Ukraine

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Meyers 1909

[877] Ukraine (»Grenzgebiet«), das südöstliche Grenzland des alten polnischen Reiches, später der ausgedehnte Landstrich an beiden Ufern des mittlern Dnjepr mit dem Sitz der Kosaken, der den größten Teil Kleinrußlands (s. d.) ausmacht. Durch den Vertrag von Andrussow 1667 und den Frieden zu Moskau von 1686 trat Polen den östlich vom Dnjepr gelegenen Teil (die sogen. russische U.) an Rußland ab, während der westliche (die polnische U.) erst 1793 durch die zweite Teilung Polens an Rußland kam. Die vom Donez durchströmte slobodische U., in die während der polnischen Herrschaft viele Kleinrussen geflüchtet waren, bildet jetzt das Gouv. Charkow. Über die ukrainische Sprache und Literatur s. Kleinrussische Sprache und Literatur.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 877. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007622503


Brockhaus 1809

[266] Die Ukraine – den Namen hat sie als ehemahlige Grenze von der Russischen ersten Benennung, Ukraiju, (Grenzort) erhalten – eine Provinz im südwestlichen Theile des Europäischen Rußlands, die auch den Namen Klein-Rußland – sie ist so groß, als das alte Rußland vor der Besitznahme von Sibirien, Astrakan und den Asiatischen Besitzungen – führt. Sie gehörte ehedem zu Pohlen; allein bei der ersten Theilung dieses Königreichs (1772) wurde sie an Rußland abgetreten. Die Fruchtbarkeit dieses Landes ist so groß, daß der Boden, ohne gedüngt zu werden, alle Arten von Feld- und Gartenfruchten – worunter besonders die Arbuchen und Melonen gehören – in großem Ueberfluß hervorbringt. Auch die Viehzucht ist in vortrefflichem Stande; und besonders giebt es hier eine schöne Race von Pferden, die einen beträchtlichen Verkehr mit dem Auslande veranlassen. Eben so bekannt sind auch die Ukrainischen schwarzen Schaffelle (gewöhnlich Ukrainer genannt), welche kleine grause und glänzende Locken haben; besonders auch die ganz kleinlockigen und feinern, Baranchen genannt, welche, wie man vorgiebt, von noch ungebornen und aus Mutterleibe geschnittenen Lämmern herrühren. Die Flüsse sind sehr fischreich (ein diesem Lande eigenthümlicher Fisch, Wyresub, in dessen Kopfe eine knorpliche Materie in der Figur eines Pflaumensteins gefunden wird, welche, wenn man sie in Oehl legt, bernsteinartig und durchsichtig wird, stirbt sogleich, wenn man ihn in einen Teich setzt); von Lerchen, Wachteln, Feldhühnern etc. wimmeln die Felder. – Die Einwohner dieser Provinz, größten Theils Kosaken (s. d. Art.) und von schönem Körperbau, genießen noch, zu Folge ihrer vormahligen Verfassung, große Freiheiten und Privilegien: sie lieben den Trunk, doch nicht in dem Grade, wie der Russe; auch haben sie berühmte Frucht-Liqueurs (Naliski). – Tanz und Gesang ist ihre Hauptleidenschaft.

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 266. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000077815X


