Türkische Sprache und Literatur
Es versteht sich, dass die alten Lexika auch den alten Wissensstand (und die alten Urteile und Vorurteile) repräsentieren. Das wird dadurch wettgemacht, dass sie nicht nur über die Geschichte unseres Wissens und unserer Urteile informieren, sondern auch die ganze Fülle nicht weitergeleiteten, verschütteten Wissens überliefern.
Pierer 1863
Türkische Literatur
[947] Türkische Literatur, nennt man vorzugsweise die Literatur der Osmanen, obgleich man sonst mit dem Namen Türken (s.d.) im weiteren Sinne auch die Dschagataisch sprechenden u. schreibenden Osttürken u. die Bewohner des Kiptschak versteht. Wenn auch die T. L. ungemein reich in den verschiedenen Gebieten der Poesie, in der Geschichte u. den Wissenschaften ist, so besitzt sie doch nur wenig Eigenthümliches u. Originelles; fast alle Literaturwerke sind mehr od. minder nur Nachbildungen arabischer u. persischer Muster, bis herab auf die neueste Zeit, wo die abendländische Bildung namentlich in den wissenschaftlichen Leistungen der Osmanen ihren Einfluß zu bekunden angefangen hat. Die Anfänge der T-n L. reichen hinauf bis in die Zeit der Begründung des Reichs der Osmanen. Noch in die Zeit der Seldschuken in Kleinasien gehören die Weisheitssprüche im Buche des Oghus (bei Diez, Denkwürdigkeiten von Asien, Bd. 1, S. 157–205), eine Reihe türkischer Distichen in dem Rebabnameh des Sultan Weled, des Sohnes des großen persischen Dichters Dschelaleddin-Rumi, u. einige kleine Schriften über Jagd, bes. die Falknerei (vgl. von Hammer, Falcknerklee, Pesth 1840). Die Osmanen eigneten sich die vorgefundene Civilisation an, u. schon Orkhan begründete 1327 in Brussa Lehranstalten, worin ihm Bajazet für Adrianopel, Murad II. in den eroberten Ländern u. bes. Muhammed II. in Constantinopel folgten. Besonders unter Bajazet II. fanden die Gelehrten viel Anerkennung u. Aufmunterung; die glänzendste Zeit der Osmanischen Literatur war jedoch die Regierung Solymans I. Unter demselben traten Schriftsteller in allen Fächern auf, bes. wurden die schönen Redekünste damals ausgebildet, u. noch jetzt gelten die Schriften aus jener Zeit für klassisch. Schon mit Murad III. (1574) begann das Reich u. mit ihm die Blüthe der Literatur zu sinken; nachdem zu den Zeiten Murads IV. u. Muhammeds IV. bes. unter dem Schutze der beiden Köprili nochmals die Pflege der nationalen Literatur u. Wissenschaft belebt worden war, gerieth dieselbe bes. seitdem Frieden von Karlowitz immer mehr in Verfall. Der [947] Zeitraum seit dem Frieden von Kutschuk-Kainardsche vollendete denselben; die Literatur wurde ihrer nationalen Eigenthümlichkeiten entkleidet in demselben Maße, wie auch das Volk durch die nöthig gewordenen Zugeständnisse an das Abendland u. die inneren Reformen seine Nationalität zu verlieren begonnen hat. Bes. seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrh. ist die abendländische Einwirkung immer sichtbarer geworden, namentlich sind es französische Werke, welche ins Türkische übertragen wurden, u. französische Muster schwebten den Verfassern von Originalwerken vor, überhaupt ist für die Türken der jüngsten Zeit abendländische Cultur soviel wie französische Cultur. Die im März 1851 nach abendländischem Vorbild begründete Akademie hat für die eigentliche Wissenschaft nichts. geleistet; eine Universität ist noch nicht zu Stande gekommen, obgleich das in Constantinopel dazu erbaute Gebände fertig ist. 1727 wurde in Constantinopel eine Druckerei errichtet, aus welcher eine Reihe von Werken hervorgingen, allein dieselbe erfuhr mehrsach Unterbrechungen. In jüngster Zeit jedoch hat, wie in Indien u. Persien, so auch in der Türkei die Lithographie zur Vervielfältigung älterer u. neuerer literarischer Productionen Anklang gefunden. Auch sind von Abendländern in Constantinopel Buchhandlungen begründet worden, welche sich theilweise auch mit der Besorgung dortiger Drucke nach dem übrigen Europa befassen. Ganz bes. zeigt sich die Unselbständigkeit der T-n L. in der Poesie. Die Türken selbst besitzen keinen eigentlichen poetischen Genius, sie ahmen nur arabische, bes. aber persische Vorbilder nach; unnatürlich u. erkünstelt charakterisiren die türkische Poesie Schwulst u. kühne Bilder. Das Drama fehlt ganz, dagegen tritt das beschreibende u. didaktische Gedicht sammt dem mystischen, sowie die Lyrik in Fülle hervor. Gleich die Formen sind ganz die persischen. Man unterscheidet auch bei den Türken a) das Mesnewi od. doppelt gereimte Gedicht; es umfaßt nicht nur dasromantische u. historische Epos, sondern auch das Lehrgedicht, das ethische wie das mystische u. auch das beschreibende Gedicht. Die historischen Poesien führen insgemein den Titel Nameh (d.i. Buch), wie z.B. Timurnameh (das Buch von Timur); die romantisch-epischen Poesien sind nach den Namen der Hauptpersonen, wie Jussuf u. Suleicha, benannt. Sonst heißen Nameh auch kleinere beschreibende Poesien, welche öfter den Diwanen (d.i. den Sammlungen der lyrischen Poesien) angehängt sind. Auch die Himmelfahrt u. die Geburt des Propheten sind der Stoff vieler besonderer doppeltgereimter Gedichte, welche den Titel Miradschijeh (Himmelfahrtsgedicht) u. Mewlulidijeh (Geburtsgedicht) führen. b) Die Kasside, das längere lyrische Gedicht, bei welchem nur die zwei ersten Verse u. dann immer die zweitfolgenden mit demselben Reime endigen u. welches größtentheils panegyrischen Inhalts ist. Doch werden in dieser Form auch die Todtenklagen (Mersijeh) u. reine Schönheit beschreibende Gedichte (Nesib), die Satiren (Hedschw) u. die sotadischen Possen (Hesel), die beiden letztgenannten aber auch in Mesnewis verfaßt. c) Das Ghasel ist nicht in der Reimfolge, sondern nur in der Länge von der Kasside unterschieden, indem es aus nicht weniger als fünf u. nicht mehr als sieben Distichen bestehen soll; der Inhalt ist entweder rein erotisch u. bacchantisch od. allegorischen u. mystischen Inhalts. Die geistlichen Lieder der Derwische, welche unter Flötenbegleitung beim heiligen Reigen (Simaa) abgesungen werden, heißen Simaai, die erotischen Gassenhauer Schreki od. Kodschasch, d) Terdschii, Kassiden od. Ghaselen mit wiederkehrenden Schlußreimen. e) Die Glossen heißen, je nachdem ein Vers der Unterlage in fünf od. sechs. Verse etc. erweitert wird, Tachmis, Tesdis, Tesbii, Tesmin (d.i. Verfünffachung, Versechsfachung, Versieben- u. Verachtfachung). f) Rubijat, sind vierzeilige Strophen, in denen die erste mit der zweiten u. vierten reimt, während die dritte leer ausgeht u. in welche insgemein theils ethische, theils epigrammatische Gedanken gekleidet werden. Die Räthsel heißen Mimaa, die Logogriphen Laghs, die Akrostichen Maklub, endlich die Chronogramme Tarich. Die Sammlungen lyrischer Gedichte eines Verfassers heißen Diwan. Hat ein u. derselbe Dichter fünf Mesnewis, sei es nun epischen, ethischen od. mystischen Inhalts verfaßt, so heißt die Sammlung derselben Chamseh (d.i. ein Fünfer), Külllijat sind die sämmtlichen Werke eines Verfassers. Die Stoffe der epischen Poesie der Türken sind die der Perser. Es gehören dahin außer der Iskendersage die nationalen persischen Stoffe Chosrew u. Schirin u. Wamik u. Asra; die Liebesgeschichten Weise u. Ramin, Absal u. Selman, Werka u. Gilschad u.a.m. Daran schließen sich arabische, historische u. biblische Stoffe, unter denen vor Allem Jussuf u. Suleicha, dann Sulaiman u. Balkis, Leila u. Medschnun, Kessiret u. Asa, Amrolkais u. Oneise, Irwet u. Afra, Emher u. Tefe etc. zu nennen sind. In anderen mystisch-romantischen Dichtungen sind die Helden nur personificirte Allegorien, wie in Gül u. Bülbül (Rose u. Nachtigal) od. die Helden tragen keine historischen, sondern nur von den Dichtern erfundene Namen, wie Gül u. Gülendam (Rose u. Rosenstängel), Behram u. Anehid (Mars u. Venus) etc. Die Geschichten von Jussuf u. Suleicha u. von Leila u. Medschnun werden bes. auch im mystischen Sinne behandelt. Für den ersten bedeutenden türkischen Dichter gilt Aaschik-Pascha (gest. 1332), welcher bereits zu Anfang des 14. Jahrh. kurz nach dem Beginne des Reichs mit einem großen mystischen Gedichte (Diwan-i-Aaschik) auftrat, welches seiner Anlage nach ganz eine Nachahmung des persischen Mesnewi des Dschelaleddin Rumi ist. Fast gleichzeitig übertrug Scheich Elwan von Schirasdas mystische Gedicht Gülscheni-Ras aus dem Persischen des Mahmud Schebisteri, Die Werke der beiden Genannten sind die Grundlagen der osmanischen Poesie u. bezeichnen für die folgenden Jahrhunderte die Richtung, nachwelcher hin sich die letztere entwickelte. Unter Bajazet I. blühten Suleiman-Tschelebi, der Dichter des ersten Mewlud (Geburtsfeier des Propheten), u. Ahmedi (gest. 1412), der Dichter des Iskendernameh (Buch. von Alexander), eines großen historischen u. mystischen Epos, u. Dschelal-Arghun (gest. 1373), der Verfasser eines ethisch-didaktischen Gendschnameh (Schatzbuch). Der erste große Dichter des romantischen Epos bei den Türken war Scheichi, der unter Muhammed I. lebte u. Chosru u. Schirin dichtete. Hierzu kommen noch im 15. Jahrh.: Jasidschi-Oghlu od. Ibn-Katib, welcher um 1449 eine Mohammedijet, ein großes didaktisches Gedicht über den Islam, vollendete, u. Dschemalisade, welcher 1404 das Gedicht Chorschid u. Ferruchschad verfaßte.