Jüdische Literatur

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1. Literatur des Judentums / von Juden über jüdische Themen geschriebene Werke. Dazu gehören die Bibel und rabbinische Texte ebenso wie philosophische oder poetische Werke, ob religiös oder weltlich.

2. Literatur in einer der jüdischen Sprachen (Hebräisch, Jiddisch, Ladino u.a.).

3. Von jüdischen Autoren in beliebigen Sprachen verfaßte Literatur, die gleichzeitig zur Literatur des Heimatlands oder Sprachraums gehören (wie der jüdische Minnesänger Süßkind von Trimberg, Moses Mendelsohn, Heinrich Heine und Franz Kafka oder die Jüdisch-Amerikanische Literatur).

Literatur

Ezra Spicehandler: Jüdische Literatur: Prosa. – T. Carmi: Lyrik. In: Die jüdische Welt. Offenbarung, Prophetie und Geschichte. Hrsg. Elie Kedourie. Deutsche Bearbeitung Karl Erich Grözinger. Orbis Verlag (zu Random House, München). Originalausgabe The Jewish World, London, Thames and Hudson, 1979. Deutsche Ausgabe zuerst S. Fischer 1980.


Meyers 1907

[344] Jüdische Literatur, im weitern Sinne das gesamte Schrifttum der Juden vom Abschluß der Bibel bis zur Gegenwart. Sie wurzelt in der hebräischen Literatur, deren Pflege und Weiterbildung sie übernimmt. Zu der überkommenen eignen Gelehrsamkeit tritt in allen Ländern noch fremdes Wissen, soz. B. persische Religionsbegriffe, griechische Philosophie, römisches Recht, arabische Dichtkunst, mittelalterliche Scholastik und europäische Wissenschaft. Kein Wissensgebiet der Forschung bleibt unvertreten. Dichtkunst und Philosophie, Geschichte und Jurisprudenz, Grammatik und Exegese, Mathematik und Naturwissenschaft zieht sie in den Bereich ihres Forschens und Schaffens. Alles aber dient nur einem Zwecke, das Judentum zu erforschen und zu begründen, woneben aber auch rein wissenschaftliche und weltliche Fragen, wie z. B. Astronomie und Politik, aber stets im Zusammenhang mit der Religion, erörtert werden. Die Werke der jüdischen Literatur sind in den verschiedensten Sprachen abgefaßt. Schon im Altertum schrieb man neben dem bis in die Gegenwart gepflegten Neuhebräisch in aramäischer und griechischer, dann in arabischer und lateinischer Sprache und später in allen Sprachen der Kulturvölker.

Da die in der jüdischen Literatur behandelten Disziplinen sich nicht scharf umgrenzen lassen, so ist sie hier chronologisch in folgende Abschnitte eingeteilt worden.


Erster bis dritter Abschnitt (alte Zeit).

Der erste Abschnitt reicht von Esra (s. d.) bis R. Jochanan ben Sakkai (s. d.). An die Tätigkeit des Schriftkundigen (Sofer) Esra, der die Heilige Schrift »abschrieb und erläuterte«, die Liturgie mit Vorlesungen ausschmückte und wahrscheinlich statt der althebräischen (samaritanischen) Schriftcharaktere die noch heute gebräuchliche Quadratschrift einführte, schloß sich eine aus 120 Gelehrten (Soferim) bestehende große Versammlung an. Diese Soferim[344] lehrten und schützten das Gesetz, sammelten die biblischen Bücher, schufen den Grundstock der Gebetordnung und führten eine eigenartige Schriftdeutung (Midrasch, s. d.) ein. Das Hebräische blieb vorläufig die Sprache der Gelehrten, während das Volk Aramäisch und seit dem Eindringen der griechischen Kultur in den Orient Griechisch sprach. Aus der vormakkabäischen Zeit sind nur einige in Palästina verfaßte apokryphische Bücher (s. Apokryphen) bekannt. Die Präsidenten des Synedrions (s. d.) wurden die Träger der Gesetzesüberlieferung. Doch schon mit dem Tode seiner ersten Präsidenten hörten aus politischen Rücksichten die öffentlichen Lehrvorträge auf, nicht aber das Studium, das weitere Kreise pflegten. Im Widerstreit der religiösen Parteiungen (Pharisäer und Sadduzäer) erstarkte durch Pharisäismus das tradierte Gesetz, für dessen Auslegung Hillel sieben feste Regeln aufgestellt hatte. Am Schluß dieses Zeitraums nahm die Deutung und praktische Anwendung des Gesetzes festere Formen an. Die Halacha (s. d.) normierte die gesetzlichen Bestimmungen, und die Haggada (s. d.) erweiterte in freien Vorträgen den nichtgesetzlichen Teil der Bibel nach erbaulichen ethischen, geschichtlichen und sozusagen wissenschaftlichen Motiven. Zu den Pentateuchvorlesungen in der Synagoge kamen der Vortrag des prophetischen Schlußabschnittes (Haftara, s. d.), belehrende Vorträge und die Übersetzung, resp. Paraphrase des Bibeltextes (Targum, s. d.).

Der zweite Abschnitt führt uns die jüdisch-hellenistische Literatur vor, die von der mächtigen, seit Alexanders d. Gr. Siegeszügen entstandenen Kulturströmung gekennzeichnet wird, meist einen apologetischen Charakter trägt, ältere historische Stoffe poetisch bearbeitet und das Judentum philosophisch zu begründen sucht. Ihr Schauplatz ist hauptsächlich Ägypten, besonders Alexandria, zum geringen Teil auch Palästina. Der Septuaginta (s. d.) wurden die Apokryphen (s. d.), von denen mehrere Teile in Palästina, wo auch später die Pseudepigraphen zum Alten Testament, wie unter andern der Aristeasbrief, das Buch der Jubiläen, das Buch Henoch, entstanden, geschrieben sind, einverleibt. Was nicht Aufnahme fand, ist nur noch in Fragmenten vorhanden und aus Zitaten bei den Kirchenvätern bekannt. Aristobulos aus Paneas schrieb für den König Philometor (181–146) eine philosophische »Erläuterung der Gesetze«, Eupolemos, Artapan, Demetrios, Aristäos, Kleodemos und Malchos verquicken althebräische Sage und Geschichte mit griechischer Mythologie; Ezechiel dichtete ein Trauerspiel: »Der Auszug aus Ägypten«, und Philo der ältere ein Gedicht: »Jerusalem«. Den bedeutendsten Vertreter hat der jüdische Alexandrinismus an dem sprachgewandten, scharfsinnigen Philosophen Philon (s. d. 4). In griechischer Sprache sind auch die Schriften des Josephus (s. d.) und die »sibyllinischen Weissagungen«, die ältern heidnischen Autoren jüdische Weisheit in den Mund legen, abgefaßt.

Der dritte Abschnitt umfaßt die Literatur des Talmud. R. Jochanan ben Sakkai (s. d.) eröffnet nach dem Untergang des jüdischen Staates die Reihe derjenigen Gelehrten, welche die geistigen Besitztümer zu retten und dadurch Juden und Judentum zu erhalten suchen. Das Synedrion, das er mit Erlaubnis Vespasians von Jerusalem nach Jamnia verlegt hatte, zeigte dem Gesetzstudium die neue Richtung. Der neben der Bibel aufgespeicherte mündlich überlieferte gesetzliche Stoff ward von Autoritäten, den Tannaïm (Mischnalehrer), gesammelt, durchforscht und gesichtet, wie von Elieser ben Hyrkanos, später Lehrhausvorsteher in Lydda, Josua ben Chananja, der sein Lehrhaus in Bekiin hatte, Josua Hakohen, Simon ben Netanael und Elasar ben Arach. R. Jochanas Nachfolger in Jamnia, R. Gamaliel II., regte vermutlich die Bibelübersetzung Aquilas, eines jüdischen Proselyten aus Pontos, an. Der bedeutendste in der Reihe der Tannaïm war der tiefgelehrte, schöpferische R. Akiba. Seine gesetzlichen Forschungen wurden grundlegend für die Mischna (s. d.). Damals lehrten Tarfon oder Tryphon in Jamnia und Lydda, Ismael, der 13 Auslegungsregeln der Halacha einführte und zu dem spätern halachischen Midrasch zum 2. Buch Mosis, der Mechilta, anregte, Elasar aus Modim u. v. a. Den Gelehrten, die unter Hadrian den Märtyrertod erlitten, folgten Meir, Juda ben Ilai, aus dessen Schule der halachische Midrasch zum 3. Buch Mosis (Sifra) hervorging, Simon ben Jochai (s. d.), der die Grundlage zu dem halachischen Midrasch zum 4. und 5. Buch Mosis (Sifre) gab, Jose ben Chalafta, dem man eine biblische Chronologie, »Seder olam«, zuschreibt, und Elasar ben Schammua. Die endgültige Sichtung und Feststellung der Halacha unternahm zwischen 190 und 220 n. Chr. der Patriarch Juda, Sohn Simons III. Seine Arbeit, die heute als sechsteilige Mischna (s. Talmud) vorliegt, verdrängte die frühern Sammlungen und gelangte zu unbedingter Autorität, gegen welche spätere Kompendien, wie die Tossifta (Zusätze) und Boraita (äußere Mischna), nicht aufkamen. Die Mischna ward den Verhandlungen in den Hochschulen Palästinas zugrunde gelegt. Ihre Erklärer nannte man Amoräer. Ihre Forschungen sind im 4. Jahrh. in der »Gemara« (d. h. vollständige Erklärung) vereinigt. So entstand aus Mischna und Gemara der jerusalemische oder palästinensische Talmud. In Palästina brachte auch um 360 n. Chr. Hillel II. die Kalenderbestimmung in feste, noch heute geltende Regeln.

Reger als in Palästina entwickelte sich das Geistesleben in den Euphratländern. Hier versammelten die tiefgelehrten Abba Arecha (gest. 243 n. Chr.), gewöhnlich Rab (Lehrer) genannt, der die Kenntnis der Mischna in Palästina erworben hatte, und Samuel zahlreiche Schüler um sich, mit denen das Gesetzstudium so eifrig gepflegt wurde, daß die babylonischen Hochschulen diejenigen Palästinas bald überflügelten. Das Anwachsen des Lehrstoffs und Verfolgungen unter Jesdegerd II. (439–457) und seinem Nachfolger Firuz zwangen zur Sammlung und Redaktion des aufgehäuften gesetzlichen Materials, die Rab Aschi (375–427) begann und andre Amoräer, besonders Rabina, Schulhaupt in Sura (473–499), fortsetzten und vollendeten. So entstand der babylonische Talmud (s. d.), jene Riesenarbeit, die für alle Folgezeit die vorzüglichste Religionsquelle des Judentums blieb. Die angestrengte Schaffenskraft erlahmte und ruhte mehrere Jahrhunderte, bis sie unter den Geonim (s. unten) neu auslebt. Die von 500–600 tätigen Schulvorsteher, »Saboräer« (Dezisoren), leiden unter politischem Druck und können zu dem Überlieferten nur Zusätze machen; der Talmud ist in heutiger Gestalt uns von ihnen überliefert worden. Nachzügler dieser Zeit sind einzelne Halacha- und Hagaddasammlungen, auch ward die von den Soferim und Talmudisten begonnene Regelung des Gottesdienstes durch Gebete in reiner hebräischer Sprache fortgesetzt, das Vokal- und Akzentuationssystem[345] für den Bibeltext geschaffen und die Grundlage zur Massora (s. d.) gelegt.

Vierter Abschnitt (8.–15. Jahrhundert).

Im vierten Abschnitt, der sich vom Beginn der arabischen Wissenschaft bis zur Vertreibung der Juden aus der Pyrenäischen Halbinsel, also vom 8. Jahrh. bis 1498, erstreckt, nehmen die Juden an dem unter den Arabern neu erwachenden, eifrig gepflegten wissenschaftlichen Leben hervorragenden Anteil. Vorderasien, Nordafrika, Spanien, Italien und Deutschland sind hauptsächlich der Schauplatz der neuen gesteigerten Kulturentfaltung; die Sprache der Gelehrten ist teils die arabische, teils die neuhebräische. Von Babylonien und Irak aus folgte die jüdische Bildung den Zügen der Araber nach Nordafrika (Ägypten, Kyrene, Fes), Spanien und dem südlichen Frankreich. Schon zuvor hatte sie sich von Palästina aus über Kleinasien, Griechenland, Italien (Bari, Otranto) nach Frankreich und Deutschland (Mainz) verbreitet, während sie im Orient die letzten Blüten trieb. Denn noch einmal erhob sich Babylon durch seine gefeierten Schulhäupter, die den Titel Gaon (s. d.) führen, zu Sura und Pumbedita in der Mitte des 8. Jahrh. und sicherte sich bis in die Mitte des 11. Jahrh. die geistige Herrschaft. Die Tätigkeit der Schuloberhäupter Jehudai der Blinde (um 760), Simon aus Kairo, Achai, Amram (869–881), Verfasser einer weitverbreiteten Gebetordnung (»Siddur R. Amram«), Zemach ben Paltoi (»Talmud-Lexikon«), Nachschon, Saadja ben Joseph (892 bis 942, s. Saadja Gaon), Scherira, Hai, Samuel ben Chofni (gest. 1034) bestand vorwiegend in Erläuterung des Talmud, Erteilung von Gutachten oft bis nach Spanien und Frankreich hin und der Abfassung von Monographien über Gegenstände der Praxis, z. T. in arabischer Sprache.

