Lyrikbegriff (Klopstock)

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Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) formuliert seine Lyriktheorie u.a. in dem Aufsatz "Gedanken über die Natur der Poesie". Eine wichtige Voraussetzung für die Lyrik ist es, den jeweils passenden Hauptton zu finden. Dieser "besteht nicht allein in der Art und dem Grade der Schönheiten, die einer gewissen Dichtart vorzüglich eigen sind, sondern es kömmt auch sehr darauf an, daß die gewählten Objekte von Seiten gezeigt werden, die mit dieser Art und diesem Grade der Schönheit harmonieren. Der lyrische Dichter muß [...] dadurch, daß er dem Tone der Ode gemäß singt, [...] uns entzücken. [...] Horaz hat den Hauptton der Ode [...] durch die seinigen, bis auf jede seiner feinsten Wendungen, bestimmt. [...] Man wird also den Wert einer Ode am besten ausmachen können, wenn man sich fragt: Würde Horaz diese Materie so ausgeführt haben? Aber man müßte ein wenig streng bei Beantwortung dieser Frage sein. Denn sonst bekommen wir zu viel Horaze unsrer Zeiten. Ich erkläre mich hierdurch gar nicht gegen die Ansprüche, die besonders der lyrische Dichter auf einen Originalcharakter hat. Ich rede nur von der Biegsamkeit, mit der sich selbst ein Originalgenie dem Wesentlichen, was die lyrische Poesie fordert, unterwerfen muß. Und dieses Wesentliche [...] hat Horaz, durch seine Muster, festgesetzt."


Beitrag von Stephanie Dahn (zu einem Seminar an der Universität Greifswald)


Auszüge aus Klopstocks Text von 1759:

  • Das Wesen der Poesie besteht darin, daß sie, durch die Hülfe der Sprache, eine gewisse Anzahl von Gegenständen, die wir kennen, oder deren Dasein wir vermuten, von einer Seite zeigt, welche die vornehmsten Kräfte unsrer Seele in einem so hohen Grade beschäftigt, daß eine auf die andre wirkt, und dadurch die ganze Seele in Bewegung setzt.


  • Die tiefsten Geheimnisse der Poesie liegen in der Aktion, in welche sie unsre Seele setzt. Überhaupt ist uns Aktion zu unserm Vergnügen wesentlich. Gemeine Dichter wollen, daß wir mit ihnen ein Pflanzenleben führen sollen.


  • Es ist nichts gewöhnlicher, als daß man den Ausdruck mit dem Gedanken verwechselt. Man sagt: Es ist eben der Gedanke; es ist nur ein andrer Ausdruck. Und der Gedanke wird doch geändert, sobald der Ausdruck geändert wird. Dieser ist an sich selbst weiter nichts, als das Zeichen des Gedanken. Gleichwohl muß eine genaue Kenntnis aller Bestimmungen dieser Zeichen, die sie haben, und durch gewisse neue Stellungen haben können, zu erlangen, eine von den vornehmsten Beschäftigungen eines guten Dichters und eines Lesers sein, der sich nicht zu viel schmeicheln will, wenn er seine Urteile für entscheidend hält.


Hier Klopstocks Aufsatz online.


Literatur:

  • Friedrich G. Klopstock : Gedanken über die Natur der Poesie. Nachw. v. Winfried Menninghaus. Frankfurt/Main: Insel 1992. ISBN 9783458327387.