[948] dieser ersten Periode der Geschichte der osmanischen Dichtkunst, in welcher das religiös-didaktische u. mystische Gedicht die Oberhand hat, folgt die eigentliche Glanzperiode, welche mit dem Eroberer Muhammed II. beginnt u. in welcher Constatinopel nicht nur die Hauptstadt des Reiches, sondern auch Mittelpunkt der literarischen u. wissenschaftlichen Cultur wird. Unter dem genannten Herrscher blühte der erste große Lyriker Ahmed-Pascha (gest. 1496), welcher jedoch unter Bajazet II. von Nedschati u. Chiali übertroffen wurde. Rewani zeichnete sich im beschreibenden Gedichte aus; Hamdi lieferte in seiner Bearbeitung des Jussuf u. Suleicha ein zweites Meisterwerk des romantischen Epos; Sati war Hofdichter, welcher jährlich drei Kassiden, eine am Frühlingsanfang, die beiden andern an den beiden Beiram zu fertigen hatte; Firdewsi verfaßte das Suleimannameh (Buch von Salomo), eine Sammlung von Sagen u. Legenden, welche 360 Bände umfaßte, von der jedoch nur 70 erhalten sind; Mesihi lieferte Frühlingsgedichte. Die höchste Blüthezeit feierte die Osmanische Literatur unter Solyman II. (1519–66), welcher Poesie u. Wissenschaft begünstigte u. das Reich auf den Gipfelpunkt seiner Macht erhob. Es wurden jetzt die Thaten u. Feldzüge der Sultane in epischen Dichtungen in Schahnameh's, d.i. Königsbüchern, poetisch geschildert, wie von Aarisi, Hadidi, Hesar-parapara, Schehdi u. Andern. Mehr poetischen Werth beanspruchen jedoch die allegorischen u. mystischen Poesien, unter denen wohl Fasli's (gest. 1563) Gül u. Bülbül (türkisch u. deutsch von Hammer, Pesth 1834) die lieblichste ist. Andere berühmte Dichter dieser Zeit sind Jahja, welcher alle seine Vorgänger im beschreibenden Gedicht übertraf; ferner Baki (gest. 1600), der sich den Ruhm des bedeutendsten Lyrikers der Osmanen erwarb (sein Diwan, deutsch von Hammer, Wien 1825); Ali-Wast, der als Verfasser des Humajunnameh, einer türkischen Bearbeitung der Fabeln des Bidpai, für den glänzendsten Prosaiker gilt; Chalili verfaßte das elegische Firaknameh (d.i. Buch der Trennung); Fusuli u. Ghasali lieferten sotadische Dichtungen; Chelili bearbeitete wiederum die persischen Lieblingsgegenstände Chosrew u. Schirin u. Leila u. Medschnun; Fikri übersetzte Firdewsi's Schahnameh ins Türkische; Sururi, der Verfasser von drei Diwanen, übersetzte u. commentirte die persischen Meisterwerke von Hafis, Saadi, Dschami u. Attar. Der fruchtbarste u. größte Dichter dieser Zeit ist jedoch Lamii (gest. 1531); außer verschiedenen prosaischen Werken, welche zum Theil Übersetzungen persischer Werke des Dschami sind, verfaßte er vier große epische Gedichte Wamik u. Afra (bearbeitet von Hammer, Wien 1833); Weise u. Ramin, Absal u. Selman u. das Ferhadnameh, die Geschichte von Chosrew u. Schirin enthaltend (bearbeitet von Hammer, Stuttg 1812, 2 Bde.). Außerdem verfaßte er noch viele lyrische, didaktische u. beschreibende Gedichte, z.B. die Verherrlichung der Stadt Brusa (deutsch von Psizmeier, Wien 1839). Unter den Nachfolgern Solyman's begann bereits der Verfall der Literatur. Aus der großen Anzahl von Dichtern, welche zwischen 1566 u. 1640 blühten, nehmen nur drei eine hervorragende Stelle ein: Attaji, der Verfasser einer Chamseh romantischer Gedichte, wie schon vor ihm Muidi u. Bihlschli geliefert; der Mufti Jahya, welcher die Bordah ins Türkische übertrug, einen Diwan u. andere Gedichte verfaßte; u. Nefii (hingerichtet 1635), der namhafteste türkische Satiriker. Dem Zeitalter der Köprilis gehörte Nabi (gest. 1712) an, welcher von den gleichzeitigen Geschichtschreibern einstimmig als Dichterkönig bezeichnet wird. Neben ihm dichteten Deschewri u. Misri mystische Poesien, während Fasli, Medihi u. Aarif sich in anderen Dichtungsarten hervorthaten. In die Periode zwischen dem Frieden von Karlowitz u. Kutschuk-Kainardsche fallen noch mehre namhafte Dichter; dahin gehören vor Allen Wehbi der Ältere, der bedeutendste Lyriker seiner Zeit, Thalib, Kiani u. Aasim (der Geschichtschreiber Tschelebisade), sowie der Großvezier Raghib-Pascha, ein philosophischer Dichter, welcher von seinen türkischen Biographen der Sultan der Dichter Rums u. der Vorsitzer der Veziere genannt wird. Nach ihm sank die Dichtkunst zur reinen Chronographik herab; jedenfalls der letzte bedeutende Dichter der Osmanen war der Mystiker Ghalib (gest. 1795), neben welchem von seinen Zeitgenossen nur etwa noch der jüngere Wehbi, Nischeet u. Newres, sowie Fasilbeg, der Dichter des Sennameh (Buchs der Weiber), den Namen eines Dichters verdienen. Unter allen bisher genannten Dichtern werden schon von den Türken selbst jedoch nur sieben als Sterne ersten Ranges bezeichnet, nämlich Ahmedi, Sati, Lamii, Baki, Nefii, Nabi, der ältere Wehbi u. Ghalib. Die türkischen Dichterbiographen zählen mehr als 3000 Dichter auf; Notizen über das Leben von 2200 Dichtern u. reiche Proben von deren Dichtungen gibt von Hammer in seiner Geschichte der osmanischen Dichtkunst (Pesth 1833, 4 Bde.). Der für den größten türkischen Dichter des 19. Jahrh. gehaltene Ketschedschisade hat sich nur im Chronogramm ausgezeichnet u. ist von gar keiner eigentlichen poetischen Bedeutung, obgleich er eine große Anzahl von Nachahmern gefunden hat. Die Zahl der Dichterinnen ist nur gering; zu nennen sind aus früherer Zeit Seineb, Mihri u. Hubbi, aus neuerer Ummesuhah (Sidki) Ani, Fillnet, Leila Chaniim u. Heibelullah (die Schwester des Sultan Mahmud). Auf dem Gebiete des Märchen u. der Erzählung sind außer dem Humayun-nameh noch zu nennen dietürkische Bearbeitung des Tuti-nameh (deutsch von Rosen, 2 Theile, Lpz. 1858), die Schwänke des Nasr-ed-Din (deutsch von Camerloher, Triest 1857), die Geschichten der 40 Veziere von Scheikh Sade (deutsch von Behrnauer, Lpz. 1851) u.a.m. Eine türkische Übersetzung der 1001 Nacht hat Ahmed-Nadhif (Const. 1858–60, 6 Bde.) besorgt. Sammlungen von Märchen lieferten auch Lamii (Buch der Beispiele) u. Dschenani (Wunderbare Denkmale). Eine Art von Ritterroman, Sid Battal, ist gleich dem arabischen Antar ungemein populär; weniger bekannt sind das Iskendernameh u. das Hamsenameh, zwei Romane, ein jeder in 24 Bänden, beide von Hamsewi, welcher unter Bajazet lebte, u. in Prosa verfaßt. Unter den ethischen Dichtungen, halb in Prosa, halb in Versen, sind das Achl aki Aleaji von Ali Kinalisade u. der Rath für Könige von Sari Abdallah. Nachahmungen von Saadi's Gulistan u. Dshami's Bostan sind der Nigaristan, der Kemal pascha u. der Nachlistan Fasli's. Wie die Persische Literatur, so besitzt auch die Türkische eine große Anzahl von poetischen Anthologien u. Sammlungen von Dichterbiographien (Teskiret); welche zugleich auch Proben aus deren Werken geben. Unter den Blüthenlesen sind hervorzuheben[949] die von Kafsade (gest. 1621), die große von Nasmi u. die von Dschewdet-Esendi (gest. um 1834). Hieran reihen sich die Dichterbiographien von Seht (gest. 1548), betitelt die Acht Paradiese, welcher Notizen über 200 Dichter gibt, von Ahdi (1495–1583), Aaschik-Tschelebi (gest. 1571) u. Latifi (gest. 1582), welche sämmtlich der Regierung Sultan Solyman's u. seines Sohnes Selim II., der Zeit des höchsten Flors des Türkischen Reichs u. der Türkischen Poesie, angehören; ferner die Dichter-biographien von Hassan Tschelebi Kinalisade (gest. 1602), welche 607 Dichter behandelt, von Rijasi (gest. 1644), von Risa, von Safaji (gest. 1725), von Salim, von Seid Ismail (gest. 1729) in dessen Sammlung von Lebensbeschreibungen aller berühmten Männer, die in Brusa verstorben sind, von Aasim-Tschelebi, Pertew (gest. 1807) etc. Das neueste Werk dieser Art ist der Tezkere-i-Chatime ül Esch'ar von Fathin-Efendi (lithogr. Const. 1855).