In Kyrene (Kairowan) hatte um die Mitte des 10. Jahrh. die j. L. in dem philosophisch gebildeten Arzt Isak Israeli einen hervorragenden Vertreter, wie dessen arabisch geschriebene Werke über Medizin und Philosophie bezeugen. Chananel ben Chuschiel kommentierte talmudische Traktate und den Pentateuch, der blinde Chefez ben Jazliach schrieb in arabischer Sprache das Buch der Gebote (»Sefer mizwot«), Nissim, Sohn des Jakob ben Nissim, des Erklärers des Buches Jezira, einen »Mafteach« (Schlüssel) zum babylonischen Talmud u. a. Das Studium der hebräischen Sprache suchten um 950 Juda ibn Koraisch aus Tahart durch Vergleichung verwandter Dialekte und Dunasch ben Labrat (Adonim) durch scharfe Polemik gegen Saadja zu fördern. Über die diesem Zeitraum zuzuweisende Entwickelung der Haggada s. Midrasch; über die Geheimlehre s. Kabbala; über die Literatur der Karäer s. Karäer. Im Anschluß an die bereits feststehenden, zur Zeit der Geonim verfaßten Gebetordnungen (Siddurim) begann nun auch mit Anwendung des Metrums und Reimes die synagogale poetanische (s. Paitan) Dichtung, als deren bahnbrechender Vertreter Elasar Kalir (um 800) zu nennen ist, sich zu entwickeln.

Vom 10. Jahrh. an erschließt sich in Spanien im Wetteifer mit den wissenschaftlichen Leistungen der Araber die Blütezeit der jüdischen Literatur. Der Beamte der Kalifen Abd er Rahmân III. und Alhakim II., der Arzt und Philolog Chisdai ben Isak (950) in Cordoba, begeisterte seine Glaubensgenossen für Wissen und Poesie. Selbst wissenschaftlich tätig, lieh er gelehrter Arbeit seine Unterstützung. Er berief Menachem ben Saruk, Verfasser des ersten hebräischen Wörterbuches in hebräischer Sprache (»Machberet«), von Tortosa nach Cordoba. Für die Bibliothek Alhakims übersetzte Joseph ibn Abitur, auch als synagogaler Dichter bekannt, die Mischna ins Arabische. Im 11. Jahrh. förderten Juda ibn Chajug, der Vater der hebräischen Grammatik, der Entdecker des Dreiwurzelbuchstabensystems, und Jona ibn Gannach (Abulwalid Merwan), Verfasser einer hebräischen Grammatik und eines Lexikons, das Sprachstudium. Der jüdische Minister von Granada, Samuel Hanagid (1027–55), war für Grammatik und Exegese tätig, schrieb Lehrgedichte und eine Einleitung in den Talmud. Während noch Samuel den Spuren althebräischer Dichter folgt, tritt Salomo ibn Gabirol, der tiefe Denker, als selbstschöpferischer Dichter auf (s. Avicebron), und wie er auf dem Grunde des Neuplatonismus philosophiert, so hat sein Zeitgenosse Bachja ibn Bakoda in arabischer Sprache eine leichtverständliche Moralphilosophie: »Chobot ha-lebabot« (Herzenspflichten), geschrieben. Auch das Talmudstudium nahm einen Aufschwung durch fünf Gelehrte, namens Isak, von denen Isak ben Jakob Alfasi (aus Fes, geb. 1013, gest. 1103 in Lucena) durch sein Talmudkompendium, »Alfasi« oder »Rif« genannt, am bekanntesten ist. Der von 1065–1136 lebende Polizeimeister Abraham bar Chija aus Barcelona zeigte in einem großen Werk über Mathematik und Astronomie bedeutendes Wissen. Seine Zeitgenossen waren die Talmudisten Juda ben Barsillai, Joseph ibn Migasch und Joseph ibn Zaddik (gest. 1049). Das Lied, das Gabirol angestimmt, verhallte nicht mit dem Tode des Meisters, auch Moses ibn Esra (gest. 1138) schuf neue Poesien, bis Juda ha-Levi (s. d.) die Krone religiösen Gesanges erwarb. Der kühne Forscher und scharfsinnige Kritiker Abraham ibn Esra (s. Ibn Esra) bleibt in der Dichtkunst weit hinter ihnen zurück, übertrifft sie aber durch ein eminentes Wissen in Philosophie, Philologie, Exegese und Mathematik.

Auch Geschichte und Geographie haben ihre Vertreter. Abraham ben David (ibn Daud. gest. 1180), Verfasser des religionsphilosophischen Buches »Emuna rama«, schrieb das geschichtliche »Sefer ha-Kabbala«; Benjamin ben Jona aus Tudela (gest. um 1175) schilderte seine Reise durch Südeuropa, Asien und Afrika in dem Büchlein »Massaot«. Ihren Höhepunkt erreichte die j. L. in Moses ben Maimon (1135–1204, s. Maimonides), dem bedeutendsten Religionsphilosophen, den Mischna-Erklärer und gelehrtesten Kodifikator des Talmud. Der Kampf zwischen der alten und der freiern philosophischen Richtung kam zuerst in der Provence, wo sich gegen Maimonides' »More nebuchim« (»Führer der Verirrten«) Widerspruch erhob, zum Ausbruch. Es entspann sich ein Gelehrtenstreit, der sich zu einem Kampfe gegen die Philosophie überhaupt erweiterte, und in den hinein später auch die Kabbala (s. d.) spielte. Unter dem Druck der Almohaden ging das geistige Leben in Südspanien zurück, während von Kastilien und Katalonien aus ein reger literarischer Verkehr mit der Provence unterhalten wurde. In Narbonne hatte schon im 10. Jahrh. Machir aus Babylonien eine talmudische Hochschule gegründet, an der um 1140 Abraham ben Isak, Verfasser des »Eschkol«, lehrte. In Lunel wirkten die Familie Meschullam, Jonathan Hakohen (ca. 1200), Serachja ben Isak Halevi (gest. 1185), Verfasser des Talmud kommentars »Maor«, die Übersetzerfamilie Tibbon, Abraham ben Natan, Verfasser des Ritualwerkes[346] »Manhig«, in Marseille Isak ben Abba Mari, der über talmudisches Recht schrieb (»Ittur«), und in Narbonne die Familie Kimchi (s. d.), die sich vorwiegend der Grammatik, Lexikographie und Exegese zuwendete.

David Kimchi nahm noch im hohen Alter für Maimonides, wie später Abraham ben Chisdai aus Barcelona, der Dichter des Sittenbuches »Ben hamelech wehanasir« (»Prinz und Derwisch«), gegen dessen Gegner Meir ben Todros Halevi Abulafia aus Toledo (gest. 1244) und den Arzt Juda ibn Alfakar, Salomo ben Abraham aus Montpellier, David ben Saul und Jona aus Gerona, eifrig Partei. Dieser ernsten Zeit fehlte es nicht an Gelehrten, die in satirischer Dichtung der Mitwelt einen Spiegel vorhielten: Juda ibn Sabbatai dichtete einen »Wettstreit zwischen Weisheit und Reichtum«, Joseph ibn Sabara »Das Buch der Tändeleien« (»Sefer schaaschuim«), Juda ben Salomo Alcharisi (1170–1230) das witzsprudelnde »Tachkemoni«. In dem Kampf um die Werke des Maimonides suchte Moses ben Nachman (s. Nachmanides), der geistvolle Bibelerklärer und Talmudist, zu vermitteln. Sein Schüler Salomo ben Abraham ben Aderet (gest. 1310) in Barcelona erfreute sich hohen Ansehens als Talmudist. Sein Buch über die Ritualgesetze (»Torat habajit«) griff Ahron Halevi in seinem »Bedek habajit« heftig an. Mehr oder minder beteiligten sich in dem Kampfe zwischen Glauben und Philosophie: Jakob Anatoli aus der Provence (»Malmad hatalmidim«), der philosophisch gebildete Arzt Jakob ben Machir, Menachem Meïri, Kommentator von Talmudtraktaten u. a. in Perpignan, Levi ben Abraham aus Villefranche, Isak Albalag, Schemtob Falaquera, Abba Mari ben Moses aus Lunel (»Minchat kenaot«), Jedaja Bedarschi, d. h. aus Béziers, Verfasser des »Bechinat Olam«, Estori Haparchi (»Kaftor wapherach«) und Ahron Kohen aus Lunel, dessen Ritualwerk »Orchot chajim« in seiner Überarbeitung als »Kol bo« weit verbreitet ist. Um 1300 stellte Isak Aboab in seinem »Menorat hamaor« Haggadas zum Zweck der Erbauung zusammen, schrieb ein Ritualwerk u. a. Die durch Maimonides' Schriften erregte Bewegung rief von neuem die Kräfte wach. Der aus Deutschland eingewanderte Oberrabbiner von Toledo, Ascher ben Jechiel, Rosch genannt (1306 bis 1327), schrieb ein Kompendium zum Talmud (»Ascheri«), Rechtsgutachten und das ethische »Orchot chajim«, regte Isak Israeli (1300) zu seinem Buche »Jesod olam« über Geometrie und Kalenderwesen an und sah den Samen seiner Lehre bei Söhnen und Enkeln reisen. Aschers Sohn Jakob kodifizierte in »Arba Turim« das gesamte Rechtsgebiet der Israeliten, ein Enkel, Meir Aldabi aus Toledo, stellte »Schebile Emuna«, eine Enzyklopädie des Wissenswertesten aus Theologie, Astronomie und Medizin, zusammen. Freund und Verteidiger der Philosophie war Levi ben Gerson, was sein »Milchamot adonai« und seine Bibelkommentare bezeugen. Der Provenzale Jerucham ben Meschullam (1334), Jomtob ben Abraham aus Sevilla, Vidal di Tolosa, Schemtob ibn Gaon, Ascher ben Chajim, David Abudarham in Sevilla, Kommentator des Gebetrituals (um 1340), und ganz besonders Nissim ben Reuben (Ran) aus Gerona, Kommentator des Alfasi, einzelner Talmudtraktate u. a., Isak ben Scheschet (Rivasch), Schüler Nissims, Rabbiner in Saragossa (gest. 1406 in Nordafrika), waren für talmudische Gelehrsamkeit durch Erklärungen und Gutachtensammlungen literarisch tätig.

Die Wogen der philosophischen Strömung drangen in die Erklärung der Bibel und gaben der jüdischen Apologetik, die der zunehmende Bekehrungseifer mit seinen Disputationen entfesselte, kräftigen Nachdruck. Die Philosophie Ibn Esras und Maimonides' verwertet Samuel Zarza 1368 in Valencia in einem Pentateuchkommentar. Moses Kohen de Tordesilles stellte seine z. T. schon bei der Religionsdisputation 1375 zu Avila vorgetragene Glaubensverteidigung in »Eser emuna« auf, und Schemtob ben Schaprut, den man zur Disputation mit dem Kardinal Pedro di Luna (Papst Benedikt X.) in Pampelona zwang, gab eine Apologie des Judentums (»Eben bochan«); Menachem ibn Serach verfaßte ein Kompendium der jüdischen Religionswissenschaft (»Zedaladerech«) und der Philosoph Chisdai Kreskas sein »Or Adonai« (»Gotteslicht«), das Spinoza beeinflußte, u. a. – In Nordafrika, das viele spanische Flüchtlinge aufgesucht hatten, treffen wir Anfang des 15. Jahrh. Simon ben Zemach Duran (gest. 1444) als Oberrabbiner in Algier. Er schrieb eine Gutachtensammlung, das religionsphilosophische »Magen abot«, dichtete Hymnen und polemisierte gegen Christentum und Mohammedanismus. Sprossen seiner Familie waren bedeutende Talmudgelehrte. Profiat Duran, Efodi genannt, in Spanien, polemisierte gegen Paulus Burgensis, David Bonet u. a. Stärker noch zeigten sich die Kräfte bei und nach der Disputation in Tortosa (1413–14). Hier verteidigte das Judentum unter andern der Verfasser der »Ikkarim« (»Grundwahrheiten«), Joseph Albo, ein Arzt aus Monreal. Im politischen Druck erlahmte die Geisteskraft, und der dürre Boden war der Ausbreitung der Mystik günstig. Dessen sind Zeugen: Schemtob ben Schemtobs »Glaubenslehren« (»Emunot«), Abraham ben Isak, Moses Botarel, Kommentator des Buches Jezirah (s. d.) u. a., die unbedeutenden Nachfolger ihrer Vorgänger, von denen wir nennen: Esra und Asriel, Lehrer des Nachmanides, Todros ben Joseph Halevi Abulafia (1290), Isak ibn Latif (1290), Joseph Gikatilia (1300) und Mose de Leon (1300), mutmaßlich der Verfasser des bedeutendsten kabbalistischen Buches, »Sohar« (s. d. und Kabbala).

Im Dunkel der Verfolgung, das 1492 in Spanien, 1498 in Portugal den Höhepunkt erreicht, erglänzt noch ein Stern erster literarischer Größe, dessen Licht später voll in Italien (Neapel) strahlt: Don Isak Abarbanel (s. d.). Der letzten Zeit gehören an in Spanien: die Talmudisten Isak Campanton, Isak de Leon, die Religionsphilosophen Abraham Bibago, Isak Arama, Verfasser einer homilienartigen Pentateucherklärung: »Akedat Jizchak«; in Portugal der Astronom Abraham Sakuto (»Juchasin«), Abraham Saba (»Zeror hamor«), Isak Karo u. a.

