Weißenfels
Weißenfels (Pierer)
[66] Weißenfels,
1) Kreis des Regierungsbezirks Merseburg in der preußischen Provinz Sachsen, 9,52 QM. mit 55,250 Ew.;
2) Kreisstadt darin, an der Saale, mit Brücke darüber u. an der Thüringischen Eisenbahn mit Zweigbahn nach Gera; Sitz des Landrathamts, eines Gewerberaths, hat großes Schloß (Neuaugustusburg, 1664–90 erbaut, bis 1746 Residenz der Herzöge von W.-Querfurt, jetzt Kaserne u. Cadettenhaus), zwei evangelische Kirchen, Schullehrerseminar, Taubstummenanstalt, Porzellanfabrik, Gold- u. Silberwaarenfabrikation, Tabakfabrikation, Wollspinnerei, Leinweberei, Handel mit Getreide, Holz u. Leinwand, Landwirthschaftlicher Verein, Freimaurerloge: Drei weiße Felsen; 11,150 Ew. In der Gegend werden treffliche weiße Sandsteine (Weißenfelser Sandsteine) gebrochen. – W. erhielt seinen Namen wahrscheinlich von den dasigen Sandsteinbrüchen u. hieß im Mittelalter mit. griechischem Namen Leukopetra. Es war früher Privatbesitzthum, kam dann in den Besitz der Landgrafen von Thüringen. Markgraf Otto der Reiche kaufte W. mit andern Herrschaften für seinen Sohn Dietrich den Bedrängten u. erhob sie zur Grafschaft. Durch Dietrich kam dann W. an die Markgrafschaft Meißen. Hier 1. Juli 1249 Vertrag zwischen Heinrich dem Erlauchten u. seinen Vasallen, durch welchen Heinrich als Landgraf von Thüringen anerkannt wurde (s. Thüringen S. 567). Bei der Ländertheilung zwischen Ernst u. Albrecht kam W. zur Albertinischen Linie. 1632 wurde es von den Kaiserlichen zerstört u. nach der Schlacht bei Lützen auf dem dasigen Amtshause die Leiche Gustav Adolfs secirt u. einbalsamirt. 1657 wurde es Residenz des Herzogthums Sachsen-W., welches August, den zweiten Sohn des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen, zum Stifter hatte u. mit Johann Adolf II. 1746 ausstarb, s.u. Sachsen S. 685. W. litt in den Kriegen 1806 u. 1812–15 durch die die Stadt berührende Hauptmilitärstraße der Franzosen sehr u. wurde 11. September 1813 von Thielmann den Franzosen abgenommen (s. Russischdeutscher Krieg S. 583). W. ist der Geburtsort des Dichters Brawe u. hier lebte A. Müllner. Vgl. Sturm, Chronik der Stadt W., Weißenf. 1846.
3) Marktflecken im Bezirk Kronau des österreichischen Herzogthums Krain; Schloß, Burgruine, Stahlhammerwerk; 600 Ew. Dabei am Fuße des 8462 F. hohen Mangart die kleinen Weißenfelsseen.
Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 66.
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Dehio 1914
WEISSENFELS. Pr. Sachsen Kreisstadt.
Stadt-K. S. Marien. Sandsteinquaderbau. Am WTurm Inschrift 1303; das übrige nach Brand 1429 erneuert bis 1480, doch wohl mit Benutzung der alten Grundmauern. Die Schmalseite des Ssch. spricht für ehemalige Basilika. Jetzt die drei Schiffe von gleicher Höhe, das Gwb. des Msch. nicht ausgeführt (Balkendecke), in den Ssch. Netzgwbb. Die Fensterachsen der SSeite entsprechen nicht den Arkaden. Die Ssch. schließen sonderbarerweise mit 2 Polygonalseiten, der in Breite des Msch. vorgebaute Chor hat 2 Joche und 5/10 Schluß. Seine Fenster und Strebepfll. sind sehr reich dekoriert, ungefähr in [pg 422] der Art der Schloß-K. zu Altenburg, während das Lhs. sparsam gehalten ist. — Hochaltar 1524, sonstige Ausstattung 1670-84.
Ehem. Klst. S. Clara (profaniert und ruinös). Im wesentlichen der Gründungsbau von 1285. Sehr langgestreckt (9,9 : 52,9), der Chor nicht abgesetzt, aber durch (spätere) Gwbb. vom flachgedeckten Lhs. unterschieden. Er schließt 3/8. Im W. 2jochige Nonnenempore. Die schlanken Fenster 2teilig, als Maßwerk einfacher Kreis über 2 Spitzbgg. — Die spgot, Kanzel aus der Stadt-K. versetzt. — Die als Magazine vernutzten Klst.Gebäude in der Anlage noch zu erkennen.
Schloß Neu-Augustusburg. 1664-90 von Erhard Lindner; der Entwurf wohl von Moritz Richter, ähnlichen Charakters wie die Schlösser von Weimar und Gotha. Imposanter Massenbau in schlichtesten Einzelformen. 3 Flügel in Triklinienstellung. Je 21 Fensterachsen in 3 Geschossen. Keine Giebel. Einziger Akzent der breite turmartige Aufsatz auf dem Mittelflügel. Die innere Ausstattung durch Umwandlung zur Kaserne zerstört. Von namhaftem Interesse die von Leonhard Sturm, dem Theoretiker des protestantischen Kirchenbaus, gerühmte Kap. Saalbau mit Emporen nach dem durch das Schloß von Torgau vorbildlich gewordenen Typus. Sehr reiche »täppisch-überzierliche« Dekoration in weißem Stuck auf rosa und apfelgrünem Grunde.
Rathaus 1670, Turm 1690 von Chr. Richter. — Bürgerhäuser renss. und bar.
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland, 1914 by Georg Dehio