Sehr reich ist die historische Literatur der Türken. Was den Werth derselben betrifft, so besteht derselbe wohl zumeist nur in der treuen Überlieferung der Thatsachen. Die Form der Historiographie ist selbst in den historischen Werken der neuesten Zeit noch immer die der mittelalterlichen Chronik. Die Ereignisse werden in chronologischer Ordnung u. in gesonderten Abschnitten erzählt, ohne daß dabei auf logische Verbindung der verschiedenen Thatsachen unter sich Rücksicht genommen od. aus der Gesammtheit ein zusammenfassendes Bild abstrahirt würde. Dabei zeigen sich jedoch die Verfasser weniger parteiisch als man erwarten sollte. Nur bei Besprechung europäischer Verhältnisse u. fremdländischer politischer Einwirkung auf die Pforte waltet, mit wenigen Ausnahmen, die starre Ausschließlichkeit islamitischer Anschauungsweise vor. Fast immer sind die türkischen Geschichtsschreiber hochgestellte Staatsdiener, welche ihre Aufzeichnungen nach Möglichkeit geheim zu halten suchen mußten, weshalb denn auch dieselben weniger bekannt geworden sind. Die officiellen Staatsannalen der Hohen Pforte wurden von eigens dazu ernannten Beamten angefertigt, welche bis auf Solyman den Großen Schehnamehdschi, später Wakaa-nüwis (d.i. Novellisten) hießen. Dieselben wurden in schönen Abschriften in irgend einem Palaste des Sultans niedergelegt, wo sie für die Außenwelt gänzlich unzugänglich blieben. Manche gelangten zwar im Laufe der Zeit auf Befehl. der Sultane zur Veröffentlichung, doch geht die zuletzt gedruckte Staatschronik nicht über den Frieden von Kutschuk. Kainardsche (1774) hinaus. Für klassisch gilt das Geschichtswerk des Saad-eddin (türkisch u. lateinisch von Kollar, Wien 1750), welches die Geschichte der Osmanen von ihrem Ursprung an bis auf Mahmud I. od. bis 1520 erzählt; demselben schließen sich folgende gedruckte Staatschronisten an: Naima, von 1591–1659 (Const. 1734, 2 Bde.; engl. von Fraser, Lond. 1832–36, 2 Bde.); Reschid, von 1660–1721 (Const. 1741, 3 Bde.), Tschelebisade von 1721–27 (Const. 1741); Sami, Schakir u. Subhi von 1730–1743 (Const. 1785); Issi von 1744–52 (Const. 1785), endlich Wassif von 1752–73 (Const. 1805, 2 Bde., Kairo 1831); Auszug von Caussin de Perceval unter dem Titel: Précis hist. de la guerre des Turcs contre les Russes de 1769 à 1774, Par. 1822. Ein vollständiges Verzeichniß der Quellenschriften zur Geschichte der Türken bis 1774 gibt von Hammer-Purgstall in seiner darnach bearbeiteten Geschichte des Osmanischen Reichs. Die Hauptwerke über die neuere türkische Geschichte lieferten die Staatsgeschichtsschreiber: Enweri (gest. Nov. 1794) von 1769–91 in fünf verschiedenen Werken; der bereits genannte Wassif-Efendi (gest. 1807), welcher außer seiner gedruckten Chronik auch noch drei andere für die Zeit bis 1802 verfaßte; Edib-Efendi von 1788–92; Nuri-Bei von 1794–1798; Aasim-Efendi, welcher sich in seiner Darstellung mehrfach über den Standpunkt eines bloßen Chronikenschreibers erhebt, von 1806–8; der als vielseitiger Gelehrter u. Dichter bekannte Schanisade (gest. um 1827), dessen Chronik von der Thronbesteigung Mahmud's bis 1821 reicht; Esad-Efendi (geb. 1789, gest. 1848), dessen beide officiellen Werke die Zeit von 1821–22 u. 1825–26 umfassen, dessen Darstellung aber, wie auch sein Üssi-Safer (eine Geschichte der Vertilgung der Janitscharen) an Redeschwulst u. Überschwänglichkeit leiden. Überhaupt ist der Styl in diesen historischen Werken affectirt u. geschraubt, voll der gesuchtesten Metaphern u. weithergeholter Vergleiche. Der gelehrteste Historiker des 17. Jahrh. war Hadschi-Khalsa (s.d.), gewöhnlich Tschelebisade, welcher außer seinem arabischen Bibliographischen Wörterbuche auch sehr reichhaltige historische Tafeln verfaßte, die von Adam bis 1640 reichen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrh. bildete der Historiograph Esad-Efendi den Mittelpunkt der türkischen Geschichtschreibung. Gegenwärtiger Staatschronist ist Ahmed Dschewdet Efendi, dessen Geschichte des Osmanischen Reichs mit dem Frieden von Kainardsche beginnt u. seit 1854 in Druck erscheint. Außer den Staatschroniken hat er auch die geheimen Pfortenarchive benutzt u. gibt einfache, gesunde u. unparteiische Beurtheilungen der jeweiligen politischen Lage der Dinge. Sonst haben sich als historische Schriftsteller bekannt gemacht Ibrahim Petschewi, dessen Geschichtswerk (1525–1631) wichtig für die Geschichte der Türkenkriege in Ungarn ist; Abdurrahman, welcher eine Geschichte der französischen Invasion in Ägypten verfaßte; ferner Muhhib-Efendi, Mustapha-Nedschib-Efendi; Wahib-Efendi; Halimgerai-Khan, welcher im Gülbüni Chanan eine Geschichte der Khane der Krim lieferte; Ghasi Hasan Pascha (gest. 1790), welcher eine Geschichte seiner Feldzüge schrieb. Eine allgemeine Weltgeschichte (Gülscheni Maarif) compilirt Feraisade Efendi auf Befehl Sultan Mahmud's (gedr. Const. 1836, 2 Bde.) von Adam bis zum Frieden von Kainardsche. Die Geschichte der türkischen Sultane (Tarichi Osmaniije) schrieb Hadschruhah-Efendi (Const. 1854–57, Bd. 1–11). Eine Geschichte der türkischen Großveziere verfaßte Osmansade Ahmed Taib, welche von Dilaweragasade Omer-Efendi, von Schehrisade Muhammed Said-Efendi, von Dschawid-Bei (Wardi Muthara) u. weiter von Abdulsellah Schäwket Efendi fortgesetzt wurde. Die Biographien der Mufti schrieb Mustakim-Efendisade, die der Ulemas u. Scheiche: Taschköprisade (gest. 1598) u. dessen Fortsetzer Ali Ben-Bali, Newisade (Altaji), Uschakisade Efendi, u. Scheichi, zu denen in neuerer Zeit noch Munib-Efendi hinzugekommen ist. Die Lebensbeschreibungen der Reis-Efendi sammelte Resmi Ahmed Efendi u. sein Fortsetzer Faik (Const. 1853). Aarif-Hükmet Bei, der bis in die neueste Zeit herab den hohen Posten eines Scheich-el-Islam bekleidete u. die reichste Privatbibliothek in Constantinopel besitzt, hat die Protokolle der Verhandlungen des Friedens[950] zu Sistow u. Jassy (Const. 1855–58, 4 Bde.) drucken lassen. Eine kurzgefaßte Geschichte der osmanischen Historiker hat Dschemaleddin-Efendi (gest. um 1856) verfaßt Geographische Werke besitzt die ältere T. L. außer dem Dschihán-numa (d.i. Schauplatz der Welt, Const. 1783), u. dem geographischen Wörterbuch des Hadschi-Khalsa nur wenige; Reiseberichte lieferten in neuerer Zeit Ewlia-Efendi (engl. von Hammer, Lond. 1834), Muhammed-Efendi (Par. 1841) u. in jüngster Zeit Mehemed Churschid Efendi (Tiahatnamei-Hodud, lith. Const. 1861).
