Epigramm (Opitz)

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Epigramm (Epigramma) (Opitz)

Im V. Kapitel seines Buches von der Deutschen Poeterey (1624) behandelt Martin Opitz die Einteilung der Dichtkunst in Gattungen, die er Genera carminis und arten der getichte nennt. Mehr: Gattungen_(Opitz).


Eine der von ihm aufgezählten Gattungen ist das Epigramm (Epigramma). Das griechische Wort bedeutet ursprünglich Auf- oder Inschrift (auf Gräbern oder Häusern). Opitz schreibt:


  • Das Epigramma setze ich darumb zue der Satyra / weil die Satyra ein lang Epigramma / vnd das Epigramma eine kurtze Satyra ist: denn die kürtze ist seine eigenschafft / vnd die spitzfindigkeit gleichsam seine seele vnd gestallt; die sonderlich an dem ende erscheinet / das allezeit anders als wir verhoffet hetten gefallen soll: in welchem auch die spitzfindigkeit vornemlich bestehet. Wiewol aber das Epigramma aller sachen vnnd wörter fähig ist / soll es doch lieber in Venerischem wesen [1] / vberschrifften der begräbniße vnd gebäwe [2]/ Lobe vornemer Männer vnd Frawen / kurtzweiligen schertzreden vnnd anderem / es sey was es wolle / bestehen / als in spöttlicher hönerey vnd auffruck [3] anderer leute laster vnd gebrechen. Denn es ist eine anzeigung eines vnverschämten sicheren gemütes / eines jetwedern / wie vnvernünfftige thiere thun / ohne vnterscheidt anlauffen. [4]


Anmerkungen:

[1] von Venus: also Liebessachen
[2] Grab- und Hausinschriften
[3] Auffruck: aufruk, frühneuhochdeutsch: Vorwurf, Verweis
[4] anlauffen: angreifen, angehen; d.h. jeden angreifen zeigt eine unvernünftig-tierhafte Wesensart an.


Ausgaben:

  • Martini Opitii Buch von der Deutschen Poeterey. David Müller: Breslau 1624 (Erstausgabe)
  • Herbert Jaumann (Hrsg.): Buch von der Deutschen Poeterey (1624). Studienausgabe: Mit dem 'Aristarch' ( 1617) und den Opitzschen Vorreden zu seinen 'Teutschen Poetemata' (1624) ... zu seiner Übersetzung der 'Trojanerinnen' (Studienausgabe). Stuttgart: Reclam 2002