldigung der ganzen Versammlung begrüßt. Doch beschränkte sich seine Beteiligung an den Verhandlungen auf kurze, aber kräftige Reden im Sinne der konstitutionell-erbkaiserlichen Partei; er war auch Mitglied der großen Deputation, die dem König von Preußen die deutsche Kaiserkrone anbieten sollte. Am 30. Mai 1849 trat er mit der Gagernschen Partei aus der Versammlung aus und zog sich wie der in die Stille seines akademischen Lebens zurück. Aber den Glauben an eine bessere Zukunft Deutsch lands verlor er nicht; dieser Glaube leuchtete aus seinen »Blättern der Erinnerung, meistens um und aus der Paulskirche in Frankfurt« (Leipz. 1849), der letzten größern poetischen Gabe von ihm, sowie aus seinem »Mahnruf an alle deutschen Gauen in betreff der schleswig-holsteinischen Sache« (1854), dem Büchlein »Pro populo germanico« (Berl. 1854), der an mutigen »Blütenlese aus Altem und Neuem« (Leipz. 1857) und der Schrift »Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn H. K. Fr. vom Stein« (Berl. 1858, 3. Aufl. 1870). Wegen einer angeblich den General Wrede und das bayrische Militär beleidigenden Stelle in letzterm Werk ward A. vor das Schwurgericht in Zweibrücken geladen und, da er nicht erschien, in contumaciam zu Gefängnisstrafe verurteilt. Noch völlig rüstig, feierte er unter allgemeiner Teilnahme 1859 seinen 90. Geburtstag. – A. war kein Genie, kein großer Dichter und Gelehrter, auch kein großer Staatsmann, aber voll Begeisterung für die erhabensten Interessen der Menschheit und voll edelster Hingebung für die Sache des Volkes, ein mannhafter Charakter, der noch als Greis den Idealen[796] seiner Jugend mit Jünglingsfeuer anhing. Wie er durch seine Schriften und Lieder die Befreiung Deutschlands von der Fremdherrschaft höchst wirksam unterstützt hatte, so suchte er in der Zeit der Reaktion das Verlangen und Streben des Volkes nach dem großen Ziel der nationalen Einheit furchtlos und mit Feuereifer aufrecht zu erhalten, »wie ein altes gutes deutsches Gewissen« die Verzagenden stärkend, die Schwankenden in der Treue befestigend, die Feinde des Rechten und Guten mit der Wucht seines heiligen Zornes niederschmetternd. Daher blieb er, obgleich die Zeit viele seiner Ansichten überflügelt hatte, gleichsam das Banner, um das auch die jüngern Generationen der Vaterlandsfreunde sich scharten. Sein Inneres und Äußeres spiegelte in seltener Reinheit die Eigenschaften, die den deutschen Mann zieren: eine feste, energische Gestalt, ein reiches, poetisch gestimmtes Gemüt, sittlichen Ernst und Strenge, heiße Liebe zu Freiheit und Vaterland. 1865 wurde ihm in Bonn ein Bronzedenkmal (von Afinger) errichtet; seinem Andenken ist auch der 111 m hohe Turm auf dem Rugard auf der Insel Rügen (1873) gewidmet. Von einer Sammlung seiner Hauptschriften erschienen 6 Bände (Leipz. 1892–96). Arndts Biographie schrieben Langenberg (neue Ausg., Bonn 1869), Baur (5. Aufl., Hamb. 1882), Rehbein u. Keil (Lahr 1861), Schenkel (2. Aufl., Elberf. 1869), Thiele (Gütersl. 1894). Seine »Briefe an eine Freundin« (Charlotte v. Kathen) wurden herausgegeben von Langenberg (Berl. 1878), die »Briefe W. v. Humboldts und Arndts an Johanna Motherby« von H. Meisner (Leipz. 1892). Vgl. auch »E. M. A., Lebensbild in Briefen« (hrsg. von Meisner u. Geerds, Berl. 1898).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 795-797. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006252591
Brockhaus 1911
[100] Arndt, Ernst Moritz, deutscher Patriot, geb. 26. Dez. 1769 zu Schoritz auf Rügen, ward nach vielen Reisen 1806 Prof. der Geschichte zu Greifswald, mußte aber wegen seiner Schrift »Geist der Zeit« (1807; Bd. 2-4, 1813-18) vor Napoleon nach Schweden flüchten, kehrte 1810 zurück, ging aber 1812 nach Petersburg, wo er mit Stein in innige Verbindung trat (»Meine Wanderungen und Wandlungen mit dem Reichsfreiherrn von Stein«, 1858), unter dessen Einfluß er an Deutschlands Befreiung durch Flugschriften und begeisterte Gesänge (»Gedichte«, 1818; vollständige Sammlung 1860) sich beteiligte. 1818 ward er Prof. zu Bonn, aber schon 1820, in Untersuchungen wegen demagogischer Umtriebe verwickelt, in Ruhestand versetzt. 1840 erhielt er durch Friedrich Wilhelm IV. seine Stelle wider und wurde 1848 in die deutsche Nationalversammlung gewählt. Er starb 29. Jan. 1860 zu Bonn. Von seinen Schriften sind noch hervorzuheben: »Erinnerungen aus dem äußern Leben« (3. Aufl. 1842), »Schriften für und an seine lieben Deutschen« (4 Bde., 1845-55), »Notgedrungener Bericht aus meinem Leben« (1847), »Pro populo germanico« (1854). – Biogr. von Baur (7. Aufl. 1903), Meisner und Geerds (1898).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 100. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000917338
Britannica 1911