Wie in der Poesie, so sind die Osmanen auch in der Wissenschaft nicht zur Selbständigkeit gelangt u. bewegen sich auch hier in den von den Arabern u. dem Islam überhaupt vorgezeichneten Bahnen u. Grenzen. Die wissenschaftlschen Leistungen der Türken bestehen meist nur in Übertragungen, Auszügen u. Compilationen, namentlich aber auch in Commentaren zu arabischen Werken Wenn sich auf einzelnen wissenschaftlichen Gebieten in den letzten Jahrzehnten der abendländische Einfluß geltend gemacht hat, so verharrt die türkische Wissenschaft in starrer Stabilität in allen den Disciplinen, welche unmittelbar mit dem Islam in Verbindung stehen, wie die Philosophie, Dogmatik u. Rechtswissenschaft; es ist auch keine Hoffnung zu einer freieren Entwickelung vorhanden, so lange der Körper der Ulema mit allen seinen Abstufungen, Lehranstalten u. Privilegien unverändert fortbesteht. Die eigentliche theologische Literatur hat wenig Originelles aufzuweisen u. besteht fast nur aus Commentaren zu den gebräuchlichen arabischen Abrissen u. Lehrbüchern u. wiederum Glossen zu den Commentatoren. Das höchste Ansehen genießt der Abriß der Glaubenslehre nach dem orthodoxen Lehrbegriff der Sunniten von Muhammed-Pir Ali el Berlewi (Const. 1802 u. ö.; franz. von Garcin de Tassy, Par. 1822), welcher vielfach commentirt worden ist, wie u.a. von Sadreddin aus Konia (1562) u. von Kasisade (Ahmed Ben-Muhammed Emin, gedr. Const. 1839). Einen Umriß der Glaubenslehre enthält auch Enwâru'l-Aaschikin (d.i. Lichter der Liebenden), welches um 1449 von Muhammed-ben-Katib, genannt Jasidschi-Oghlu, arabisch verfaßt u. von dessen Bruder Ahmed-Bidschan ins Türkische übertragen wurde (Const. 1845). Die berühmten dogmatischen Werke (Akaid) von Nesesi u. Adhadeddin u. deren Commentatoren Dewani u. Testasana wurden von Kelenbewi u. Silkuti, zweien der berühmtesten türkischen Gesetzgelehrten des 18. Jahrb., glossirt. Verschiedene Commentare u. Glossen gibt es zu der Senusijje des Senusi u. deren Commentatoren Hudhudi, Scheich el Baguri, zu dem Lehrgedichte El-Dschauhareh nebst dessen Commentator. Abd-es-Selam, u. andern Tractaten, welche die Grnndlage der dogmatischen Studien bilden. Dasselbe gilt von den Werken über Koranexegese (Tefsir), wie den Commentaren von Sujuti u. Mahalli, von Beidhawi, Abu-Snud u. der Glossatoren der Genannten (Scheich-el-gemel, Ibn-Attijeh, Karamani etc.), sowie von denen über Tradition (Bokhari, Muslim, Abi-Dawud, Nisai, Ibn-Mágeh, Tirmidi etc.). Geschätzte liturgische Werke sind bei den Türken das Ghunijet (ein Commentar Ibrahims zum Munijet des Imam Kaschgari) u. das Hallijet von Nakschbendi aus Giselhissar (1826). Das gewöhnliche Lehrbuch für die Logik ist die Isadschudschi der El-Abheri (Ebheri), welches ebenfalls mehrfach commentirt wurde, u.a. von Kelenbewi. An der Spitze der metaphysischen Werke steht das Mewakif von El-Idschi; von den Commentaren zu demselben sind die von Testasani u. Dschordschani von Chiali u. A. glossirt worden. Mit großem Fleiße, wenn auch wiederum fast nur in Commentaren, Glossen u. Anhängen, ist von den Türken die mit der Theologie eng verschwisterte u. auf gleichem Fundamente ruhende Rechtswissenschaft bearbeitet worden (Ilm-el-Fikh), welche überhaupt der Zielpunkt aller wissenschaftlichen Bestrebungen bildet. Die juristischen Werke sind meist arabisch verfaßt u. commentirt, doch haben Türken zahlreiche Subcommentare u. Glossen sowohl in türkischer wie in arabischer Sprache über dieselben geliefert. Die erste Klasse derselben umfaßt diejenigen Arbeiten, welche eine systematische Gesammtdarstellung nach den Principien des Koran geben. Dahin gehören bei der Secte der Schafiiten: El-Mmhag mit dem Commentar von Ramlis; El-Menheg u. Et-Tahrir von Zakarijael-Ansari etc. Bei den Hanefiten gelten als Autorität Ed-Durr-el-Mohtar von Scherembelani mit den Glossen von Scheich et-Tahtawi u. von Ibn-Abdin, der Kenz ed-Dakaik mit den Commentaren von Aini, von Maula Meskin, von Tajji; ferner Nurel-Gdah etc. Eine zweite Reihe von juristischen Werken stellt blos die Entscheidungen (Fetwa) berühmter Rechtsgelehrten für specielle Fälle od. schwierige Rechtsfragen zusammen. Derartige Sammelwerke od. Fetawi besitzt die T. L. eine ganze Reihe. Mehre derselben, welche von dem Mufti Ali-Efendi von Abderrahim (Const 1827, 2 Bde.), von Scheikh Mustapha-el-Kudusi (Const. 1822), sowie vom Muhammed-Arif (Const. 1837) sind im Druck erschienen. Das Grundwerk des moslemischen Kriegsrechts ist das Seir-ul-Kebir, welches mehrfach commentirt u. mit dem Commentar des Sarchasi (Const. 1826, 2 Bde.) von Said-Munib ins Türkische übertragen wurde. Zur Zeit Solyman's des Großen stellte Scheich Ibrahim-Elhalebi eine große Gesetzsammlung zusammen, die Multeka; welche von Mewkusati (gest. 1655) ins Türkische übertragen wurde (Const. 1853, 2 Bde.). Unter verschiedenen türkischen Werken, welche Muster von Formeln, Urkunden u. gerichtlichen Aufsätzen aller Art enthalten u. gewöhnlich den Titel Sokuk führen, ist das von Debbaghsade Nuuman-Efendi (Const. 1832) am meisten geschätzt. An Monographien über einzelne Disciplinen der Rechtswissenschaft, wie bes. über das Erbrecht, ist kein Mangel. Auch die Politik der Türken ist religiöser Natur, die Schriften darüber enthalten nicht selten gute Sittenlehren, sonst sind sie in den Grundsätzen gemäßigt. Geschätzt sind unter den Türken die Bücher von Newati, dem Lehrer Murads III., von Mahumed ben-Ali Alik, Mueddinzade, Lufti-Pascha (Verfasser des Spiegels der Veziere), aus neuerer Zeit von Weisi, Ratib (hingerichtet 1799) u. A. Der jüngsten Zeit gehören die Taalimati umumije, od. politische Belehrung für alle Beamte des Osmanischen Reichs (gedruckt Const. 1846) u. Ilmtedbiri-Milk, ein Adriß der politischen Ökonomie (englisch von Wells, Lond. 1860). In der Philologie haben die Türken wenig für ihre eigene Sprache gethan, desto eifriger aber die Arabische u. Persische Sprache bearbeitet. Besondere Erwähnung verdienen hier die türkischen Übersetzungen des arabischen Wörterbuchs des Dschauhari von[951] Wankuli (Const. 1803, 2 Bde.), des arabischen Wörterbuchs Kamus durch Asim-Efendi (ebd. 1814, 3 Bde., Kairo 1835, 3 Bde.); wichtig ist auch das persisch-türkische Wörterbuch Ferhengi-Schuûri (ebd. 1742, 2 Bde.). Sehr geschätzt ist das persisch-türkische Glossar des Wehbi, welches von Ahmed-Hajati-Efendi (ebd. 1822) u. von Lebib (ebd. 1846) commentirt wurde. Ein gereimtes türkisch-arabisch-persisches Glossar verfaßte Aini aus Aintab (ebd. 1834). Ebenso wichtig sind die zahlreichen commentatorischen Werke bes. über die beliebtesten persischen Dichter. In hohem Ansehen standen die Commentare des Sudi (st. 1596) über den Gulistan, des Sadi (Const. 1833) u. über die Gedichte des Hafis (Kairo 1835, 3 Bde.), des Ismael-Hakki (st. 1725) über das Pendnameh des Ferid-ed-Din Attar (ebd. 1834) u. über das Mesnewi des Dschelâl-ed-Din Rumi (Kairo 1836), ferner des Schakir-Efendi über den Beharistan des Dschami (Const. 1836). In neuester Zeit verfaßte Fuad-Efendi eine türkische Grammatik (ebd. 1852). Das Hauptwerk über Encyklopädik hat Taschköprisade (st. 1598) geliefert. In Bezug auf Mathematik, Astronomie, Naturwissenschaften u. Medicin war die T. L. bis auf die neuere Zeit herab von ihren arabischen u. persischen Vorgängern eben so abhängig, wie auf dem theologisch-juristischen Gebiete. Jedoch zeigen sich hier schon in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrh die Spuren abendländischen Einflusses Dahin gehören das medicinische Werk des Schanisade (1820, 2 Bde.), welcher sich auch auf dem Gebiete der Mathematik u. Militärwissenschaft auszeichnete. Auf letzterem wurden die Werke von Ishak-Chodscha, dem Vorsteher der Ingenieurschule, von großem Einfluß; er schrieb eine Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften (Const. 1831–32, 4 Bde.), über Befestigungskunst (ebd. 1834), über Höhenmessen etc. Man studirte in den letzten Jahrzehnten, in welchen sich die Regierung u. Verwaltung des sich auflösenden Osmanischen Reichs soweit als möglich abendländische Principien anzubequemen suchte, Staats- u. Cameralwissenschaften, gab seit 1847 ein Sâl-nameh od. Staatshandbuch heraus u. suchte durch officielle Zeitungen (eine Staatszeitung war schon im 3. Jahrzehnt unseres Jahrh. begründet worden) auf das Volk zu wirken; s.u. Zeitungen.