Damen Conversations Lexikon 1841

[253] Ukraine, bis auf Peter den Großen der Zankapfel zwischen Rußland und Polen, hieß früher die Landschaft in Südrußland, zu beiden Seiten des Dniepers, welche die jetzigen Gouvernements Podolien, Kiew, Pultawa und Slobods umfaßt und von den Kosaken bewohnt wird. Der Dnieper ist ein Ganges der altpolnischen Volkspoesie. Für alles hatten die alten Ukrainer ein Lied, für jede frohe Empfindung einen Freudenton, für jeden Schmerz einen Klagelaut. Aber das rege Wesen des Steppenlebens mochte zugleich auf den ukrainischen Gesang früh eine gewisse Wehmuth hauchen, die vielleicht ursprünglich vom Gefühl der Verlassenheit herrührte, und mit der Zeit zur Volksstimmung und zum Grundton aller polnischen Lieder wurde. Was dem Araber der orientalische Himmel, die Sandwüste, das Kameel, die Oase und die Quelle sind, das sind noch jetzt dem Ukrainer seine Steppen und Weiden, seine Fluren und Flüsse, sein Pferd und die Hütte des Liebchens auf der fernen Flur. Jenen und diesen begeistert das Weite der Natur, und zum Bedürfniß wird der Gesang, indem die Seele zerfließt und sich wieder findet. Noch heut zu Tage findet man hier, wie in Podolien, die Troubadours der Slaven, die Teorbanisten, so genannt von dem Saitenspiel Teorban. Zu gewissen Zeiten wandern sie von Dorf zu Dorf; meist sind sie auch sehr gewandte Tänzer, und tanzen singend und schlagend den Teorban zur Belustigung des Edelhofes. Ein anderer poetischer Zauber der U liegt in ihren uralten Erinnerungen der Mongolenkriege. Zahlreiche bemooste Steine bergen[253] an den Kreuzwegen halbverborgene Sagen aus jenen blutigen Jahrhunderten, und düstere Schlachthügel (Mogita) ragen an den Wegen hervor und rufen das gräßliche Andenken der Tamerlane zurück. –i–

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 253-254. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001773305


Brockhaus 1841

[511] Ukraine, was so viel als Grenzland bedeutet, hieß früher ein Gebiet im jetzigen Südrußland, welches die an beiden Ufern des Dniepr liegenden, besonders durch Vieh- und Pferdezucht ausgezeichneten Gouvernements Podolien (s.d.), Slobods-Ukraine, Kiew, Pultawa und Tschernigow (s. Rußland) ganz oder theilweise bildet und lange Zeit zu Streitigkeiten und Krieg zwischen Rußland, Polen und der Türkei Veranlassung gab. Kosacken bilden einen Theil der Bevölkerung dieser, auf 3100 ! M. mit 6 Mill. Einw. angenommenen Landschaft, von welcher der östl. vom Dniepr gelegene Theil 1667 von Polen an Rußland abgetreten und seitdem russische Ukraine genannt wurde. Der am westl. Ufer bekam dagegen den Namen der polnischen Ukraine, begriff die ehemaligen Woiwodschaften Kiew und Brailaw, fiel aber bei der zweiten Theilung von Polen 1793 ebenfalls Rußland zu.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 511-512. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000872318


Pierer 1864

[135] Ukraïne (russisch Ukraina, d.i. Grenzland, weil es lange die Grenze zwischen Rußland u. der Türkei ausmachte),

1) Landschaft in Südrußland zu beiden Seiten des Dnjeprs, umfaßt Nieder Polhynien, Kiew, Wraclaw u. Nieder-Podolien; getheilt in die Gouvernements Podolien, Kiew, Pultawa u. Slowods-U. Wichtige Städte: Braclaw, Charkow, Tscherkask, Pultawa u. Kiew; letztere gilt gewöhnlich für M Hauptstadt. Die U. erstreckt sich von Südwest nach Nordost, etwa 70 Meilen weit, von Norden nach Süden 20–30 Meilen weit; ist fruchtbar, u. jetzt ziemlich angebaut, hat viel Weide, auf welcher aber oft das Gras so hoch wächst, daß Menschen u. Vieh sich in ihm verbergen können. Die Bevölkerung ist nicht schwach, könnte aber weit bedeutender sein; Schuld daran sind die Kriege zwischen Russen, Polen u. Türken, vom 16. bis in die Mitte des 18. Jahrh. Ein Theil der U. G wurde 1673 unter dem König Michael von Polen durch den Kronfeldherrn Sobieski, mittelst Vertrags von Buczacz, an die Türkei abgetreten u. erst im Frieden von Karlowitz wieder gewonnen. Es ist das Land der Kosacken, welche hier theilweise ihre Wohnsitze haben. Vgl. Beauplan, Description de l'Ukraine, Par. 1860; Engel, Geschichte der U. u. der Ukrainischen Kosacken, Halle 1796.

2) Im engeren Sinne die ehemals polnischen Woiwodschaften Kiew u. Vraclaw;

3) sonst auch das Land nach Nordwesten hin bis nach Ungarn hinein, wie denn die Unghwarer Gespanschaft die Niederukraine hieß. Vgl. Slowods-Ukraine.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 135. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2001116994X