Aphasie

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Pierer

[598] Aphăsie (v. gr.), 1) Sprachlosigkeit, Verstummen; 2) Schrecken, welcher Sprachlosigkeitzur Folge hat; 3) bei den Skeptikern das nicht entschiedene Antworten (mit Ja od. Nein) auf vorgelegte Fragen, um nicht der dogmatischen Behauptung beschuldigt zu werden.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 598. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009384774


Meyers 1905

[614] Aphasīe (griech., das »Nichtredenkönnen«), das teilweise oder vollständige Unvermögen, die Gedanken sprachlich auszudrücken, trotz gesunder Sprachwerkzeuge und erhaltenem Bewußtsein (motorische A.). Sie beruht auf einer Erkrankung des Sprachbewegungszentrums in der dritten linken Stirnwindung des Großhirns. Am häufigsten tritt A. in Verbindung mit Lähmung der rechtsseitigen Körpermuskulatur nach einem Schlagfluß auf. Die Ursache der A. ist meist eine Erweichung der Gehirnsubstanz, ein Bluterguß, eine Neubildung etc. an der bezeichneten Stelle. Bisweilen ist die A. mit Unfähigkeit zu lesen (Alexie) oder zu schreiben (Agraphie) verbunden, seltener mit Amimie (s. d.). Die A. ist nicht zu verwechseln mit der Alalie (s. d.). Das Unvermögen, bei normalem Gehör und erhaltener Sprache und Intelligenz den Sinn gesprochener Worte zu verstehen, hat man als sensorische oder amnesische A. bezeichnet. Sie ist auf krankhafte Prozesse in der obern Windung des (linken) Schläfelappens des Gehirns zurückzuführen (Worttaubheit). Vgl. Bastian, Über A. und andre Sprachstörungen (a. d. Engl., Leipz. 1902).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 614. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006240992


Eisler

[55] Aphasie (Nicht-Sagen, Sprachlosigkeit): 1) Bei den Skeptikern: die Enthaltung (epochê) von allen positiven, bestimmten Aussagen über das Wesen der Dinge, da dieses nicht erkennbar sei. Nur ein »es scheint so«, (nicht »es ist so«) läßt sich sagen (Sext. Emp. adv. Math. I, 12, 13). – 2) In der Psychopathologie: eine central bedingte Störung der Sprachfähigkeit bei Unversehrtheit des Articulationsmechanismus (vgl. STEINTHAL, Einl. in d. Psych. S. 455). Bei der amnestischen (sensorischen) Aphasie geht die Erinnerung an die Bezeichnung der Worte verloren. »Die Sprache an sich ist ungestört, die Kranken sprechen fließend nach; nur die Worte für die einzelnen Dinge fallen ihnen nicht[55] ein, die Muttersprache erscheint wie ein fremdes Idiom, das man schlecht beherrscht«. Die ataktische (oder Innervations-, motorische) Aphasie (= Aphemie) besteht in einer Beeinträchtigung der Function der Wortbildung als solcher. Bei der Worttaubheit (»surditas verbalis«, 1877 von KUSSMAUL so genannt) versteht der Kranke nicht, was gesprochen wird (HELLPACH, Grenzwis(s. d.) Psych. S. 249; JODL, Lehrbuch der Psych. S. 473; WUNDT, Gr. d. Psych.5, S. 245). PREYER zählt auf: 1) corticale sensorische (centrosensorische) Dysphasie und Aphasie (= Paraphasie), 2) intercentrale Leitungsdysphasie und Aphasie 1., 2., 3. Ordnung, 3) centromotorische Dysphasie und Aphasie (Spr. d. Kind. S. 264 ff.). Alalie heißt das gänzliche Unvermögen, zu articulieren (l.c. S 278). Dysarthrie, Anarthrie ist die Unmöglichkeit des Verstehens von Gesprochenem (l.c. S. 265). Vgl. KUSSMAUL (Stör. d. Sprache 1885).

Quelle: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 55-56. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001780484


Kircher / Michaëlis

[53] Aphasie (gr. aphasia), Sprachlosigkeit, ist nach dem jetzigen Sprachgebrauche eine vorübergehende oder dauernde Erkrankung unseres inneren Sprachorgans. Der Kranke vermag sich nicht auf die Worte zu besinnen, welche er brauchen möchte, oder kann nicht artikulierte Laute hervorzubringen. Die Intelligenz ist dabei unversehrt. Die Aphasie entsteht häufig aus einer Entzündung der inneren Herzwand, wodurch sich ein Faserstoffgerinnsel bildet, welches, durch den Blutstrom in die Gehirnarterie verschleppt, dort einen Bluterguß, resp. die Zertrümmerung des Sprachorgans veranlaßt.[53] – Die Skeptiker verstanden unter Aphasie die Enthaltung von bestimmten Aussagen und Urteilen, welche aus der Einsicht in die Unmöglichkeit entspringt, etwas Bestimmtes zu behaupten. Vgl. Akatalepsie, Aoristie, Epoché. Kußmaul, Die Störungen der Sprache 1885.

Quelle: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 53-54. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003577872


Brockhaus 1911

[80] Aphasīe (grch.), Sprachlosigkeit, das Unvermögen zu sprechen, beruht auf Erkrankung des Sprachzentrums im untern und hintern Teile des Stirnlappens des Gehirns, entsteht nach Verletzungen, Entzündungen, Gefäßzerreißungen und Gefäßverstopfungen dieser Hirnstelle (motorische A.). Ist bei einem Kranken das Wortverständnis aufgehoben, so daß er Worte hört, aber nicht versteht, so nennt man das sensorische A.; solche Kranke vermögen auch Worte vielfach nicht nachzusprechen, indem gleichzeitig motorische A. vorliegt, oder verwechseln sie.

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 80. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000910988