Die neueste u. modernste Form der literarischen Thätigkeit der Türken bekunden die Zeitschriften nach dem Vorbilde der französischen Revue des deux mondes, deren im Herbst 1863 in Constantinopel drei erschienen. Die inhaltreichste derselben, an welcher sich die angesehensten u. hochgestelltesten Männer betheiligen ist Medschmuaï-Füann, welches seit Juli 1863 von der Osmanischen wissenschaftlichen Gesellschaft (Dschemieti-ilmieï-osmanié) herausgegeben wird. Ernste Forschung bekundet auf einem im Orient selbst nochgar nicht gepflegten Gebiete der Fürst Subti in den Tekmiletul'ibar Const. 1862) einem numismatischen Werke. Über die T. L. geben Nachweisungen Toderini, Letteratura Turchesca, Ven. 1787, 3 Bde., deutsch von P. W. G. Hausleutner, Königsb. 1790, 2 Bde.; I. G. Eichhorn, Geschichte der Literatur, 3. Bd., S. 1103–1297; Chabert, Biographische Nachrichten von vorzüglichen türkischen Dichtern, Zür. 1800; Derselbe Geschichte der osmanischen Dichtkunst, Pesth 1836–38, 4 Bde.; Freiherr von Schlechta Wssehrd in Sitzungsberichten u. Abhandlungen der Wiener Akademie. Die türkischen Drucke verzeichnet Zenker, in der Bibliotheca orientalis (Lpz. 1847–62, 2 Bde.).
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 947-952. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011159294
Türkische Sprache
[66] Türkische Sprache, ein Zweig des Finnischtatarischen Sprachstammes; 1) im weiteren Sinne gehört hierher außer dem Osmanischen noch das Tatarische von Kasan, Orenburg, Tobolsk etc., das Uigurische (s.d.), das Turkomanische, das Dschagatai, die Sprache der Usbeken, Nogayer, Kisilbaschen, Barabinzen, Baschkiren, Bassianen, Kumücken, Chasaren, Komanen, Teleuten, Jakuten, Metschtscherjäken, Kirgisen u. Tschuwaschen (s.d.), indem diese sämmtlich nur mehr od. weniger abweichende Dialekte Einer Sprache sind. Im engern Sinne 2) die Sprache der Osmanen, welcher Dialekt durch den Verkehr mit Arabern, Persern u. Europäern zwar vorzüglich ausgebildet, dabei aber auch nicht eben zu seinem Vortheil abgeschliffen u. mit fremdartigen, bes. dem Arabischen u. Persischen entlehnten Wörtern untermischt worden ist. Die Osmanen[66] haben schon lange das ihnen ursprünglich eigenthümliche uigurische Alphabet mit dem arabischen vertauscht, welches sie durch Annahme von vier, dem Persischen angehörige Zeichen u. Hinzufügung eines neuen Buchstabens ihrer Sprache angepaßt haben. Sie zählen demnach folgende 33 Buchstaben:
Die Türken schreiben von der Rechten zur Linken. Die T. S. kennt weder Artikel noch grammatische Genus. Die Declination ist sehr einfach. Der Plural wird durch Anhängung der Sylbe lar od. ler gebildet, z.B. er, Mann, erler, kul, Sklav, kullar. Die Grammatiker zählen sechs Casus: Nominativ, Genitiv, Dativ, Accusativ, Vocativ, Ablativ. Der Genitiv wird durch die angehängte Sylbe üng od. nüng, der Dativ durch eh od. ïeh, der Accusativ durch ï, der Ablativ durch den gebildet; der Vocativ ist wie Nominativ, z.B. er, erüng, ereh, eri, ja er, erden. Die Declination des Plurals ist dieselbe: erlerüng, erlereh etc. Die Adjectiva werden nicht flectirt; der Comparativ wird durch Vorsetzung von dakhi (mehr), tschok (viel), pek (sehr), rak od. rek gebildet, noch öfter aber nur durch den Ablativ der verglichenen Sache bezeichnet, z.B. bujuk, groß, dakhi bujuk, größer, anaden bujuk, größer als dieser. Der Superlativ wird auf ähnliche Weise bezeichnet. Außerdem bildet die T. S. auch noch Diminutive durch das Suffix dschek od. dschak:bujudschek, ein wenig groß. Die Zahlen heißen: 1 bir, 2 iki, 3 ütsch, 4 durt, 5 besch, 6 alty, 7 jedi, 8 sekis, 9 togus, 10 on. Die Ordinalzahlen werden durch die Endung indschi gebildet: birindschi, der erste, ikindschi, der zweite, ütschindschi, der dritte etc. Distributiva erhalten die Endung er od. scher: birer, ikischer, ütscher etc. Die persönlichen Pronomina sind ben, ich, sen, du, ol, o, er, bis, wir, sis, ihr, anlar, sie; die Deklination derselben ist nur wenig von der der Substantiva abweichend. Die Possessiva werden suffigirt, z.B. von baba, der Vater: babam, mein Vater, babang, dein Vater, babasi, sein Vater, babamuz, unser Vater etc. Des Nachdrucks wegen kann noch der Genitiv des Personalpronomens vorgesetzt werden. Demonstrativa sind bu, schu, ischbu, Relativa keh u. kim; Interrogativa kim, neh, kanghi. Von Zeitwörtern gibt es, außer dem Hülfswort, sieben verschiedene Arten: Activum, Passivum, Negativum, Impossibile, Causale, Reciprocum, Reflexivum. Das Activum zeigt im Imperativ die reine Wurzel: bak, sieh, dog, schlag; davon bildet man den Infinitiv durch die Sylbe mak, mek: bakmak, dogmek. Das Passiv entsteht aus dem Activ, indem il od. in zur Wurzel hinzutritt: bakilmak od. bakinmak, gesehen werden. Die Bildungssylbe des Negativ ist ma, me: bakmamak, nicht sehn; die des Impossibile ama, ehme, ime: bakamamak, nicht sehen können; die des Causale dur: bakdurmak, sehen lassen; die des Reciprocum isch: bakischmak, einander ansehen; die des Reflexivum in, en, un: bakinmak, sich selbst ansehen. Jede Art des Zeitwortes kann aber wieder mit der andern combinirt werden, z.B. bakdurmamak, nicht sehen lassen, bakischamamak, einander nicht sehen können etc. Die Conjugation scheint ursprünglich durch das später mit der Wurzel zusammengeschmolzene Hülfswort olmak, seyn, gebildet, welches seiner Seits mit den persönlichen Fürwörtern nahe zusammenhängt. Der Indicativ des Präsens ist: im, sen, dur, is, sis, durler, das Imperfectum idum, idung, idi, iduk, idengis, idiler, der Conjunctiv des Präsens: issam, issang, issah, issek, issengis, issaler; nach dem Indicativ des Präsens richtet sich das zweite Imperfect imischem, das Futurum olurum, der Optativ des Futurum alam, nach dem Imperfect wird flectirt der Suppositiv olurdum, der Optativ des Präsens olaidum, der Conjunctiv des Präteritum olsaidum. Die Gerundia sind: iken, olup, olidschak, olundscheh; Part. Präs. olan, Part. Prät. olmisch, imisch, olduk, Part. Futur. oladschak, olmalu. Diese dienen auch zu Bildung zusammengesetzter Zeiten, z.B. olmisch idum, ich war gewesen. Außerdem wird der Optativ durch keschkeh, wenn doch, der Conjunctiv durch eger, wenn, näher bezeichnet. Ähnlich