In Palästina bearbeitete Assaf im 10. Jahrh. den Dioskorides; Tanchum ben Joseph (um 1280) erklärte die Bibel. Aus dem 13. Jahrh. kommen spärliche Nachrichten von einem Reisenden, namens Hillel. Reicher spendet das Geistesleben in Italien seine Schätze. Schon um 930 wirkt Sabbatai Donnolo aus Oras. Er war Arzt, Botaniker und Astronom und kommentierte das Buch »Jezirah« (s. d.). In Bari, Otranto und Lucca blüht das Talmudstudium. In letzterer Stadt zeichnet sich Meschullam ben Kalonymos als Talmudgelehrter und Hymnendichter aus, in Rom schreibt Natan ben Jechiel (1100) das Talmudlexikon »Aruch«, in Salerno verfaßt Salomo Parchon (1160) ein hebräisches Wörterbuch, der Arzt Farragut (1297) übersetzte arabische Werke für Karl von Anjou ins[347] Lateinische, und Kalonymos ben Kalonymus (1300), genannt Maestro Calo, war für Robert von Anjou tätig. Immanuel ben Salomo aus Rom (1320), angeblich der Freund Dantes, dichtete die als »Mechabberot« bekannten geistreichen Makamen, deren letzter Abschnitt: »Paradies und Hölle«, nach dem Vorbilde der »Divina Commedia« gearbeitet ist, und erklärte die Bibel in wenig selbständiger Weise. Die beiden Jesaia di Trani u. Zidkia ben Abraham, Verfasser von »Schibbole haleket«, lehrten den Talmud, Menachem Rekanate bearbeitete den Sohar (s. d. und »Kabbala«), Jechiel ben Jekutiel verfaßte eine Ethik, Mose Rieti, der in seinem »Mikdasch meat« die »Divina Commedia« nachdichtete, führte den Stanzenbau in die hebräische Poesie ein, Abraham Farissol (geb. 1451) schrieb ein geographisches Buch, »Iggeret orchot olam«, und Bibelerklärungen, Juda ben Jechiel, genannt Leon, war für Rhetorik, Philosophie und Grammatik tätig, Isak Natan bearbeitete eine hebräische Konkordanz und Jakob Landau in Neapel Halachisches im »Agur«. An der Hochschule in Padua lehrte der aus Mainz stammende Rabbiner Juda Minz, der Gegner des 1493 auf Kandia gestorbenen philosophierenden Schrifterklärers Elia del Medigo, Philosophie. Erwähnung verdienen noch: die Mitglieder der Gelehrtenfamilien Minz und Katzenelnbogen, Jochanan Aleman und Samuel Archevolte. Seit 1475 wurde die j. L. durch Errichtung hebräischer Druckereien in Italien (Soncino, Casale Maggiore, Barco, Bologna, Brescia, Ferrara, Fano, Mantua, Neapel, Pesaro, Riva di Trento u. a. O.) gefördert.

In Frankreich und Deutschland hält sich die j. L. vorwiegend in den Grenzen der Exegese und des Talmudstudiums. Daneben hat die im Dienste der Synagoge stehende Dichtung begeisterte und formgewandte Vertreter. Als erste bedeutende Autorität tritt uns Gerschom ben Juda (gest. 1028), die »Leuchte des Exils« genannt, entgegen; er sorgt für Abschriften und Kommentare des Talmud, dichtet wie sein Zeitgenosse Simon ben Isak Abun synagogale Hymnen und regelt mit andern durch »Verordnungen« (»Takkanot«), z. B. das Verbot der Polygamie, die sozialen Verhältnisse der europäischen Juden. Fast die ganze Bibel und den Talmud erklärte R. Salomo ben Isak (gest. 1105, s. Raschi), der große Schüler rheinischer Talmudmeister. Seine Zeitgenossen waren Elieser der Große, die Bibelerklärer Simon u. Joseph Kara, Menachem ben Chelbo, die Poetanim (s. Paitan) David ben Meschullam, Kalonymos ben Juda, Samuel ben Juda u. a., die in Elegien die Greuel der Kreuzzüge beklagt haben. Die Fortführung und Weiterbildung des Talmudkommentars R. Salomos (Raschis) unternahm eine Anzahl von Gelehrten, die ihrer erklärenden Zusätze (»Tossafot«) wegen Tossafisten genannt werden. In erster Reihe derselben stehen Raschis Schwiegersöhne Juda ben Natan und Meir ben Samuel aus Ramerü und des letztern Söhne Samuel, der vorzügliche Bibelerklärer, und Jakob (gest. 1171), genannt Tam (s. Raschi), denen sich später anschließen: Elieser ben Natan (Raben) aus Mainz (1140), Joseph Porat, Isak der Alte (Ri), Isak Halaban in Prag, Elieser aus Metz, Simson aus Sens (gest. 1230 in Palästina), Elieser ben Joel Halevi (Rabia), in rheinischen Städten lebend, Moses ben Jakob Coucy, Verfasser des »Sefer mizwot gadol« (S'mag), und Elieser aus Tuch. Exegetische Arbeiten liefern neben Samuel ben Meir: Tobia ben Elieser, Joseph Bechor Schorr, Chiskia ben Manoach (1260), Isak Halevi u. a.; populärer Ethik und z. T. auch der Kabbala huldigen Juda der Fromme (um 1200), der im »Sefer chassidim« treffliche Sittenlehren aufgestellt hat; Eleasar ben Juda (Rokeach) aus Worms, Moses ben Chisdai aus Tachau, der Fabeldichter Berachja ha-Nakdan in Burgund; der Polemik dienen Natan Offizial und der Verfasser des »alten Nizzachon« aus dem 13. Jahrh

Durch die Verfolgung der Juden u. ihrer Literaturschätze (1242 verbrannte man 24 Wagen voll Talmudexemplare in Paris) ward die wissenschaftliche Tätigkeit in Frankreich wohl beeinträchtigt, aber nicht ganz unterdrückt. Isak aus Corbeil (gest. 1280), Perez ben Elia (gest. 1300), Simson aus Chinon (1300) und Isak de Latas (um 1390) in der Provence sind Gelehrte von Bedeutung. Fruchtreicher als in Frankreich entfaltete sich trotz Verfolgung und Druck die j. L. in Deutschland. An der Rabbinerversammlung in Mainz (1223), die das Gemeinde- und Steuerwesen regelte, nahmen ausgezeichnete Gelehrte teil, die aber alle an Gelehrsamkeit und Ansehen von Meir von Rothenburg a. T. überragt werden. Seine zahlreichen, meist gedruckt vorliegenden Rechtsgutachten, ein Spiegel der Lebens- und Rechtsverhältnisse seiner Zeit, verkünden noch heute seine Bedeutung. Er war Schüler Samuels aus Falaise und Isaks ben Moses aus Wien, Verfasser des »Or sarua« und Zeitgenosse Abigdor Hakohens in Wien, Chajim Paltiels in Erfurt oder Magdeburg u. v. a. Seine Jünger Ascher ben Jechiel (s. S. 347), Mordechai ben Hillel, dessen Talmudkompendium als »Mordechai« bekannt ist, Meir Hakohen und Simson ben Zadok wirkten in der von ihm erschlossenen Richtung. Gutachtensammlungen und Zusammenstellungen von Ritualien liegen aus dem 14. und 15. Jahrh. vor von Isak aus Düren (Schaare dura), Alexander Sußlein Kohen aus Köln (Agudda), Meir Halevi aus Wien (1370), der die Verordnung traf, daß zur Ausübung von rabbinischen Funktionen die Autorisation eines anerkannten Rabbiners erforderlich sei, von Moses aus Zürich, Israel aus Krems, Menachem in Merseburg, Abraham Klausner in Wien, Eisak aus Tyrnau, Jakob Halevi, Maharil genannt, aus Mainz, Jakob Weil in Nürnberg und Erfurt, Israel Bruna in Regensburg, Isserlein in Wiener-Neustadt (gest. 1460) u. v. a. Erbauungsbücher und synagogale Gedichte sind die letzten schwachen Ausläufer dieses Zeitraums. Eine Verteidigung des Judentums liegt aus dem 15. Jahrh. vor in dem Buch »Nizzachon« des Lipman aus Mülhausen. Ein großer Teil der mittelalterlichen jüdischen Literatur ist in der Neuzeit ediert worden, doch liegt noch vieles ungedruckt in den Bibliotheken zu Rom, Florenz, Parma, Turin, Paris, London, Cambridge, Oxford, Leiden, Wien, Berlin, München, Hamburg, Frankfurt a. M. u. a. O.


Fünfter Abschnitt (16.–18. Jahrhundert).

Der fünfte Zeitraum gibt ein trübes Bild des Verfalls geistiger Tätigkeit; man zehrt von den Schätzen der Vergangenheit, die man mit Hilfe der Buchdruckerkunst zu erhalten und zu verbreiten bestrebt ist. Im türkischen Reich, wo früh schon in Konstantinopel, Saloniki und Adrianopel hebräische Druckereien entstehen, wirken am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrh. Moses Kapsali (1480), der Mathematiker und Exeget Mordechai Komtino, Elia Misrachi (1520), Samuel Serillo, der Kabbalist Meir ibn Gabbai, der Verfasser einer Predigtsammlung, Moses Almosnino, Juda ibn Verga, der das Buch »Schebet Jehuda«, eine Geschichte der Judenverfolgungen, angelegt hat. Die bedeutendsten talmudischen Autoritäten des 16.[348] Jahrh. sind: Joseph Karo (s. d.) in Palästina, Verfasser eines Kommentars »Beth Joseph« zu dem Rechtskompendium des Jakob ben Ascher: »Arba Turim« und daraus eines zu allgemeiner Geltung gekommenen Kodex u. d. T. »Schulchan aruch« (s. d.), Jakob ibn Chabib (Zusammensteller des »En Jacob«), Salomo und Joseph Taitazak, Meir Arama in Saloniki, Benjamin ben Matitja in Arta, Bezalel Aschkenasi (Verfasser von »Schitta mekubbezet«) und Jakob Castro in Ägypten; des 17. Jahrh. Joseph ibn Esra in Saloniki, Joseph und David Pardo, später in Amsterdam, Abraham di Boton, David Consorte (gest. 1680 in Ägypten), Verfasser der Gelehrtengeschichte »Kore hadorot«, Salomo Algasi und Chajim Benveniste in Smyrna und Samuel Laniado in Aleppo. – In Jerusalem wirkte seit 1488 der geschätzte Mischnah-Erklärer Obadja Bertinoro; in Zafet waren tätig: der Erklärer des jerusalemischen Talmud Salomo Serillo, Moses ben Joseph Trani, die Kabbalisten Salomo Alkabez, Dichter des Sabbatliedes »Lecho dodi«, Moses Alscheich, Moses Cordovero, ferner Moses Galante, der Italiener Menachem di Lonsano, der frühere Frankfurter Rabbiner Jesaias Halevi Horwitz (gest. 1626), Verfasser des »Schl'oh«, einer Enzyklopädie des jüdischen religiösen Wissens. Der Kabbala schuf Isak Luria (gest. 1572) zahlreiche Anhänger und ebnete dadurch Sabbatai Z'wi (s. d.) indirekt die Wege. In Palästina treffen wir im 17. Jahrh. Chiskia de Silva aus Livorno (Verfasser des »Pri chadasch«), Jakob Chagis aus Italien (gest. 1674) und im 18. Jahrh. den verdienstvollen Literarhistoriker Asulai (gest. 1807), Verfasser bibliographischer Werke. In Italien wirkte Isak Abarbanel von 1493 an in Neapel mit gleichstrebenden Söhnen (s. Abarbanel). Elias Levita (s. d.), Grammatiker und Lexikograph, vermittelte den Christen hebräische Sprachkunde, Abraham de Balmes (gest. 1523) verfaßte eine hebräische Grammatik und übersetzte philosophische Werke aus dem Arabischen, der Arzt Obadja Sforno (gest. 1550), Lehrer Reuchlins, des Verteidigers der geschmähten jüdischen Literatur, erklärte die Bibel, und David Vital schrieb über Religionsgesetze. Die hebräische Typographie fand zahlreiche Pflegstätten. In Venedig, wo seit 1516 Daniel Bomberg aus Antwerpen die rabbinischen Bibeln und den Talmud druckte, in Cremona. Fano, Ferrara, Genua, Livorno, Padua, Rimini, Riva di Trento, Rom, Sabionetta, Verona waren gut geleitete Druckereien. Bald aber zertrat der Fanatismus diese Blüte, zündete für die Juden und deren Literatur den Scheiterhaufen an und unterdrückte die freie Meinungsäußerung durch die Zensur. Trotzdem zeigte Italien auch ferner emsige Literaten. Joseph Hakohen (1496–1575), Verfasser einer »Geschichte der fränkischen und ottomanischen Herrscher«, schilderte in seinem »Emek habacha« die Leiden des jüdischen Volkes; Samuel Usque in Ferrara (1551) schrieb »Consolaçâo as tribulaçoens de Israel«; Asarja de Rossi (1511–78) lieferte im »Meor enajim« Beiträge zur Philosophie, Exegese, Chronologie und Archäologie. Weniger bedeutend waren Gedalja ibn Jachja, der Autor des »Schalschelet Hakkabala«, der Lexikograph David de Pomis, Abraham Portaleone (geb. 1542 in Mantua), der ein Werk über jüdische Altertümer hinterließ. Um 1660 hatte Italien zwei jüdische Dichterinnen, Debora Ascarelli und Sara Copia Sullam. Schriftsteller des 17. und 18. Jahrh. sind: Juda Arje Modena (1571–1648, hebräisch-italienisches Lexikon, Mnemotechnik, Schriften gegen Talmud und Kabbala u. a.), Simcha Luzzato (»Discorso circa il stato degli Ebrei«), Joseph Salomo del Medigo aus Kandia (geb. 1591), der Mathematik und Kabbala bearbeitete, der Massoret Salomo Norzi (»Minchat Schai«), Immanuel Aboab in Venedig (um 1625; »Nomologia« über die Glaubwürdigkeit der Tradition), Samuel Aboab (1610–94), dessen Sohn Jakob, der archäologische und naturwissenschaftliche Studien trieb, der Dichter Moses Chajim Luzzato (gest. 1747 in Palästina), Menachem Asarja di Fano (gest. 1620), Moses Sakut, der Prediger Asarja Figo, Maleachi Kohen, Isak Lamperonti, Arzt und Rabbiner in Ferrara (1679–1756), dessen »Pachad Jizchak« ein zuverlässiges talmudisches Realwörterbuch ist. – Repräsentanten des in Polen wieder zur Blüte gebrachten Talmudstudiums schätzen wir in Salomo Lurja (Maharschal, gest. 1573), Moses Isserles (Remo), Samuel Edels (Meharscha, gest. 1631), Joel Jafa (Sirks, gest. 1639), David Halevi (»Türe Sahab«), Sabbatai Kohen, in dem aus Polen stammenden Rabbiner in Frankfurt a. M. Jakob Josua (gest. 1726, »Pne joschia«), Moses Ribkes (»Beer hagola«), Abraham Gombinner (gest. 1642, »Magen Abraham«), Jechiel Heilprin (gest. um 1730, »Seder hadorot«, eine Art Gelehrtenlexikon) und in Elia Wilna (1720–97).