ARNDT, ERNST MORITZ (1769–1860), German poet and patriot, was born on the 26th of December 1769 at Schoritz in the island of Rügen, which at that time belonged to Sweden. He was the son of a prosperous farmer, and emancipated serf of the lord of the district, Count Putbus; his mother came of well-to-do German yeoman stock. In 1787 the family removed into the neighbourhood of Stralsund, where Arndt was enabled to attend the academy. After an interval of private study he went in 1791 to the university of Greifswald as a student of theology and history, and in 1793 removed to Jena, where he fell under the influence of Fichte. On the completion of his university course he returned home, was for two years a private tutor in the family of Ludwig Kosegarten (1758–1818), pastor of Wittow and poet, and having qualified for the ministry as a “candidate of theology,” assisted in the church services. At the age of twenty-eight he renounced the ministry, and for eighteen months he led a wandering life, visiting Austria, Hungary, Italy, France and Belgium. Returning homewards up the Rhine, he was moved by the sight of the ruined castles along its banks to intense bitterness against France. The impressions of this journey he later described in Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 und 1799 (1802–1804). In 1800 he settled in Greifswald as privat-docent in history, and the same year published Über die Freiheit der alten Republiken. In 1803 appeared Germanien und Europa, ”a fragmentary ebullition,” as be himself called it, of his views on the French aggression. This was followed by one of the most remarkable of his books, Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen (Berlin, 1803), a history of serfdom in Pomerania and Rügen, which was so convincing an indictment that King Gustavus Adolphus IV. in 1806 abolished the evil. Arndt had meanwhile risen from privat-docent to extraordinary professor, and in 1806 was appointed to the chair of history at the university. In this year he published the first part of his Geist der Zeit, in which he flung down the gauntlet to Napoleon and called on his countrymen to rise and shake off the French yoke. So great was the excitement it produced that Arndt was compelled to take refuge in Sweden to escape the vengeance of Napoleon. Settling in Stockholm, he obtained government employment, but devoted himself to the great cause which was nearest his heart, and in pamphlets, poems and songs communicated his enthusiasm to his countrymen. Schill’s heroic death at Stralsund impelled him to return to Germany and, under the disguise of “Almann, teacher of languages,” he reached Berlin in December 1809. In 1810 he returned to Greifswald, but only for a few months. He again set out on his adventurous travels, lived in close contact with the first men of his time, such as Blücher, Gneisenau and Stein, and in 1812 was summoned by the last named to St Petersburg to assist in the organization of the final struggle against France. Meanwhile, pamphlet after pamphlet, full of bitter hatred of the French oppressor, came from his pen, and his stirring patriotic songs, such as Was ist das deutsche Vaterland? Der Gott, der Eisen wachsen liess, and Was blasen die Trompeten? were on all lips. When, after the peace, the university of Bonn was founded in 1818, Arndt was appointed to the chair of modern history. In this year appeared the fourth part of his Geist der Zeit, in which he criticized the reactionary policy of the German powers. The boldness of his demands for reform offended the Prussian government, and in the summer of 1819 he was arrested and his papers confiscated. Although speedily liberated, he was in the following year, at the instance of the Central Commission of Investigation at Mainz, established in accordance with the Carlsbad Decrees, arraigned before a specially constituted tribunal. Although not found guilty, he was forbidden to exercise the functions of his professorship, but was allowed to retain the stipend. The next twenty years he passed in retirement and literary activity. In 1840 he was reinstated in his professorship, and in 1841 was chosen rector of the university. The revolutionary outbreak of 1848 rekindled in the venerable patriot his old hopes and energies, and he took his seat as one of the deputies to the National Assembly at Frankfort. He formed one of the deputation that offered the imperial crown to Frederick William IV., and indignant at the king’s refusal to accept it, he retired with the majority of von Gagern’s adherents from public life. He continued to lecture and to write with freshness and vigour, and on his 90th birthday received from all parts of Germany good wishes and tokens of affection. He died at Bonn on the 29th of January 1860. Arndt was twice married, first in 1800, his wife dying in the following year; a second time in 1817.
Arndt’s untiring labour for his country rightly won for him the title of “the most German of all Germans.” His lyric poems are not, however, all confined to politics. Many among the Gedichte (1803–1818; complete edition, 1860) are religious pieces of great beauty. Among his other works are Reise durch Schweden (1797); Nebenstunden, eine Beschreibung und Geschichte der schottländischen Inseln und der Orkaden (1820); Die Frage über die Niederlande (1831); Erinnerungen aus dem äusseren Leben (an autobiography, and the most valuable source of information for Arndt’s life, 1840); Rhein- und Ahrwanderungen (1846), Wanderungen und Wandlungen mit dem Reichsfreiherrn von Stein (1858), and Pro populo Germanico (1854), which was originally intended to form the fifth part of the Geist der Zeit. Arndt’s Werke have been edited by H. Rösch and H. Meisner in 8 vols. (not complete) (1892–1898). Biographies have been written by E. Langenberg (1869) and Wilhelm Baur (5th ed., 1882); see also H. Meisner and R. Geerds, E. M. Arndt, ein Lebensbild in Briefen (1898), and R. Thiele, E. M. Arndt (1894). There are monuments to his memory at Schoritz, his birthplace, and at Bonn, where he is buried.
https://en.wikisource.org/wiki/1911_Encyclopædia_Britannica/Arndt,_Ernst_Moritz