ist die Conjugation der übrigen Zeitwörter: bakarum, ich sehe, bakaridum, bakarimischen, ich sah etc. Die T. S. kann auch vielfältige Substantiva u. Adjectiva ableiten, z.B. sevidschi Liebhaber von sevmek, itschum Trank von itschmek, bilmeh Wissenschaft von bilmek, bakisch Blick von bakmak, gürmeklik das Sehen von gürmek, katschkun flüchtig von katschmak etc. Adverbia werden durch die Endung ileh, üsreh, aneh, dscheh, tscheh, gebildet. Anstatt der Präpositionen hat die T. S. Postpositionen. Die Construction zeichnet sich durch Regelmäßigkeit u. logische Konsequenz aus, indem Alles, was früher gedacht wird, auch im Satze vorangeht. Darum steht der Genitiv vor seinem Substantiv, das Adjectiv vor dem Substantiv, das Subject vor dem Verbum, ebenso jeder bedingende, einschränkende, causale etc. Satz vor dem Hauptsatz, wozu die Gerundia u. Participia mehr dienen, als einfache Conjunctionen u. Partikeln (und, hierauf, deshalb u. dgl.). Der Anfang des Vaterunsers lautet: ei göklerdeh olan babamuz, ismüng mokaddas, oslun, d.h. o Himmeln-in seiend Vater-unser, Name-dein geheiligt sei. Grammatiken: von Maggi, Rom 1670; Meninski, Wien 1680; Holdermann, Constantinopel 1730; Dimitrios Alexandriou, Wien[67] 1811; Hindoglu, Wien 1829; Davids, Lond. 1832; Jaubert, Par. 1833; v. d. Berswordt, Berl. 1839; Barker, Lond. 1854; Dubeux, Par. 1856. Wörterbücher: von Meninski, n. A. Wien 1780–1803; Clodius, Lpz. 1730; Viguier, Constantinopel 1790; Rhases, Petersb. 1829; Bianchi, Par. 1831; Hindoglu, Wien 1838; Pfizmaier, Wien 1847; Redhouse, Lond. 1856 f.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 66-68. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011159472
Meyers 1909
[813] Türkische Sprache und Literatur. Die türkische oder osmanische (türk. Osmanly) Sprache gehört zur türkisch-tatarischen Abteilung der großen Uralaltaischen Sprachenfamilie (s. d. und die »Sprachenkarte« in Bd. 18). Im weitern Sinne bezeichnet man alle Sprachen dieser Abteilung, die bis zur Lena in Sibirien reichen und sehr nahe miteinander verwandt sind, als türkische; gewöhnlich versteht man aber im engern Sinne die Sprache der Osmanen, d. h. der europäischen und kleinasiatischen (anatolischen) Türken, darunter. Die beiden charakteristischen Eigentümlichkeiten des uralaltaischen Sprachstammes, die Agglutination und die Vokalharmonie (s. d.), treten im Türkischen in kräftigster Weise hervor. Erstere ermöglicht namentlich die Bildung einer bedeutenden Menge von Konjugationen, wobei der Stamm des Verbums stets unverändert an der Spitze des Wortes stehen bleibt. So heißt sev-mek »lieben«, sev-isch-mek »einander lieben«, sev-isch-dir-mek »einander lieben machen«, sev-isch-dir-il-mek »einander lieben gemacht werden«, sev-isch-dir-il-me-mek »nicht einander lieben gemacht werden« etc. Während so der grammatische Bau rein uralaltaisch ist, hat der Wortschatz, wenigstens der der Literatursprache, eine mannigfache Versetzung mit europäischen, namentlich aber mit arabischen und persischen Sprachelementen erfahren. Die natürliche Folge dieser Vermischung mit fremden Sprachelementen ist eine beträchtliche Verminderung des ursprünglichen türkischen Wortschatzes gewesen. Ihr Alphabet haben die Türken von den Arabern entlehnt (nur aus religiösen Gründen und sehr zum Nachteil ihrer Sprache, denn in Wirklichkeit sind das Arabische und das Türkische lautlich wesentlich voneinander verschieden), den 28 arabischen Konsonantenzeichen aber fünf neue hinzugefügt für Konsonanten, von denen drei ihnen mit den Persern gemein sind, einer rein persisch und einer rein türkisch ist. Wie die Araber und Perser, schreiben und lesen die Türken von rechts nach links. Es gibt besondere Schriftgattungen für den Bücherdruck, die Fermane (amtlichen Erlasse), die Poesie, den Briefverkehr (Kursivschrift) etc. Grammatiken von Redhouse (»Grammaire raisonnée de la langue ottomane«, Par. 1846; »Simplified grammar«, Lond. 1884), Kazem-Beg (deutsch von Zenker, Leipz. 1848; dazu Boehtlingk, Kritische Bemerkungen zur zweiten Ausgabe von Kasem-Beks Grammatik, Petersb. u. Leipz. 1848), Wahrmund (»Praktisches Handbuch der osmanisch-türkischen Sprache, mit Wörtersammlung etc.«, 2. Aufl., Gießen 1884, 3 Bde.; neue Ausg., das. 1898, 2 Bde.), Wells (»A practical grammar of the Turkish language«, Lond. 1880), A. Müller (»Türkische Grammatik«, Berl. 1889), Manissadjian (das. 1893), Tien (Lond. 1896), Wied (3. Aufl., Wien 1903), Jehlitschka (Heidelb. 1895–97), beide für praktische Zwecke, Bonelli (»Elementi di grammatica turca osmanli«, Mail. 1899), Scanziani (»Metodo pratico, etc.«, Konstantin. 1901) u. a. Wörterbücher von Meninski (»Thesaurus linguarum orientalium«, Wien 1660; 2. Ausg., das. 1780, 4 Bde.), Kieffer und Bianchi (»Dictionnaire turc-français«, 2. Aufl., Par. 1850–71, 2 Bde.), von Bianchi (»Dictionnaire français-turc à l'usage des agents diplomatiques«, 2. Aufl., das. 1843–46, 2 Tle.), Redhouse (»Turkish and English Lexicon«, Konstantinopel 1890, und »English and Turkish Lexicon«, Lond. 1901; diese die besten existierenden Wörterbücher), Barbier de Meynard (»Dictionnaire turc-français«, Par. 1881 bis 1886, 2 Bde.), Zenker (»Türkisch-arabisch-persisches Handwörterbuch«, Leipz. 1866–76, 2 Bde.), Samy-Bey (»Dictionnaire turc-français«, Konstantinopel 1885), Mallouf (»Dictionnaire français-turc«, 3. Aufl., Par. 1881); für ihren besondern Zweck wertvoll sind v. Schlechta-Wssehrds »Manuel terminologique français-ottoman« (Wien 1870) und »Dictionnaire français-turc des termes techniques des sciences, des lettres et des arts« von Tinghir und Sinapian (Konstantinopel 1891–96, 2 Bde.); bequeme Handbücher Löbels »Deutsch-türkisches Taschen-Wörterbuch« (3. Aufl., das. 1896). Tewfiks »Türkisch-deutsches Wörterbuch« (Leipz. 1907). Für Reisezwecke dienen Finks »Türkischer Dragoman« (2. Aufl., Leipz. 1879) und Heintzes »Türkischer Sprachführer« (das. 1882). Die besten Chrestomathien sind diejenige von Wickerhauser (Wien 1853) und das »Türkische Lesebuch« von Jacob (Heft 1, Erlang. 1903), für Anfänger recht praktisch die »Chrestomathie ottomane« von Dieterici (Berl. 1854, mit grammatischen Paradigmen und Glossar).