In Holland, das seit Ende des 16. Jahrh. den jüdischen Einwanderern volle Freiheit gewährte, fand die j. L. in blühenden Gemeinden, besonders in Amsterdam, wo seit 1618 der Prediger Saul Levi Morteira als Oberrabbiner wirkte, emsige Pflege und Förderung durch gut geleitete Druckereien. Ärzte, Dichter, Prediger, Philosophen, Grammatiker, Mathematiker wetteifern miteinander. Aus ihrer Mitte ragt der überaus tätige Menasse ben Israel (s. d.) hervor. Spinozas und Uriel Acostas Verdienste würdigt die Geschichte der Philosophie, die der jüdischen Literatur aber muß verzeichnen: Benjamin Musafia (gest. 1675), Jakob Juda Leon Templo, den Lexikographen David Kohen de Lara, den Bibelerklärer und Übersetzer Jakob Abendana (1679–95), den Hebraisten Isak Abendana, die Dichter David Abenatar Melo, Isak Usiel, die Dichterin Isabella Covrea, Thomas de Pinedo, den Reisenden Pedro Teixeira u. a. Die Talmudautoritäten Isak Abendana di Brito und David Israel Athias (Mitte des 18. Jahrh.) sind die letzten Vertreter dieses Zeitraums.

In Böhmen, und zwar in Prag, wirkten die Talmudisten Jakob Pollack (gest. 1530), Mordechai Jafe (gest. 1612), Löwe ben Bezalel, der hohe Rabbi Löb genannt (gest. 1609), und vorzüglich der Verfasser einer Chronik: »Zemach David«, und eines geographisch-astronomischen Werkes, David Gans (geb. 1541 in Lippstadt, gest. 1613 in Prag), der zu Kepler und Tycho de Brahe Beziehungen unterhielt, ferner als Prager Rabbiner der bereits erwähnte Jesaias Horwitz, Salomo Ephraim Leutschütz (um 1620), Abraham Broda, David Oppenheimer aus Worms (gest. 1736), Besitzer der bedeutendsten hebräischen Bibliothek, die heute den Hauptbestandteil der Bodleiana zu Oxford ausmacht, Ezechiel Landau (1713–93). In Wien wirkte Jomtob Lipman Heller Wallerstein (1579 bis 1654), Verfasser eines vorzüglichen Kommentars zur Mischna: »Tosfot Jomtob« und andrer Werke.

Aus Deutschland sind noch merkenswert: Jair Chajim Bacharach (von 1628–1701) in Worms, Raphael Levi in Hannover, der Grammatiker Salomo Hanau (gest. 1776) daselbst, die Rabbiner der Drei-Gemeinden Altona-Wandsbeck-Hamburg Ezechiel Katzenelnbogen (1710–48), Jonathan Eybeschütz,[349] den Jakob Emden von Altona, einst Rabbiner in Emden, des Sabbataismus (s. Sabbatai Z'wi) beschuldigte und ihn zu jahrelangem literarischen Streit zwang, Raphael Kohen (gest. 1803), Großvater Gabriel Riessers, u. a.; die Gelehrtenfamilie Horwitz in Frankfurt a. M., Jakob Berlin, Rabbiner in Fürth, Joseph Steinhardt, Rabbiner ebendort, David Fränkel, Rabbiner in Dessau und Berlin (1708–62), der Lehrer Moses Mendelssohns und Erklärer des jerusalemischen Talmud (»Korban eda«). Hebräische Druckereien bestanden in Frankfurt a. M., Hanau, Offenbach, Rödelheim, Homburg v. d. H., Wilmersdorf, Sulzbach, Dessau, Jeßnitz, später in Berlin, in Dyhernfurt, von Sabattai Bassista, Verfasser des bibliographischen Handbuchs »Sifte jeschenim« errichtet, u. a. O. – Im Dienste der hebräischen Sprachwissenschaft wie der Polemik fand vom 16. bis Mitte des 18. Jahrh. die j. L. an christlichen Gelehrten eifrige Forscher, wie schon früher einzelne Christen das Schrifttum der Juden mit Vorliebe gepflegt hatten, z. B. Reuchlin (1455 bis 1522), so an Sebastian Münster (1489–1522), Mercier in Paris (gest. 1570), Drusius in Cambridge (gest. 1616), an dem Spanier Arius Montanus (gest. 1589), dem Übersetzer der Reisen Benjamins de Tudela, an dem Erzbischof Genebrard (gest. 1597), an Prof. Christmann (gest. 1613), vor allen aber an den beiden Buxtorf (s. d.), an Ed. Pococke (1604–91), Surenhusius (gest. 1698), dem Übersetzer der Mischna, Trigland (gest. 1705), der sich vorwiegend karäischen Studien widmete, Schudt (gest. 1722), Verfasser der »Jüdischen Merckwürdigkeiten«, an Wagenseil (1633 bis 1708), Selden, an dem talentvollen Bibliographen Joh. Christ. Wolf (1683–1739), Verfasser der »Bibliotheca hebraea« (1715–33, 4 Bde.), Jo. B. de Rossi in Parma, dem wir bedeutende Arbeiten verdanken, Vitringa (gest. 1722), Carpzov (gest. 1767) u. v. a.


Sechster Abschnitt (bis zur Gegenwart).

Mit dem sich allmählich vollziehenden Eintritt der Juden in das politische und geistige Leben der europäischen Völker beginnt der sechste Zeitraum der jüdischen Literatur, der bis zur Gegenwart reicht. Die geistige Bewegung ging von Deutschland aus und fand hier ihre Hauptvertreter. – Moses Mendelssohn (s. d.) hat durch seine klassische Übertragung der fünf Bücher Mosis und der Psalmen den Juden die Kenntnis der deutschen Sprache, deutsche Bildung und Literatur vermittelt und zur Pflege der Poesie, der Sprachen und der Sprachkunde, Kritik, Pädagogik, jüdischen Geschichte und Literatur, zur Übersetzung der hebräischen Schriften in die modernen Sprachen den ersten Anstoß gegeben. Einen Kommentar (Biur) zur Pentateuchübersetzung Mendelssohns schrieben die sprachgewandten Hebraisten Salomo Dubno, Hartwig Wessely, ein fruchtbarer Schriftsteller, Ahron Jaroslaw und Herz Homberg, später kaiserlicher Schulrat in Prag. Von Freunden und Schülern Mendelssohns waren außerdem noch, besonders als Mitarbeiter der hebräischen Zeitschrift »Meassef«, literarisch tätig: Ahron Wolfsohn, David Friedländer (s. d.), Isak Euchel, Lazarus Bendavid und Isak Satanow. Was aber Juden, die seit jener Zeit auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit Erfolg tätig waren, in Wissenschaft, Literatur und Kunst geleistet haben und noch leisten, gehört nicht mehr der jüdischen, sondern der allgemeinen Literatur an. In der jüdischen Literatur aber waren Werke aus allen Wissensgebieten und eine anhaltende Polemik, meist in hebräischer, deutscher und französischer Sprache, die Resultate der bürgerlichen und geistigen Fortschritte der europäischen Juden, während im russischen Polen zugleich eine neue Mystik sich ausbreitete. Viele ältere jüdische Werke wurden in Italien und den slawischen Ländern, in denen man sich der neuhebräischen Sprache als eines Schlüssels zur Schatzkammer der europäischen Wissenschaft, der Dichtkunst und Belletristik bediente (s. Hebräische Sprache, S. 29), herausgegeben. Den Gesetzlehrern Ezechiel Landau, Maleachi Cohn und Jesaja Berlin, denen später gleichgelehrte Talmudisten, wie Jakob Lissa, Akiba Eger, Moses Sofer, Isak Bernays, folgen, reihen sich unter andern die Grammatiker Benseb, S. Pappenheim, Schalom Kohn, Wolf Heidenheim (s. d.) und der Übersetzer R. Fürstenthal an. Eine wissenschaftliche Erkenntnis der jüdischen Literatur und Geschichte begründeten L. Zunz (s. d.) und S. J. Rapoport (1790–1867), neben denen der scharfsinnige Kritiker N. Krochmal (1780–1840) zu nennen ist. Sie fanden in S. D. Luzzato in Padua (1800–65), J. S. Reggio (1784–1855), Salomon Munk (1805–67), Michael Sachs (1808 bis 1864), dem Bibliographen Benjakob (gest. 1865), Abraham Geiger (1810–73), A. Jellinek (1821–93), M. Steinschneider (geb. 1816), Zedner (1804–71), R. Kirchheim, S. Kämpf, J. H. Schorr, F. Lebrecht würdige Jünger. Für jüdische Geschichte waren tätig: Jost, L. Herzfeld, Selig und David Cassel, M. Wiener, H. Grätz, M. Kayserling, Wolf, Güdemann, J. Abrahams, M. Stern, Braun, Bäck, H. Groß, Aronius, L. Löwenstein, A. Berliner, H. Vogelstein, Rieger, A. Epstein, Salfeld, L. Geiger, Eckstein, L. Feilchenfeld u. v. a.; für Archäologie: Krochmal, Reggio, M. Sachs, Z. Frankel, M. A. Levy, Löw u. a.; für Religionsphilosophie und deren Geschichte: S. Munk, Adolphe Franck, J. Freudenthal, D. Kaufmann, Sam. Hirsch, Bernays, M. Joel, J. Guttmann, M. Lazarus, Büchler, Schreiner; für Bibelübersetzung und -Erklärung sowie für Geschichte der Exegese: (unter Zunz' Redaktion Arnheim, Sachs, Fürst), Kämpf, Grätz, Johlson, G. Salomon, H. Herxheimer, L. Philippson, Cohen, J. Fürst, S. R. Hirsch, Benamozegh, Rosin, J. S. Bloch, L. J. Mandelstamm, M. Friedländer (die Apokryphen übersetzten Gutmann, D. Cassel), Frankel, Perles, Rahmer (Vulgata), Kohn (samaritanische Übersetzung), A. Brüll (samaritanische Übersetzung), Kohut (über die persische Übersetzung), S. Bernfeld, Mandelkern, Schechter, B. Jacob, D. Hoffmann u. a.; für Bibliographie: Steinschneider, Zedner, Benjakob, Neubauer, Roest, Schiller-Szinessy, H. Brody, A. Freimann, Lippe und M. Schwab; für jüdische Literaturgeschichte im allgemeinen: Bacher, A. Berliner, Carmoly, D. Cassel, J. Derenbourg, Dukes, D. Hoffmann, G. Karpeles, D. Kaufmann, M. Kayserling, Leop. Löw, M. C. Mortara, Jakob Reifmann; für Homiletik, als Prediger: Salomon, Kley, Mannheimer, Philippson, Sachs, Holdheim, A. A. Wolff, Leop. Stein, Jellinek, M. Joel, David Einhorn, M. Kayserling, Adolf Schwarz, S. Maybaum u. a., für Massora: Baer, Frensdorff; für Kenntnis des Midrasch, der Mischna und des Talmuds: Jakob Brüll, A. Geiger, M. Friedmann, J. H. Weis, Alex. Kohut, J. Levy, G. Dalman, L. Goldschmidt, M. Rawicz, M. Lattes, S. B. Bamberger, Bergel, M. Bloch, Duschak, Fassel, J. Hamburger, H. Hirschfeld, R. N. und J. M. Rabbinowicz, M. Schwab, W. Bachar, D. Hoffmann u. a.; für Numismatik: M. A. Levy, Zuckermann; für Kalenderwesen: Levysohn, Schwarz, Zuckermann; für Pädagogik: Jakob Auerbach, Büdinger, Herxheimer, Sondheimer, Tachau, Levy, Badt, Lewien, S. Auerbach, Bernfeld;[350] für synagogale Musik und Gesang: Sulzer, Naumbourg, Lewandowsky u. a.; für Herausgabe älterer Werke der jüdischen Literatur: Buber, Goldberg, Halberstam, Brody, Hildesheimer, Derenbourg u. a.; für künstlerische Bearbeitung des jüdischen Lebens die Novellisten Bert. Auerbach, L. A. Frankl, L. Kompert, A. Bernstein, S. Kohn, M. Lehmann, S. Mosenthal, Sacher-Masoch, K. E. Franzos, J. Zangwill, M. Viola, S. Gordon, H. York-Steiner, Ulrich Frank u. a.

[Zeitschriften, Vereine etc.] Viel Beachtenswertes erschien in den jüdischen Zeitschriften. Der hebräischen Zeitschrift »Meassef« (1783–1811, mit Unterbrechungen) aus der Mendelssohnschen Zeit, der 1823 unter Redaktion Zunz' herausgegebenen »Zeitschrift des Vereins für Kultur und Wissenschaft der Juden« (nur ein Jahrgang) folgten später: »Sulamith« von Fränkel (1804 ff.), »Jedidja«, »Zionswächter«, »Der Jude« von Gabriel Riesser in deutscher, die »Bikkure haittim« (1820–31), »Kerem chemed« (1833–43,1854–56), »Kochbe jizchak«, »Ozar nechmad«, Kobacks »Jeschurun«, »Ha-schachar«, »Ha-Maggid« (seit 1856), »Ha-ibri« (seit 1864), »Ha-zefira« (seit 1872), »Ha-mebasser«, »Ha-karmel«, »Ha-meliz«, »Ha-Lebanon«, »Chabazelet«, »He-chaluz« von Schorr u. v. a. in hebräischer Sprache. Josts »Israelitische Annalen« (Frankf. 1840–42), Fürsts »Orient« (Leipz. 1840–52), Philippsons »Zeitung des Judentums« (das., seit 1837; jetzt Berl., unter Redaktion von G. Karpeles), Löws »Ben chananja« (Szegedin), Szántos »Neuzeit« (Wien), Lehmanns »Israelit« (Mainz), Rahmers »Israelitische Wochenschrift« (Magdeb., seit 1870, jetzt Berl., unter Redaktion M. A. Klausners), »Die jüdische Presse« (Berl.), »Die Welt« (Wien), »Die Österreichische Wochenschrift« (Wien), »Die Ungarische Wochenschrift« (Budap.), »Der Generalanzeiger« (Berl.), »Israelitisches Familienblatt« (Hamb.), »Ost und West« (Berl.) u. a. widmen auch dem Literarischen ihre Aufmerksamkeit. Der jüdischen Wissenschaft ausschließlich dienen ferner: Geigers »Wissenschaftliche Zeitschrift« (1835–43) und »Jüdische Zeitschrift« (Bresl. 1862–72), Steinschneiders »Hebräische Bibliographie« (Berl. 1858 ff.), Frankels »Zeitschrift für die religiösen Interessen etc.« (das. 1844–46) und dessen später von Grätz, dann von Braun und Kaufmann und jetzt von Braun herausgegebene »Monatsschrift« (Bresl. 1851 ff.) sowie das »Jüdische Literaturblatt«, Beilage der »Israelitischen Wochenschrift«, von Rahmer, jetzt von Rosenthal redigiert, das »Magazin für jüdische Geschichte und Literatur« von Berliner (Berl. 1874 ff.), die »Jahrbücher für die Geschichte und Literatur des Judentums« von Nehem. Brüll (Frankf. a. M. 1874 ff.), die »Populär-wissenschaftlichen Monatsblätter zur Belehrung über das Judentum« von Ad. Brüll (das. 1881 ff.), die hebräische Monatsschrift »Bet talmud« für rabbinische Literatur und Geschichte von Weis und Friedmann (Wien 1881 ff.), die »Zeitschrift für hebräische Bibliographie« von H. Brody und A. Freimann (Frankf.), die »Revue des études juives« in Paris, die »Jewish Quarterly Review« in London, außerdem zahlreiche Zeitschriften in England, Amerika, Frankreich, Italien, Holland, der Türkei, in Ungarn, Rußland und andern Ländern.

Außerdem wirken Vereine für Herausgabe alter Literaturwerke, wie der Verein Mekize nirdarium in Berlin, zur Erforschung der Vergangenheit und Hebung ihrer Geistesschätze. Zur Belebung des Interesses für das Judentum, seine Geschichte und Literatur sind seit 1892 in den jüdischen Gemeinden Deutschlands Vereine für jüdische Geschichte und Literatur gegründet, die sich 1904 auf 180 beliefen. Pflanzstätten eröffneten sich der jüdischen Literatur in den Seminaren zur Ausbildung von Rabbinern (s. Rabbiner). Der Pflege und Verbreitung der jüdischen Literatur dienen die von Singer herausgegebene »Jewish Encyclopedia« (New York 1901 ff., 12 Bde.) und die 1904 in Angriff genommene »Allgemeine hebräische Enzyklopädie« (Warschau). Eine streng wissenschaftliche Bearbeitung des Gesamtgebietes der jüdischen Literatur stellt die 1903 gegründete »Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums« in Aussicht. Auch in nichtjüdischen Kreisen ist in neuester Zeit die j. L. eifrig gepflegt worden, was die Publikationen christlicher Gelehrten (wie die von Delitzsch, Rénan, Wünsche, Siegfried, Schleiden, Nöldeke, Fleischer, Schürer, H. L. Strack u. a.) beweisen. Die bedeutenden Sammlungen hebräischer Bücher, die der Rabbiner David Oppenheim (s. oben) in Prag und der Hamburger Kaufmann H. Michael (gest. 1846) zusammengebracht hatten, befinden sich jetzt in Oxford. Der Katalog der Oxforder Druckwerke ist von Steinschneider, der Katalog der dortigen Handschriften von Neubauer herausgegeben. Auch Paris, Parma, Rom, London, Cambridge, Leiden, München, Berlin, Hamburg, Frankfurt a. M. u. a. O. besitzen reiche Schätze rabbinischer Bücher, die meist wissenschaftlich katalogisiert sind. Die erste vollständige Übersicht über die Geschichte der jüdischen Literatur gibt Steinschneider in Ersch und Grubers Enzyklopädie, 2. Sektion, Bd. 27 (Leipz. 1850), die auch ins Englische (»History of Jewish literature«, Lond. 1858; Index der Autoren, Frankf. a. M. 1893) und ins Hebräische von Malter (Warschau 1897 ff.) übersetzt wurde. Vgl. außer den Schriften von Zunz (s. d.) und H. Grätz (s. d.) besonders: D. Cassel, Geschichte der jüdischen Literatur (Berl. 1872–73, die biblische Literatur enthaltend), und dessen Lehrbuch der jüdischen Geschichte und Literatur (Leipz. 1879); Karpeles, Geschichte der jüdischen Literatur (Berl. 1886); Winter und Wünsche, Die j. L. seit Abschluß des Kanon (Trier 1891–96, 3 Bde.). Berichte über die neueste j. L. enthalten auch der »Theologische Jahresbericht« (hrsg. von Krüger und Köhler, Berl.), und eine allseitig orientierende »Literarische Jahresrevue« von G. Karpeles bringen die Jahrbücher für jüdische Geschichte und Literatur (das., seit 1898).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 344-351. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006847110

Herders 1855

[509] Jüdische Literatur, die, d.h. diejenige, welche sich durch Juden seit dem Ende der babylonischen Gefangenschaft und seit der Zerstreuung des jüdischen Volkes über die ganze Erde entwickelte, ist eine zwiefache; erstens eine uneigentliche j. L., bestehend aus der Gesammtheit der Werke, welche Gegenstände der Wissenschaft oder Kunst behandeln, von Juden ausgingen und vorherrschend in verschiedenen Sprachen abgefaßt wurden, je nach Land oder Zeit, worin der Verfasser lebte. Jahrhunderte lang durchwehte der Glaube des Juden die Werke dieser Art, wenn nicht etwa der Inhalt dies ganz unmöglich machte wie z.B. bei mathematischen Werken; zweitens eine eigentliche j. L., eine Volksliteratur, deren wissenschaftliche Werke u. Dichtungen einen vorherrschend theologischen Charakter haben und in der hebräischen oder Volkssprache geschrieben wurden. Die Perioden dieser j. L. werden verschieden angegeben, einerseits weil sie keine regelmäßige innere Entwicklung hat, anderseits weil ihre Erzeugnisse und Vertreter nichts weniger als genügend bekannt sind. In der ersten Periode. die füglich von 536 v. Chr. bis 150 n. Chr. gerechnet werden kann, entstanden die Bibelübersetzungen (Targumim), für die griechisch redenden Juden die der Septuaginta, theilte die Schriftauslegung (Midrasch) sich bereits in Haggadah (s. d.) und Hallachah, kamen die Apokryphen, wurde in Jerusalem der Sanhedrin errichtet (210 o. Chr.), blühten Schulen auf (s. Hillel), lebten Flavius Josephus, Poilo, Akiba. In die zweite Periode (150–750 n. Chr. ) fällt [509] die Blüte jüdischer Gelehrtenschulen in Palästina und seit 219 in Babylonien, wurde der Buchstabe des Gesetzes immer umfassender und subtiler auf die veränderten Lebensverhältnisse und auf besondere Fälle angewendet, legte um 250 Rabbi Juda Hakkadosch durch seine Sammlung (Mischna) den Grund zum Talmud oder zur Gemara. Im 6. Jahrhundert wurde der babylonische Talmud fertig. vom 6–8. entstanden in Palästina die Masora, Sammlungen älterer Haggadahs, selbständige Auslegungen, gab es Volkslieder, Fabel- und Sagendichter und entwickelte sich die Kabbalistik (s. Kabbala). In der dritten Periode (750–1040) redeten die Juden bereits die jedesmalige Landessprache, kam durch Anregung der Araber, des Islam und durch die Gunst der Khalifen eine ebenso reiche als vielseitige j. L. im weiteren sowohl wie im engern Sinne auf, waren tüchtige jüdische Schriftsteller in Nordafrika und bereits in Italien (Bari, Otranto) keine Seltenheit. Von all den jüdischen Exegeten, Chronisten, Dichtern, Grammatikern, Aerzten u.s.w. nennen wir nur den Bibelübersetzer Saadia Fajjumi, geboren zu Sora am Euphrat, gest. 942, die Geonim (Schulvorstände) Scherira, Juda Levi. Hai. Endete das Zeitalter der Geonäer in Babylonien, das silberne der j. L., im 11. Jahrhundert. so hatten seit 840 bereits in Spanien Ben Labrat. Ben Chasdai, der Dichter Kalfon u.a. ein goldenes vorbereitet, dessen Dauer um so eher bis 1492 angenommen werden kann, weil von Spanien und Italien aus sich das jüdische Schriftstellerthum durch Frankreich und Deutschland verbreitete und hier namhafte Vertreter fand. Hier seien nur genannt: der Dogmatiker Jehuda Levi (um 1140), der große Maimonides (1135–1204), Mose de Kozzi (um 1230), Aaron aus Barcelona (st. 1292), der Dichter Alcharisi, endlich Joseph Albo, der 1412 vor dem Papste Benedict XIII. im berühmtesten aller christlich-jüdischen Religionsgespräche seinen Glauben vertheidigte; in Frankreich ernteten Raschi als Exeget, die beiden Kimchi als Grammatiker großen Ruhm. Im 13. Jahrhundert wurden alle Werke, die sich mit Bibelauslegung befaßten, der ganze Midrasch, zu einer Gesammtauslegung der ganzen Bibel zusammengetragen, zu dem s. g. Jalkut, der noch heute im Gebrauch ist. Ferner trugen die Philosopheme ihre Früchte, die Kabbalistik wurde zu einem System des Aberglaubens, der Kampf zwischen Talmudisten, Kabbalisten und Philosophen förderte zunächst den Zerfall der j. L. Das Ende des 15. Jahrhunderts brachte die Buchdruckerkunst bereits in Flor und im Morgen- und Abendlande, wo immer die Juden nicht vertrieb en wurden, namentlich auch in Deutschland. waren tüchtige jüdische Gelehrte zu finden und wurden in Europa viele Werke von Juden in allen Sprachen gedruckt. Aber im Ganzen war die vierte Periode, die von 1492–1750 die des Zerfalles und weit weniger die j. L. im engern als die im weitern Sinn hat nur Einen epochemachenden Vertreter gefunden: Spinoza. Die fünfte Periode, 1750–x, begann mit M. Mendelssohn und seitdem hat die jüdische Literatur im engern und noch weit mehr im weitern Sinn großartigen Aufschwung genommen. Fehlt aber jener die Einigkeit u. schwankt sie zwischen starrem Glauben und Unglauben, so tragen die in den Landessprachen schreibenden Vertreter der j. L. oft genug den Fanatismus des Unglaubens und der Revolution zur Schau, wobei übrigens anzuerkennen ist, daß viele Juden bei großem Scharfsinn und einer Fülle von Geist sich sehr wesentliche Verdienste um Gelehrsamkeit. Wissenschaft u. Dichtkunst erwarben.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 509-510. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003392058

Pierer 1860

[160] Jüdische Literatur. Die I. L., die man auch, aber unpassend, Rabbinische Literatur nennt, beginnt in demselben Zeitalter, in welchem der Übergang des Hebraismus in das Judenthum (s.d.) stattfand. Auf der Hebräischen Literatur (s.d.) wurzelnd u. meist in Hebräischer Sprache fortschreitend, nahm sie erst persische Religionsbegriffe, griechische Philosophie u. Römisches Recht, später arabische Poesie u. Philosophie u. europäische Wissenschaft in sich auf, wußte sich aber alles Fremde zu assimiliren u. dem väterlichen Glauben unterzuordnen. Obgleich sie ohne äußere Aufmunterung blieb, schritt sie durch dritthalb Jahrtausende im Gang ununterbrochener Entwickelung vorwärts, einerseits sich allen irgendwie zugänglichen literarischen Entwickelungen der Länder u. Völker anschließend, andererseits ganz eigenthümliche Literaturkreise schaffend. Man kann die Geschichte der J-n L. in vier Perioden theilen.