Wie den Islam, haben die Türken auch ihre geistige Bildung durch die Araber und Perser erhalten. Die türkische Literatur bietet uns daher wenig Originelles dar, sie ist vielmehr größtenteils eine Nachahmung arabischer und, wenigstens in der Kunstliteratur, besonders persischer Muster. Eins der ältesten poetischen[813] Denkmäler der osmanischen Sprache ist das »Bâz nâmeh«, ein Gedicht über die Falknerei, das Hammer-Purgstall mit einem neugriechischen und mitteldeutschen von ähnlichem Inhalt zusammen unter dem Titel: »Falknerklee« herausgegeben und übersetzt hat (Pest 1840). Die osmanischen Dichter sind sehr zahlreich; Hammer-Purgstall hat in seiner »Geschichte der osmanischen Dichtkunst« (Pest 1836–38, 4 Bde.) uns allein 2200 (darunter nur 7 Dichterinnen) Dichter mit Proben aus ihren Werken und kurzen biographischen Notizen vorgeführt. Hier können wir nur die hauptsächlichsten hervorheben; die übrigen, deren Produkte sich ganz in ausgetretenen Gleisen bewegen, verdienen auch kaum genannt zu werden. Der erste, der im osmanischen Dialekt dichtete, war Sülemân (gest. 1403), der Verfasser eines berühmten Liedes auf die Geburt des Propheten (»Mewlid-i-nebi«). Das persische romantische Epos führte Schêchi (ca. 1440) bei den Türken ein. Lami'i (s. d.) ist wohl der fruchtbarste unter den osmanischen Dichtern (gest. 1531) und besonders durch seine vier großen epischen Gedichte berühmt. Als größter Lyriker der Osmanen gilt Baki (s. d.), der aber auch fast alle seine Gedanken persischen Dichtern, namentlich Hafis, entlehnt hat. Einigermaßen selbständig ist Fasli, der unter Soliman d. Gr. lebte und 1563 starb. Sein allegorisches Gedicht »Gül u Bülbül« (»Rose und Nachtigall«, deutsch von Hammer-Purgstall, Pest 1834) ist vielleicht unter allen offiziellen türkischen Gedichten europäischem Geschmack am meisten entsprechend. Noch größere Originalität bekunden Mesîhi (gest. 1512), der die Schönen seiner Stadt (aber natürlich nicht Mädchen, sondern Knaben), und Rewâni (gest. 1523/4), der fröhliche Feste ohne allegorischen oder mythischen Nebensinn besingt. Die bedeutendsten Dichter des 17. Jahrh. sind Nef'i (gest. 1635) und Nabi (gest. 1712). Alle spätern sind ohne Bedeutung. Neues Leben haben der erstorbenen Kunstliteratur erst die Jungtürken Mitte des 19. Jahrh. eingeflößt, die, hauptsächlich unter französischem Einfluß stehend, zunächst französische Werke ins Türkische übertrugen, bald aber das türkische Leben selbst zum Vorwurf nahmen. Der Vater dieser türkischen Moderne ist Ibrahîm Schinassi (s. d.), ihr größter lebender Vertreter Mehmed Emîn, der in seinen Dichtungen einfache Herzenstöne anschlägt. (Ausführlicheres über die jungtürkische Bewegung, die in deren Dienst stehenden Zeitschriften etc. s. Artikel »Jungtürken« im 10. Bd.). Die Osmanen selbst haben eine erhebliche Anzahl von Blumenlesen aus ihren Dichtern zusammengestellt. Die größte von ihnen ist »Sübdet-ul-esch'âr« (»Creme der Gedichte«) von Mollah Abd ul Hajj ben Feisullah, genannt Kafsade (gest. 1622), die Auszüge aus 514 Dichtern nebst biographischen Notizen enthält. Auf dem Gebiete der Märchen und Erzählungen sind zu erwähnen: das »Humajun-nâme« (»Kaiserbuch«, vgl. v. Diez, Über Inhalt und Vortrag, Entstehung und Schicksale des Königlichen Buches, Berl. 1811; gedruckt Bulak 1836), eine Übersetzung der persischen Bearbeitung der Fabeln des Bidpai von Ali-i-Wasi; ferner das »Tutinâme« (»Papageienbuch«) des Sary Abdallah, ebenfalls aus dem Persischen (gedruckt Bulak 1838, Konstantinopel 1840; übersetzt von G. Rosen, Leipz. 1858, 2 Bde., und Wickerhauser, Hamb. 1863); die aus dem Arabischen übersetzten Geschichten der vierzig Wesire von Scheichsade (türkisch hrsg. von Belletête, Par. 1812; deutsch von Behrnauer, Leipz. 1851). Zur Volksliteratur gehören vor allem der unter dem Namen »Sîret-i Sejjid Battâl« bekannte Ritterroman (vgl. Fleischer, Kleinere Schriften, Bd. 3, S. 226 ff.; gedruckt Kasan 1888, übersetzt von Ethé, Leipz. 1871, 2 Bde.) und die »Lata'if-i Chodscha Nassreddin Efendi« (»Schwänke des Herrn Meisters Naßr ed Dîn«, des türkischen Eulenspiegel; s. Naßr ed Dîn Hodscha). Türkische Volkslieder veröffentlichte J. Kunos in der »Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes«, Bd. 2 u. 3 (1888–89 und Budapest 1906, türk. u. ungar.); ferner Giese (»Materialien zur Kenntnis des anatolischen Türkisch«, Teil 1, Halle 1907); Volksmärchen J. Kunos (ungar., Budapest 1887 u. Leiden 1905; deutsch in der »Ungarischen Revue«, 1888–89) und Jacob (»Türkische Bibliothek«, Bd. 5, Berl. 1906); ein Volksschauspiel ebenfalls Kunos (»Ortaojunu«, Budapest 1888, türk. u. ungar.); Vorträge türkischer Meddâhs (mimischer Erzählungskünstler) Jacob (Berl. 1904) und Paulus (Erlang. 1905). Vgl. noch Jacob, Türkische Literaturgeschichte in Einzeldarstellungen (Heft 1: »Das türkische Schattentheater«, Berl. 1900) und Die türkische Volksliteratur (das. 1901). Zahlreich und charakteristisch sind die türkischen Sprichwörter, von denen eine beliebte Sammlung Schinassi veranstaltet hat (gedruckt Konstantinopel 1863 u. ö.); eine andre ist von der Wiener orientalischen Akademie herausgegeben worden (»Osmanische Sprichwörter«, Wien 1865, mit deutscher und franz. Übersetzung); »1001 proverbes turcs« übersetzte Decourdemanche (Par. 1878).
Wissenschaftliche Literatur. Für die Geschichte ihres Reiches haben die Osmanen viel Material zusammengetragen, freilich zum Teil in sehr schwülstiger Form. Ihre Reichsannalen beginnen mit dem Ursprung des osmanischen Herrscherhauses und reichen bis in die Gegenwart. Die Verfasser derselben sind: Sa'ad ud Dîn, dessen Annalen bis 1522 reichen (bis Murad I. türkisch u. lateinisch hrsg. von Kollar, Wien 1750); Na'îma Efendi, von 1591–1659(Konstantinopel 1734, 2 Bde.; 1863, 6 Bde.; engl. von Fraser, Bd. 1, Lond. 1832); Râschid, von 1660–1721 (Konstantinopel 1741, 3 Bde.; 1865); Tschelebisâde, von 1721 bis 1728 (das. 1741, Bulak 1832); Sami, Schâkir und Sübhi, von 1730–43 (das. 1785); Izzi, von 1744 bis 1752 (das. 1785); Waßif, von 1752–73 (das. 1805, 2 Bde., und Bulak 1827 u. 1831); Enweri, von 1759–69 (das. 1827); Dschewdet, von 1774–1825 (Konstantinopel 1855–84, 12 Bde.; Bd. 1–8, neue Ausg., das. 1886); Aßim, von 1787–1808 (das. 1867, 2 Bde.); Lutfi, von 1832 an (das. 1873–87). Eine Art Zusammenfassung und Ergänzung zu den Reichsannalen bildet die große »Geschichte der osmanischen Dynastie« von Cheirullah Efendi (Konstantinopel 1853–69, 15 Bde.; Bd. 1–10 in neuer Ausg., das. 1872). Ein großer Teil des in diesen Reichsannalen niedergelegten historischen Materials ist von Hammer-Purgstall in seiner »Geschichte des osmanischen Reichs« verarbeitet worden; daneben fehlt es nicht an zahlreichen Einzelschriften, wie des bedeutenden Kemâlpaschasâde (gest. 1534) »Geschichte des Feldzugs von Mohácz« (türk. u. franz. von Pavet de Courteille, Par. 1859). Die neuern türkischen Geschichtschreiber hat v. Schlechta-Wssehrd (»Die osmanischen Geschichtschreiber der neuern Zeit«, Wien 1856) behandelt. Als einer der gelehrtesten Historiker und Geographen der Türken ist noch Hadschi Chalfa (s. d.) zu erwähnen. Von geographischen Werken andrer erwähnen wir die Reisen in Europa, Asien und Afrika des Evlia Efendi (Ende des 17. Jahrh., von Hammer-Purgstall ins Englische übersetzt, Lond. 1834–50, 2 Bde.), des [814] Mohammed Efendi (hrsg. von Jaubert, Par. 1841), das »Meerbuch« des Piri Reïs (vom Jahre 1523/4) und eine geographische Beschreibung Rumeliens und Bosniens von Mußtafa ben Abdallah, die Hammer-Purgstall (Wien 1812) übersetzt hat. Auf dem Gebiete der Sprach wissen schaft, wie aller eigentlichen Wissenschaften, dienen den Türken die Araber zum Vorbild. Eine brauchbare Grammatik ihrer eignen Sprache haben Mohammed Fuad Efendi und Ahmed Dschewdet Efendi geliefert: »Kawâ'id-i osmânijje« (»Grundregeln der osmanischen Sprache«, Konstantinopel 1851 u. 1859), von H. Kellgren (Helsingf. 1855) ins Deutsche übersetzt. Auf dem Gebiete der Lexikographie haben die Türken ihre eigne Sprache vernachlässigt, desto eifriger aber das Arabische, das bei ihnen die Gelehrtensprache ist, und das Persische bearbeitet. Zu nennen sind hier: Wânkulis Übersetzung des arabischen Wörterbuchs von Dschauhari (3. Aufl., Konstantinopel 1802, 2. Bde.); Aßim Efendis Übersetzung des arabischen Wörterbuchs »Kamus« (das. 1814–17, 3 Bde.; 1856, 3 Bde.; Bulak 1835, 3 Bde.), mit vielen gehaltvollen Zusätzen; Ahmed Emin Efendis Übersetzung des persischen Wörterbuchs »Burhân-i-kati'« (Konstantinopel 1799. Kairo 1836). Das zu Konstantinopel 1742 in 2 Bänden erschienene persisch-türkische Wörterbuch »Ferheng-i Schu'uri« ist durch seine zahlreichen Zitate aus persischen Dichtern besonders wichtig. Es existieren ferner eine Reihe sachlicher und grammatischer Kommentare zu den beliebtesten persischen Dichterwerken, wie die Kommentare des Sudi zu Saadis »Gulistan« (Konstantinopel 1833) und zu den Gedichten des Hafis (Kairo 1834,3. Bde.; zum Teil von H. Brockhaus seiner Ausgabe der Gedichte des Hafis, Leipz. 1854–61, neue Ausg. 1863, beigefügt), des Ismael Hakki zu dem »Pendnâme« des Ferîd ud Dîn Attâr (Konstantinopel 1834) und zu dem »Mesnewi« des Dschelal ud Dîn Rumi (das. 1836, 6 Bde.). Die Medizin ist in neuerer Zeit durch außerordentlich zahlreiche Schriften vertreten, die zeigen, daß die türkischen Ärzte mehr und mehr den Forschungen ihrer westlichen Kollegen Rechnung zu tragen bemüht sind. Die eigentliche türkische Rechtswissenschaft ruht auf der festen Grundlage des Korans und der Sunna. An den türkischen Akademien wird sie neben der Theologie des Islams am meisten kultiviert. Viele juristische Werke sind auch bereits durch den Druck veröffentlicht, soz. B. große Sammlungen der sogen. Fetwas, Rechtsgutachten in schwierigen Fällen, der sogen. Sakks (Urkunden oder Formulare für alle möglichen Fälle der Gerichtsordnung), das Strafgesetzbuch etc. In neuerer Zeit haben die Berührungen mit dem Abendland eine von der islamitischen Tradition unabhängige Nebengesetzgebung erzwungen, die mehr und mehr auf das Gebiet des echten islamitischen Rechtes übergreift, wenn sie auch zunächst auf die Erfordernisse des internationalen Verkehrs (Handelsgesetzbuch, Zollreglements u. dgl.; Verträge aller Art; Verfassungsurkunden und sonstige diplomatische Aktenstücke) zugeschnitten ist. Mit der juristischen Literatur steht auch bei den Türken die religiös-dogmatische in enger Verbindung; doch wird für dieses Gebiet die arabische Sprache dermaßen bevorzugt, daß sich in türkischer nur populäre, zum Teil katechismusartige Schriften geringern Wertes finden. Sehr beliebt ist von diesen der Abriß der Glaubenslehre von Mohammed ben Pir Ali el Birgewi (Konstant. 1802 u. ö.; franz. von Garcin de Tassy, Par. 1822; neue Ausg. 1828); erwähnenswert auch der mystische Traktat »Die Erfreuung dec Geister« von Omar ben Suleiman (hrsg. und übersetzt von L. Krehl, Leipz. 1848). Die Bibel ist mehrere Male ins Türkische übersetzt worden, so das Neue Testament von Redhouse (Lond. 1857, Bibelgesellschaft) und Schauffler (Konst. 1866), Teile des Alten Testaments von Schauffler (5 Bücher Mosis, Wien 1877; Jesaia, das. 1876; Psalmen, Konst. 1868). Eine vollständige türkische Bibel erschien Paris 1827 (für die englische Bibelgesellschaft).