I. Die erste Periode

reicht von Esra bis zur Einwirkung der arabischen Wissenschaft u. bis zum Hervortreten Europas. Nach der Restauration der jüdischen Nationalität in Palästina schlossen sich die bedeutendsten Männer der Zeit an Esra u. bildeten die Große Synagoge (Synagoga magna), deren Thätigkeit sich bis zur Zeit der Makkabäer hinzieht; durch dieselben wurde der Pentateuch od. das schriftliche Gesetz u. die Propheten gesammelt u. beide zu dem Mittelpunkt alles Denkens u. religiösen Thuns erhoben. Das allseitige Verständniß dieser heiligen Schriften wurde somit der Schwerpunkt für den jüdischen Geist u.[160] bestimmte die Richtung für die gesammte J. L. In dem ersten Abschnitte dieser Periode, die mit dem Jahre 143 v. Chr. abschließt, zeigt sich die ganze spätere Entfaltung noch gleichsam im Keime beschlossen. Es entstanden in dieser Zeit noch mehrere der sogen. Hagiographa des A. T., einzelne Psalmen, die Sprüche Salomos (wenigstens in der vorliegenden Gestalt), Koheleth, die Bücher der Chronik, Theile von Esra u. Nehemia, Esther u. Daniel. Als mit Alexander dem Großen u. der Herrschaft der Diadochen die griechische Philosophie auch nach dem Orient versetzt wurde, gelangte auch der jüdische Geist zum Selbstbewußtsein u. veranlaßte die Entstehung religiös-politischer Parteien u. Schulen; gegen Schluß dieses Abschnittes zwischen 190–170 v. Chr. treten auch Schriftsteller in ihrer Persönlichkeit auf, wie Jesus Sirach u. Aristobulos. Während sich hierauf im folgenden Zeitraum in Palästina die erweiterte religiöse Praxis über Alles erhob u. das von Simon 143 v. Chr. eingesetzte Synedrium der Träger der Gesetzautorität wurde, rief der Synkretismus Ägyptens den Alexandrinismus hervor. Man sammelte allmälig auch die Hagiographen u. brachte den Canon zum Abschluß; solche Schriften in griechischer od. aramäischer Sprache (welche letztere zur Volkssprache in Palästina geworden war), die erst geschrieben wurden, mußten daher als Apokryphen (s.d.) gelten. Außerdem schrieben in Griechischer Sprache noch Philo, Josephos, der Dichter Ezechiel, ferner Jason, Fuscus, Theodoret u.a. Neben dieser schriftstellerischen Thätigkeit ging aber eine noch viel ausgedehntere Lehrthätigkeit einher, welche die Grundlage der späteren Literatur des Talmud, Midrasch u. Targum, bildet. Letztere besteht nicht aus selbständigen eigenen Schriften, sondern ist eine ganz große Collectivliteratur, welche nirgends ein Analogon findet u. mehr als ein Jahrtausend hindurch die eigenthümliche Nationalliteratur der Juden bildet.

Mit Errichtung des zweiten Tempels waren an die Stelle der früheren Leviten u. Priester die Schriftgelehrten od. Soferim, an die der früheren Priester- u. Prophetenschulen Bildungsanstalten für jene getreten, in denen die Beschäftigung mit dem Gesetz u. die Forschung darüber (Midrasch) eine Hauptsache war. Nicht nur in diesen Gelehrtenschulen wurden für Kundige u. Schüler Lehrvorträge u. Discussionen gehalten, sondern die Soferim wandten sich auch in freieren populären Reden, Predigten u. Homilien theils in den Synagogen, theils bei verschiedenen Veranlassungen des öffentlichen u. Familienlebens an das gesammte Volk. Alle diese Vorträge verschiedenster Art, für welche jedoch die Heilige Schrift der nothwendige Ausgangs- u. Mittelpunkt war, heißen Midrasch im weitesten Sinne des Worts. Bei der großen Verschiedenartigkeit der Elemente, welche schon die Bibel enthält, war es natürlich, daß die verschiedenartige Auslegung, Anknüpfung u. Benutzung allmälig ein buntes literarisches Gewebe im Gefolge haben konnte. Wie in der ganzen Thätigkeit jener Zeit, so entwickelte sich aber auch im Midrasch ein Gegensatz, der später noch zu weiteren Divergenzen führte: der Gegensatz der Halacha u. Haggada. A) Die Halacha umfaßt das Gesammtgebiet der juridisch-politisch-religiösen Praxis, wie sich dieselbe nicht nur aus dem geschriebenen Mosaischen Gesetz, sondern auch aus der von den Zeiten der Sinaitischen Gesetzgebung mündlich fortgepflanzten Tradition (Kabbala), sowie aus den von Frommen u. Weisen aller Zeiten herrührenden, nach gewissen traditionellen Gesetzen der Interpretation ausgelegten u. angewandten Verordnungen, Einrichtungen u. Umzäunungen gestaltet hat. Die Halacha wurde durch Jahrhunderte nur mündlich fortgepflanzt. Zur Zeit der Soferim od. Großen Synagoge bildeten sich theils E. klärungen u. Erläuterung zum Pentateuch, die gleich in die Schrift hineingetragen, aber durch Zeichen (die Grundlage der späteren Masora) angedeutet wurden; theils schufen sie aus eigener Autorität Vorbeugungsgesetze (Zäune), die sogen. Dibre soferim, soferischen Vorschriften, welche den Gegensatz zu den aus der Bibel hervorgehenden u. derselben gleichgestellten traditionellen Gesetzen bilden. Als durch die politischen Ereignisse u. den Wechsel der Herrschaft auch das gesammte Leben der Juden eine Umgestaltung erfuhr, war auch eine Erweiterung u. Feststellung der das ganze politische, religiöse u. juridische Leben regelnden gesetzlichen Vorschriften, sowie weiter einestheils eine bestimmte Formulirung derselben, anderntheils bei dem fortdauernden Anknüpfen des Gültigen u. Bestehenden an die Bibel, auch die Ausbildung bestimmter hermeneutischer Methoden nöthig. Die Formulirung der halachischen Lehren geschah in oft änigmatisch kurzen Sentenzen (ebenfalls Halacha, Plur. Halachoth genannt), die in einer hebräischen Schulsprache (nicht der aramäischen Volkssprache) abgefaßt sind u. deren genaue Einprägung den Schulen zur Pflicht gemacht wurde. Der Verfasser od. Referent solcher Halachoth hießen (chald.) Thannaim. Jene kurzen Halachoth bedurften, um verständlich u. bei indessen geänderten Lebensverhältnissen anwendbar zu sein, einer weiteren Auslegung od. Besprechung, woraus der halachische Midrasch (Midrasch hahalachah) entstand, während die Erörterung des Verhältnisses der Halacha selbst zur Bibel den Midrasch der Schrift (Midrasch hakkethubim) bildeten. Die gesammte Behandlung der Halacha wurde mit der Bezeichnung Talmud (hebr.) od. Gemara (chald.) zusammengefaßt. Als die Zahl der einzelnen Halachoth anwuchs, begann man dieselben nach verschiedenen Rücksichten hin zu rubriciren. Die Geschichte der Abfassung u. allmäligen Zusammenfassung der Halacha knüpft sich bes. an die Schulen, die Schulhäupter u. obersten Rechtscollegien. Als Restaurator der seit den makkabäischen Kriegen gestörten od. wenigstens getrübten Tradition u. des mündlichen Gesetzes wird zur Zeit des Herodes Hillel genannt, dessen Schule sich jedoch mit der seines Collegen Schammai nicht in völligen Einklang setzen konnte. Das auf einige Zeit (45–70 n.Chr.) gestörte Studium erhob sich von Neuem in der schon unter Gamaliel dem Alten blühenden Schule zu Jamnia, wohin Jochanan Ben Salkai mit anderen Gelehrten ausgewandert war, u. von wo aus das Studium u. die Entwickelung der Halacha einen neuen Impuls erhielt. Zwar suchte der Nachfolger des Letztgenannten, Gamaliel Ben Simon Ben Gamaliel (um 100 n.Chr.), der zu Jamnia ein neues Synedrium sammelte u. jedenfalls als Vorsteher desselben zuerst den Titel Nasi (Fürst) führte, noch einmal, indem er die Aussprüche von Hillel's Schule als normativ hinstellte, die Einheit der Praxis gegenüber den Widersprüchen der einzelnen Schulen zu verwirklichen, allein seine Bemühungen[161] scheiterten, u. angesehene Männer wirkten selbständig in Schulen an verschiedenen Orten, wie Ebeneser Ben Hyrcan zu Lydda, Josua in Pekiin, Jehuda aus Batyra in Nisibis etc., wie denn überhaupt mit der Zerstreuung der Juden auch jüdische Gelehrsamkeit nach Arabien, Kleinasien bis nach Rom hin verpflanzt wurde. Bes. wirkte der berühmte Proselyt Akiba (st. 122) ebenso durch seine Reisen, wie in seiner Schule zu Bene Barak. Nach dem Aufstande des Bar-Kochba erstand die Schule zu Tiberias, welche eine weitberühmte u. einflußreiche Stätte jüdischer Gelehrsamkeit wurde. Als Gelehrte zeichneten sich aus Simon Ben Gamaliel, Rabbi Natan der Babylonier, R. Meir Elieser Ben Jose u.a. Das bereits von Hillel begonnene Werk, aus den angehäuften Massen der Halacha einen Canon zu sammeln, wurde von dem erwähnten R. Simeon fortgesetzt u. durch dessen Sohn R. Jehuda (st. 191), dem Freunde Marc Aurel's, der vorzugsweise auch mit dem zum Ehrentitel gewordenen Namen Rabbi genannt wird, zu Ende geführt, weshalb er auch gewöhnlich als Verfasser od. vielmehr Redactor der Mischna (s.d.) bezeichnet wird. Durch Abba Aricha (st. 243), den Schüler Jehuda's, wurde dessen Mischna nach Babylonien verpflanzt, wo sich seitdem eine größere gelehrte Thätigkeit entwickelte. Obgleich die Mischna (Mischnijjot) des Jehuda, die jedoch durch verschiedene Andere noch Umgestaltungen erfuhr, durch Umstände verschiedener Art allmälig zum Ansehen eines Canons gelangte, so wurde daneben von dem erwähnten Abba Aricha, dessen jüngeren Zeitgenossen Chijja u. den noch jüngeren Oschaja eine andere Sammlung der Halacha, die Externe Mischna hebr. Mischna chazunah, chald. Matnito Boraito), gewöhnlich Boraita genannt, zusammengestellt. Chijja u. Oschaja sammelten bereits auch die Discussion u. sonstige in der Mischna übergangene Zusätze der Halacha, die sogen. Tofesta. Ebenso entstanden um diese Zeit Sammlungen, welche die Exegese u. Methodologie der Halacha feststellten, wie sie von älterern Lehrern gepflegt wurde. Dahin gehören die Werke Sifra, aus der Schule Abba Aricha's (auch schlechthin Rab genannt) hervorgegangen, u. die Mechilta. Der bisher stetig fortgeführte Überbau des mit frommer Sorgfalt gehüteten Materials der Vergangenheit wurde in den sich in Palästina u. Babylonien mehrenden Schulen immer weiter fortgeführt. Das was in der Mischna u. den erwähnten Sammlungen bereits zu einem Fertigen geworden war, wurde neuerdings Gegenstand mündlicher Auslegung u. Discussion u. mußte an die Bibel angeknüpft werden. Die Schriftdeutung wurde daher immer willkürlicher, die Methodologie immer verwickelter u. endlich das traditionelle Element der Halacha durch die Speculation (Hajajot, subjective Erörterungen) überschattet. Das Bedürfniß nach Sichtung u. Unterordnung des neugewonnenen Materials unter das alte stellte sich immer mehr heraus, u. nachdem einmal selbst die alte Halacha (in der Mischna) u. deren Erläuterung durch die Schrift zum Canon erhoben worden war, wurden die nachfolgenden, sich daran schließenden Erörterungen periodisch ebenfalls schriftlich, weniger wohl durch Einzelne, als durch ganze Schulen redigirt. So entstand 370–80 zu Tiberias der sogen. Jerusalemische (richtiger Palästinensische) Talmud (richtiger Gemara), der fälschlich dem Rabbi Jochanan (st. 279) zugeschrieben wird. Während bald darauf das Ansehen Palästinas sank, u. in Babylonien die Schulen zu Sura, Pumbedita, Nehardea, Mahusa, Neresch unter Schulhäuptern (Resch Metibta) u. sogen. Exilfürsten (Resch Geluta) erblühten, vermochte es Rab Asche (st. 427), Schulhaupt zu Sura, während seiner langen Amtsdauer mit seinen vielen Schülern den gesammten halachischen Stoff zu sammeln u. zu ordnen; sein Sohn, der dieses Werk beendete, Mar Ben Asche (st. 467) wird als die letzte talmudische Autorität bezeichnet. Die Redaction der Babylonischen Gemara erfolgte durch R. Jose, Vorsteher zu Sura (st. 475). Während man die jüdischen Gelehrten, welche sich mit der Halacha beschäftigten, bis dahin Amoraïm genannt hatte, erhielten die jüdischen Lehrer seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrh. den Namen Saboraïm. Die letzten derselben müssen den Babylonischen Talmud bereits in der Form gehabt haben, in welcher er noch gegenwärtig im Drucke vorliegt. Der Talmud (s.d.) war in dieser Zeit ein bereits fertiges Schriftliches das selbst wieder Gegenstand der Auslegung, Erörterung u. Discussion war; Mischna u. Talmud wurden als lebendige Commentare der Schrift angesehen u. allen späteren Entwickelungen zu Grunde gelegt. Nach jahrhundertjähriger Unterbrechung erhob sich gegen Ausgang des 6. Jahrh. Babylon auf Jahrhunderte von Neuem zum geistigen u. religiösen Primat durch die hochangesehenen Schulhäupter zu Sura u. Pumbedita, von welchen zuerst Hanan (589) den Titel Gaon (Excellenz) geführt haben soll. Die Literatur der Zeit der Gaonim beginnt jedoch erst um die Mitte des 8. Jahrh.; bis dahin fuhr man mit Verbreitung des Talmudstudiums fort. Gegen das Ende diese Periode verfaßte R. Simon aus Kahira die Halacho Gedolot, deren Schlußredaction in die Mitte des 9. Jahrh. fällt; bereits um die Mitte des 8. Jahrh. waren die Scheeltot des R. Acha aus Schabcha entstanden. In Palästina scheint seit Abschluß des Jerusalemischen Talmuds nichts Bedeutendes geschehen zu sein; dagegen erhielt dort im 6._– 8. Jahrh. die Masora (s.d.) ihre Ausbildung zu einer weitläufigen Wissenschaft, auch wurden einzelne Targumim abgefaßt.

Am thätigsten jedoch war Palästina mit den ihm näher verbundenen Ländern Kleinasien, Griechenland, Italien auf dem Gebiete B) der Haggada. Obgleich die Haggada einen viel weiteren Spielraum für die Thätigkeit des Midrasch gewährte als die Halacha, so blieb doch für dieselbe immer die Heilige Schrift Mittelpunkt; allein für sie bestand kein Unterschied zwischen dem Gesetz u. anderen Bibelschriften, sie konnte ganz frei anknüpfen u. den ganzen Inhalt der Bibel als einen geläufigen u. typischen ungehindert ausbeuten. Eine Ausprägung in bestimmte unveränderliche Formeln war nicht nöthig; auch begann man frühzeitig die Haggada für Schule u. öffentlichen Vortrag schriftlich aufzuzeichnen. Die Haggada begreift alle religiösen u. geschichtlichen Auslegungen in sich u. ist verschiedener Art. In vielen Sammelwerken halachischer Art findet sich auch vieles, was der Haggada angehört, wie namentlich auch in der Babylonischen Gemara. Dahin gehören auch die Anfänge einzelner Wissenschaften, welche Übergänge zwischen Halacha u. eigentlicher Haggada, namentlich Geheimlehre bilden, wie Natur- u. Heilkunde, Mathematik u. Astronomie. Doch kann von einer[162] eigenen Literatur dieser Wissenschaften in dieser Periode noch nicht die Rede sein. Soweit die Haggada selbständig auftritt, läßt sich die allgemeine Haggada von der speciellen od. Auslegungshaggada unterscheiden. Die erstere zerfällt wieder in drei Hauptgruppen: a) die ethische Haggada, od. der Maschal; die ethischen Lehren erscheinen noch nicht als System, sondern in halbpoetischer Form, als Gnome u. Sprüchwort, od. in künstlicherer Form als Räthsel u. Apolog, Fabel u. Parabel. Im Talmud werden einige Fabelsammlungen u. R. Meir u. Bar Kappara als Fabeldichter genannt. Zur Literatur gehören aus den griechischen Apokryphen Jesus Sirach (s.d.), dessen einzelne Elemente in dem späteren Sefer Ben Sirach vorkommen, u. im Pseudo-Esra die Zuthat: Von der Weisheit Serubabels. Zu den ältesten Sammlungen ethischer Sentenzen gehört das verlorene Megillat Setarim od. Megillat Chasidim, welches vorzüglich Aussprüche des berühmten Jose Ben Jehuda enthielt. Die älteste vollständig erhaltene, angesehenste u. überhaupt wichtigste Gnomologie ist der Tractat der Mischna, welcher den Titel Pirke Abot (Sprüche der Väter) führt u. ein Mittelpunkt für die späteren jüdischen Ethiker geworden ist. Hieran schließen sich u.a. die Abot des R. Natan u. als Spätling der 974 von einem Babylonier verfaßte Tana debe Eliahu od. Seder Eliahu. b) Die zweite Gruppe der allgemeinen haggadischen Literatur begreift die Sage u. Legende; ihre Ausläufer reichen noch tief in die folgende Epoche der jüdischen Literaturgeschichte hinein. Es gehören dahin außer der Haggada Pesach, der auch schlechthin Haggada genannten, für den Osterabendritus bestimmten Osterhaggada; die Megillat Taanit, schon im Anfang des 2. Jahrh. aramäisch vorhanden, ferner die Megillat Juchasin, vielleicht auch ein apokryphes Buch Adam, sowie aus späterer Zeit das Buch Serubabel, das aramäische Buch Antiochus etc. Später wurden die berühmten Tannaim u. Amoraim durch die Sage verherrlicht, bis die haggadische Literatur zur Zeit der späteren Gaonim in wirkliche Pseudepigraphie ausartete. Biblische Sagenkreise behandeln meist in halbpoetischer hebräischer, immermehr puristischer biblischer Sprache die Thaten Abrahams, zum Theil nach arabischen Legenden; der Midrasch Vajis'u über die Kriege von Jakobs Söhnen; der Midrasch vom Ableben Mosis; Legenden von arabischer Färbung sind die Geschichten von Salomo, talmudische Sagenkreise finden sich einzeln bearbeitet in: Geschichte von R. Josua Ben Levi, auch Tractat vom Paradies genannt; Geschichte der zehn Märtyrer, auch Midrasch ele eskera genannt; der Midrasch der zehn Gebote, eine Sammlung von Erzählungen nach dem Inhalte des Dekalogs, welche den Übergang zu förmlich angelegten größeren Sammlungen mit bestimmter Auswahl bildet. c) Die dritte Gruppe der allgemeinen haggadischen Literatur, die der speculativen Schriften, zeigt sich in dieser Periode erst in ihren Anfängen als Midrasch der Vision Ezechiels u. der Schöpfungsgeschichte. Die specielle Haggada, od. der Midrasch im engsten Sinne, ist gewissermaßen die alte jüdische Exegese u. Homiletik. Die hierher gehörigen Schriftwerke erscheinen daher als eine Art von Commentar über einzelne Bücher der Heiligen Schrift. Dahin gehören die unter dem Namen Midrasch Rabba od. Rabbot bekannten zehn Midraschila über den Pentateuch u. die fünf Megillot, deren ältester schon im 6., der jüngste im 12. Jahrh. zum Abschluß kam. Einen vollständigen, den Perikopen ausgezeichneter Tage sich anschließenden Cyklus von Vorträgen bildet die um 700 angelegte alte Pesikta, gegen welche die Pesikta rabbati um wenigstens anderthalb Jahrhunderte jünger ist. Der wahrscheinlich in Süditalien in der zweiten Hälfte des 9. Jahrh. gesammelte Midrasch Tanchuma od. Tanchuma-Jelamdenu ist die älteste den ganzen Pentateuch umfassende Auslegungshaggada. Sonst sind noch der Midrasch der Psalmen (Schocher Tob) u. die Boraita des Elieser Ben Hyrcan, sowie von anderer Art der Midrasch Vajoscha (über Ex. 14, 30 ff.) zu nennen. An die Stelle der schaffenden Thätigkeit in der Haggada u. dem Midrasch treten im 11. Jahrh. Compilationen u. Sammelwerke, die jedoch, wie der Midrasch Jalkut von R. Simon Kara, manches Verlorene aufbewahren. Im innigsten Zusammenhange mit der Entwickelung des Midrasch entsteht die der gesammten Liturgischen Literatur der Juden, als deren wichtigster Theil das Gebet zu betrachten ist. In der Talmudischen Periode wirkten für Abschaffung od. Feststellung der Liturgie Gamaliel der Jüngere u. R. Jochanan in Palästina; Rab u. Samuel in Babylon.

II. Die zweite Hauptperiode

in der Geschichte der J-n L. umfaßt die Zeit vom 8. bis zum 15. Jahrh., vom Beginn der arabischen Wissenschaften bis zur Vertreibung der Juden aus Spanien. Die Entwickelung der J-n L. erfolgt bereits in der Zerstreuung unter dem Einfluß verschiedener Nationalitäten u. Sprachen, sowie des Christenthums u. des Islam; sie ist reicher u. verzweigter, die Person des Autors kommt erst jetzt zur Geltung, wie die einzelnen Schriften das Gepräge einer bewußten beabsichtigten geistigen Schöpfung mit aller Rücksicht für die Form. Von Babylonien u. Irak aus folgte die jüdische Bildung den Zügen der Araber nach Nordafrika, Spanien u. dem südlichen Frankreich (Provence); von Palästina aus hatte sich hingegen dieselbe schon vorher über die Länder der römischen u. christlichen Herrschaft (Kleinasien, Griechenland, Norditalien, Frankreich, Deutschland) verbreitet; gegen Ende des 9. Jahrh. kamen jüdische Gelehrte von Lucca aus nach Mainz. Mit dem 10. Jahrh. trat die J. L. Europas für immer in den Vordergrund; die halachische Autorität, welche im Orient die Gaonim (welche 1037 mit den babylonischen Schulen gänzlich untergingen) errungen hatten, ging seit der zweiten Hälfte des 10. Jahrh. verloren, seitdem von Bari in Italien einige angesehene jüdische Gelehrte in Kahira, Kairovan u. Cordova sich niedergelassen hatten, welche sich von jener Autorität emancipirten. Doch dauerte die Blüthe der J-n L. in Spanien (mit Mauritanien) nur kurze Zeit, bis sie der Zelotismus der Almohaden (um 1150) zu zertreten drohte, aber nur deren Verpflanzung (mit der Bewegung der Kreuzzüge) nach Osten od. nach der Provence bewirkte. Eine neue Übergangsstufe in dieser Periode bildet das 12. Jahrh. Während desselben begann in Nordfrankreich u. einem Theile Deutschlands eine bedeutende Entwickelung talmudischer Gelehrsamkeit, während die gelehrten Juden in der Provence bemüht waren, durch Übersetzungen aus dem Arabischen die arabische Wissenschaft auch den Juden Frankreichs u. Italiens zugänglich zu machen. [163] Doch die consequente Gestaltung, welche die letztere durch Maimonides erhielt, rief im 13. Jahrh. eine scharfe Polemik über das Philosophiren hervor. Je mehr die Araber in Spanien an Boden verloren, desto erwünschter wurde der Ersatz, welchen die Juden zu bieten schienen. Im 13. Jahrh. werden daher christliche Fürsten, wie Kaiser Friedrich II. (1232), Alfons der Weise (1256–77), Robert von Anjou (1319), Beschützer u. Gönner jüdischer Gelehrter, wenn auch wiederum der christliche Zelotismus viele judenfeindliche Schriften, sowie Judenverfolgungen u. Verbrennungen jüdischer Bücher hervorrief. Gleicherzeit entwickelte sich an den Berührungspunkten arabisch-spanischer u. jüdischchristlicher Geistesrichtungen in der Provence u. Süditalien aus der alten Geheimlehre, der rationellen Richtung gegenüber, die neue Kabbala mit ihrer pseudepigraphischen Literatur, welche im 14. u. 15. Jahrh. nicht nur den Norden Europas, sondern auch des ganzen Südens, für sich gewann. Mit Ausnahme der Theologie, betheiligte sich auch allmälig die J. L. immer mehr an den erstehenden Romanischen Literaturen. Seit dem 13. Jahrh. schließt sich auch Italien mehr der spanischen Richtung an u. nimmt zuletzt die besten Kräfte der Vertriebenen auf. Während in der ersten Periode die gesammte Literatur sich dem Midrasch unterordnet u. von einer unabhängigen Wissenschaft im engern Sinne keine Rede sein konnte, folgten bereits im Anfange dieser Periode die Juden den Fußtapfen der Araber, welche sich die wissenschaftlichen Leistungen der Perser u. Inder, namentlich aber durch Vermittelung der Syrer die der Griechen aneigneten. Zu den ersten Juden, welche sich um arabische Wissenschaft verdient machten, gehören Masnerdscheweih (683), Maschallah (754–813), Sahl-et-Thaberi (800–830) u. And. Auch die Karäer (s.d.), eine um 750 entstandene Secte, förderten die Wissenschaft unter den Juden. Außer den speciell jüdischen Literaturkreisen gewannen namentlich Mathematik u. Astronomie, Medicin u. Naturkunde an Inhalt u. wissenschaftlicher Form.