Vgl. Hammer-Purgstalls Darstellung der türkischen Literatur im 3. Band von Eichhorns »Geschichte der Literatur« (Götting. 1810–12), für die Prosa auch die betreffenden Abschnitte in desselben »Geschichte des osmanischen Reiches« (2. Aufl., neue Ausg., Pest 1840, 4 Bde.); Dora d'Istria, La poésie des Ottomans (Par. 1877); Redhouse, On the history, system and varieties of Turkish poetry (Lond. 1879); Gibb, Ottoman poems (in engl. Übersetzung, das. 1882) und besonders dessen History of Ottoman poetry (das. 1900–05, 4 Bde.; Bd. 2–4 hrsg. von Browne), sowie Horn, Geschichte der türkischen Moderne, im 4. Bd. des Sammelwerks »Die Literaturen des Ostens« (Leipz. 1902). Eine den jetzigen Ansprüchen genügende Darstellung der ganzen türkischen Literatur fehlt immer noch (vgl. indes den Artikel von Gibb und Fyffe in der »Encyclopaedia Britannica«, 9. Ausg., Bd. 23); zum Ersatz muß man sich an die Kataloge der größern Handschriftensammlungen halten (besonders Pertsch, Die türkischen Handschriften der Bibliothek zu Gotha, Wien 1864, und Die türkischen Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin, Berl. 1889; Flügel, Die arabischen, persischen und türkischen Handschriften der Hofbibliothek zu Wien, das. 1865–67, 3 Bde.; Ri en, The Turkish manuscripts in the British Museum, Lond. 1888). Über die in den letzten 60 Jahren in Konstantinopel selbst gedruckten Bücher haben berichtet Hammer-Purgstall und Schlechta-Wssehrd in den »Sitzungsberichten der Wiener Akademie« seit 1849, Bianchi, Belin und Huart im »Journal asiatique« seit 1843; s. das Einzelverzeichnis bei A. Müller, Türkische Grammatik (Berl. 1889, S. 43* f.).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 813-815. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007616201
Brockhaus 1911
[877] Türkische Sprache und Literatur. Die türk.-tatar. Sprachfamilie des uralaltaischen Sprachstammes zerfällt in folgende lebende Dialektgruppen: 1) östl. Dialekte, die Sprachen der Karagassen, Abakan-Tataren, Altai-Tataren, Sojonen, Barabinzen; 2) mittelasiat. Dialekte, die Sprachen der Sart und Usbeken, der Chanate Kokan, Taschkent, Buchara und Chiwa, der Tarantschi des Ilitals, der Bewohner Ostturkestans und der Oase von Chami; 3) westl. Dialekte, die Sprachen der sibir. oder Irtisch-Tataren, der Steppen-Tataren (Kirgisen, Kara-Kirgisen, Karakalpaken, Nogaier) und der Tataren des Europ. Rußlands; 4) südl. Dialekte, die Sprachen der Turkmenen, der Aserbeidschaner, der Osmanen. Eine gesonderte Stellung nehmen ein die Sprachen der Jakuten (s.d.) und der Tschuwaschen (s.d.). An Schriftsprachen entwickelte sich das sog. Osttürkisch oder die tschagataische Schriftsprache für alle mittelasiat. und westl. Türkdialekte, die osman. Schriftsprache im Osman. Reiche und die Aserbeidschanische Schriftsprache im Kaukasus und Persien. – Vgl. Radloff, »Vergleichende Grammatik der nördl. Türksprachen«, Bd. 1 (1882); ders. »Versuch eines Wörterbuchs der Türkdialekte« (1888 fg.); ders., »Proben der Volksliteratur der türk. Stämme Südsibiriens« (8 Bde., 1866-99). – Grammatiken des Osmanischen von Fink (2. Aufl. 1879), Jehlitschka (1895), Wörterbuch von Zenker (2 Bde., 1863-76), Redhouse (Konstant. 1890). – Die türk. (osman.) Literatur hatte ihre Blütezeit unter Suleiman II. und unmittelbar nachher (15. und 16. Jahrh.). Besonders reich ist sie an Übersetzungen aus dem Persischen und Arabischen, an romantischen Volks- und Märchenbüchern; sehr alt ist das Marionetten- oder Schattenspieltheater (mit dem Hanswurst Karagöz). Die türk. Historiker sind nur als Quellwerke wichtig; der bedeutendste ist Hâdschi-Chalfa (s.d.). Am meisten haben die Türken in der arab. und pers. Lexikographie und Kommentarliteratur geleistet. – Ältere Literaturgeschichten von Hammer-Purgstall (1836-38), Dora d'Istria (2. Aufl. 1877); neuere G. Jacob, »Türk. Literaturgeschichte in Einzeldarstellungen« (Heft 1, 1900); ders. »Türk. Volksliteratur« (1901); ders., »Türk. Lesebuch« (1903), Horn, »Geschichte der türk. Moderne« (1902).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 877. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001637975
Herders 1857
[532] Türkische Sprache und Literatur. Die türk. Sprache gehört zur tatar. Sprachfamilie und zerfällt in das Uigurisch-Dschagataische,[532] das Kaptschak und Jakutische, als das östl. Türkisch, u. in das Osmanische. Beide haben einen einfachen u. regelmäßigen Bau, sind aber arm an Worten, dagegen haben die Osmanen sehr viele aus dem Arabischen und Persischen aufgenommen; arabisch sind fast alle Worte, die sich auf Religion u. Recht d.h. den Koran beziehen, persisch die Ausdrücke für die Formen des gesellschaftlichen Lebens, des Staats, der Poesie. Die Schrift ist die Arabische, sehr mannigfaltig geformt für verschiedene Zwecke. Die Literatur ist reich, namentlich an religiösen Werken, am originellsten jedoch im Rechtswesen; man hat mehre Gesetzessammlungen, von denen die Türken die des Wassaf Abdallah Effendi, gest. 1700, besonders schätzen. Die meisten andern literar. Arbeiten sind Uebersetzungen aus dem Persischen u. Arabischen. Die Dichter sind zahlreich, lehnen sich aber an die pers. an (der Epiker Lami, die Lyriker Fasli und Baki sind die berühmtesten). Laut Hammer sind die türk. Geschichtschreiber weniger servil als man erwarten sollte; man hat Annalen vom Anfange des Reichs bis in das 18. Jahrh.; von den einzelnen Historikern errang Hatschi Khalfa den berühmtesten Namen. Die Geschichte der Osmanen, ihre politische wie literarische, kennen wir hauptsächlich durch Hammer-Purgstall (s. d., st. 1856); Grammatiken haben wir von Jaubert, Davids, Redhouse, Wörterbücher von Kieffer, Meninski und Bianchi.
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 532-533. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003550001