Was zunächst die Halachische Literatur dieser Periode betrifft, so bezog sich die Thätigkeit der späteren Gaonim des Orients (800–1037) auf den Babylonischen Talmud (s.d.), welchen sie sprachlich u. sachlich zu erläutern suchten, od. sie ertheilten Gutachten, oft bis nach Spanien u. Frankreich hin, od. verfaßten Monographien über verschiedene Gegenstände der Praxis, zum Theil in Arabischer Sprache. Solche Schriften verfaßten Zemach (872–90), Saadja, Scherira u. Hai (st. 1037), letztere drei wohl die berühmtesten der Gaonim, u. Samuel Ben Chofni. Später schrieben Chefez (1000–1050), Nissim Ben Jakob, Chananel (st. 1050), Jakob Alfasi aus Fez (1013–1103), welcher in seinen Halachot einen Gesetzcodex aus dem Talmud gab, der zu hohem Ansehen gelangte u. selbst bis nach Frankreich drang. Indessen war in Spanien durch die Schule des aus Bari nach Cordova verpflanzten R. Moses u. dessen Schüler Josef Ibn Abitur u. R. Chanoch, sowie R. Samuel Hannagid ein selbständiges halachisches Studium begründet worden; in Deutschland eröffnet R. Moses aus Lucca seit dem 11. Jahrh. eine ununterbrochene Reihe ausgezeichneter Gesetzlehrer, zu denen in Frankreich R. Gerson, dessen Bruder R. Machir (1030), der R. Mose Haddarschan in Narbonne, der R. Simeon Haddarschan, Nathan Ben Jechiel in Rom (starb 1106), der Verfasser des Wörterbuchs Aruch;; Salomo Isaki (Raschi, fälschlich Jarchi), dessen musterhafte Commentare über den Talmud alle ihre Vorgänger überflügelten. Epochemachend tritt Maimonides (s.d.) hervor, welcher um 1180 in Ägypten in seiner Mischne Torah ein das ganze Gebiet der Halacha umfassendes Compendium gab, das sich bald über Orient u. Occident verbreitete, zu großem Ansehen gelangte u. vielfach angegriffen, vertheidigt u. von bedeutenden Gelehrten commentirt wurde. Als Einleitung dazu schrieb Maimonides das Sefer hammizvot, welches nicht geringere Verbreitung u. Geltung erlangte. In Frankreich u. Deutschland waren zur Erläuterung des Talmud im 12. u. 13. Jahrh. Glossen, die Tosa pot, entstanden, deren großer Theil den gedruckten Talmudausgaben beigegeben ist. Mit dem 14. Jahrh. sank das Studium der Halacha vorzüglich in Frankreich u. Deutschland; erst gegen Ende des Mittelalters entwickelte sich von Ungarn u. Österreich aus auf diesem Gebiete ein neues Leben, welches aber durchaus keinen Fortschritt bekundete. Unter den systematischen Arbeiten, bei denen in Form u. Anlage der Spanischen Schule der Vorrang gebührt, sind noch zu nennen das Sefer hammizvot des Moses Ben Isaak aus Coucy (um 1236), aus welchem die Amuda hagola des Isak Ben Josef aus Corbeil (1277) ein Auszug sind; ferner die Bearbeitung der erwähnten Halachot des Alfasi durch Mordechai in Nürnberg (1300). Zu den erläuternden Schriften gehören die Wörterbücher des Machir in Frankreich (1030), Nathan Ben Jechiel in Rom (st. 1106), Tanchum aus Jerusalem (um 1250) etc. Methodologische Werke lieferten Maimonides, Josef Ibn Aknin, Simson Ben Isak aus Chinon (um 1300), Isak Kanpanton in Castilien (st. 1483), Jeshua Ben Josef Halevi (st. 1467 zu Toledo), der Verfasser der Halichot Olam. Hierzu kommen noch zahlreiche Gutachten, namentlich Rechtsgutachten, gesammelte Schriften u. Miscellen (meist mit symbolischen Titeln) etc. Mehr in das historische Gebiet streifen diejenigen Werke, welche über die Lebensverhältnisse der zahlreichen, in der Mischna u. dem Talmud angeführten Autoritäten Auskunft geben, wie das Sefer tannaim veamoraim (885–87), die Schriften des Nathan Ben Isak Hababli (956), das berühmte Bescheidschreiben des Gaon Scherira (986) über die Abfassung der Mischna, des Traditionsbuches des Abraham Ben David Halevi in Spanien (1061). Ein biographisches Wörterbuch über die Talmudlehrer verfaßte ein Bruder des R. Meir aus Speier (1210). Sonst gehören noch hierher, außer der Einleitung des Maimonides zum Mischnacommentar, Schriften des Menachem Ben Serach, Isak de Latas (1372) u. And. Historische Schriften sind: das Seder olam sutta, welches die Nachkommenschaft der babylonischen Patriarchenfamilie vom Davidischen Hause beweisen will; die hebräische Bearbeitung des lateinischen Hegesippus durch den sogenannten Pseudojosephus od. Josephus Gorionides (10. Jahrh.); das Sefer hajjaschar, wahrscheinlich in Spanien im 12. Jahrh. als Lehrbuch verfaßt, in welchem sich schon deutlich der Gegensatz späterer absichtlicher Pseudepigraphie zum älteren geschichtlichen Midrasch kundgibt. Hieran reihen sich schlichte chronikenartige Aufzeichnungen über erlebte Ereignisse, sogenannte Memorbücher, Märtyrerverzeichnisse u. dgl., wie von [164] Elieser Ben Nathan in Mainz (1130_–50), Ephraim Ben Jakob aus Bonn, Palquara (um 1250), Jakob Lewi (st. 1427) etc. Von Bedeutung sind die Berichte jüdischer Reisenden, welche namentlich für die Geographie u. Geschichte Palästinas werthvolle Beiträge liefern. Dahin gehören Benjamin von Tudela (1160 etc.), bisher der bekannteste; ferner Petachja aus Regensburg (1170–80), Hillel (13. Jahrh.), Samuel Ben Simson aus Frankreich (1210), der Dichter Charisi (1216–18), Jakob aus Frankreich (1257), Jochanan Ben Ephraim aus Maghreb (um 1473), Meschullam Ben Menachem aus dem Toscanischen, Obadja di Bertinoro (st. 1500–1510) u. And. Ferner gehören hierher die Correspondenz des Chisdai Ben Isaak mit dem Chasarenkönig (959), die Kosmographie des Gerson Ben Salomo in Catalonien (1290), die in jeder Beziehung wichtige Schrift des Esthori Parchi (1322), die hebräische Übersetzung des Image du mo nde (1345) etc. Portugiesische Juden nehmen zu Ende des 15. Jahrh. in der Geschichte der Geographie keine unbedeutende Stelle ein.

Der Kampf zwischen der naiven Haggada, die in der Hauptsache schon in der vorigen Periode ihren Abschluß gefunden hatte, u. dem eigentlichen Denken hatte sich zwar schon in den letzten Auslautungen des Midrasch gezeigt, trat aber in dieser Periode durch den Einfluß der arabischen Wissenschaft immer schärfer hervor. In dem Streite über die Gültigkeit der Halacha war die Secte der Karäer (s.d.) entstanden (750). Schon Saadja Gaon (st. 942) eiferte für den Vernunftgebrauch. Zuerst zeigte sich der Einfluß der arabischen Wissenschaften in Spanien, wo im 12. Jahrh. mehrere jüdische Philosophen, wie Petrus Alfonsi, Johann Hispalensis od. Abendehut, David, Ibn Sahe u. And. dem Judenthum entfremdet worden zu sein scheinen. Dem gegenüber stand der naive Glaube der nord-französisch-deutschen Juden, welche an der Halacha festhielten u. mit den Arabern nicht bekannt waren. Zum vollen Ausbruche kam der eigentliche Kampf in der Provence durch Maimonides (st. 1204 in Ägypten), welcher in mehreren seiner Schriften, wie den Moreh hanebuchim, den schon früher von Saadja u. den Karäern aufgestellten Grundsatz consequent durchführte, das Bibelwort müsse nach den durch Vernunftschlüsse gesicherten Grundwahrheiten metaphorisch umgedeutet werden Die Provence war damals ein Verbindungspunkt arabischwissenschaftlicher Bildung u. französischer Talmudgelehrsamkeit. Hier übertrug Jehuda Ibn Tibbon, der Vater der Übersetze. (1160), welcher nebst Josef Ibn Kimchi die Ethik des Becchaji, später die Schriften des Jehuda Halevi, Gabirol, Ibn Gannah u. Saadja, sowie sein Sohn Samuel Ibn Tibbon u. der Dichter Jeh. al Charisi (1232) die Moreh u. andere Schriften des Maimonides aus dem Arabischen in das Hebräische. Hierzu kam Jakob Antoli (um 1232), welcher die Commentare des Ibn Roschd über die philosophischen Schriften des Aristoteles übertrug u. selbst den Malmad, einen Cyclus philosophischer Vorträge über den Pentateuch, veröffentlichte, der in der Provence ebenfalls sehr beliebt war u. daher auch gleich den Schriften des Maimonides zum Gegenstande des Angriffs wurde. Als der Talmudgelehrte Salomo Ben Abraham in Montpellier (1230–32) einen Bann über die Moreh des Maimonides gesprochen hatte, suchten Meir Halevi Abulafia zu Toledo (st. 1244), Nachmanides zu Gerona, der Arzt Jehuda Alsachchar in Grenada eine vermittelnde Stellung für Maimonides u. gegen den Mißbrauch der Philosophie einzunehmen, während Andere, wie Abraham Saforta, Abraham Ibn Chisdai in Barcelona, David Kimchi, entschiedener zu Gunsten der Philosophie auftraten. Auch im Orient fanden die Lehren des Maimonides Gegner an Samuel Halevi (1190), David Ben Hodaja, David dem Babylonier, aber mehr od. minder thätige Vertheidiger an Josef Ibn Aknin, Abraham zu Kahira (1234), Isai Ben Chiskia (1286) u. And. In der Provence u. Italien trat der Kampf der Orthodoxie gegen die Philosophische Schule des Maimonides, namentlich die philosophische Schriftauslegung, welche unterdessen viel Boden gefunden hatte, um 1300 in ein neues Stadium. Als Parteiführer gegen die Philosophie trat namentlich Abba Mari Ben Mose, genannt Astruk de Lunel, aus Montpellier auf; ihm gegenüber standen vorzüglich Jakob Ben Machir, Jedaja Penini u. Schemtob Palquera. Salomo Ibn Aderet zu Barcelona sprach endlich 1305 einen Bann gegen das zu frühe Studium der Philosophie aus, welchem sich Ascher Ben Jechiel zu Toledo anschloß. Infolge der Vertreibung der Juden aus Frankreich (1306) u. der Verfolgungen in Nordspanien (1320), schwand Nordfrankreichs Bedeutung in der J-n L. für immer, die der Provence ging allmälig an Italien über. Die Zeitströmungen gaben zwar den jüdischen Denkern verschiedene Richtungen, doch ließ sich der Gegensatz zwischen der spanisch-portugiesischen (Sefaridi), arabischwissenschaftlichen u. deutsch-französischen (Aschkenasi) halachischen nicht ganz verlöschen; noch in den Ausläufern dieser Periode, wie z.B. bei dem Kabbalisten Schemtob Ben Schemtob (st. 1430) u. seinem Bekämpfer Mose Alaschkar (1495), ja selbst bis auf die Gegenwart herunter, knüpft der Streck um die Philosophie an Maimonides u. seine Gegner an.

Die erste systematische Religionsphilosophie der Juden des Orients scheint sich an die arabischen Mutakallimun od. Scholastiker, namentlich die Mutazeliten, angeschlossen zu haben. Später erhielt in Spanien die Schule des Farabi durch Maimonides das Übergewicht. Diesem gegenüber stand eine Art orthodoxer Gefühlstheologie, wie die des Jehuda Halevi (1140) u. später die Kabbala, welche beide im Kampfe gegen die sogenannten Philosophen an den Araber Ghasali anknüpften. Die theologischphilosophische Literatur dieser, Periode besteht zunächst in Bearbeitungen arabischer Schriftsteller, deren vorzüglichste Farabi (870–950), Ibn Sina (980–1037), Ghasali (st. 1111 od. 1126), Ibn Szalgh (st. 1138), Ibn Tofeil (um 1150), Ibn Roschd (st. 1198) sind, aus welchen die Juden ihre Kenntniß der griechischen Philosophie schöpften. Später bearbeitete man auch Schriften christlicher Scholastiker. Die namhaftesten Übersetzer arabischer Schriften von Muhammedanern u. Juden sind: die Familie Tibbon, Jakob Antoli (1232), Salomo Ben Mose Melgueiri, Schemtob Palquera (1264–80), Levi Ben Gerson od. Gersonides in Perpignan (1288), Serachja in Rom (1284–94), Isak Alballeg (1307), Kolonymus Ben Kalonymus aus Arles (geb. 1287), Josef Ibn Caspe aus Spanien (1280–1320), Prophiat (Profatius) Samuel Ben Jehuda aus Marseille (1321–26), Mose Narboni (1344–62), Jehuda Ben Salomo Natan[165] aus der Provence (1354), Salomo Ibn Labi u.a. Saad Ben Daud schrieb einen arabischen Commentar über Ghasali. Mehr nach lateinischen Quellen arbeiteten Jehuda Ben Mose Ben Daniel Romano (geb. 1292), Abigdor (1367) in Montpellier, Don Meir Alguades (1405), welcher die aristotelische Ethik des Boethius aus dem Lateinischen übersetzte, die dann von Josef Ben Schemtob in Lyon (1450) commentirt wurde; ferner Habillo aus Monçon (1470), Jaisch (1485), Bibago in Aragon (1409) u. dessen Gegner Isak Arama, Nachmias (1491), Elia Misrachi (1490), Mose Almosnino (geb. 1523) etc. Selbständige Schriften über die Hauptlehren des jüdischen Glaubens verfaßten die Spanier Ibn Gabirol, Mose Ibn Esra (1138), Josef Zadik Ibn Aknin (st. 1226), vor Allen aber Maimonides, dessen religionsphilosophische Werke, namentlich aber die Moreh, den Mittelpunkt religionsphilosophischer Thätigkeit bis auf die Gegenwart bilden u. von vielen der berühmtesten Gelehrten commentirt worden sind. Andere Religionsphilosophen sind Abulafia (st. 1255), Sebara (1264), Lewi Ben Abraham, Billa (1320), al Constantini (um 1350), Jehuda Ben Josef Corsani (st. 1370), Gersonides (st. 1370), Crescas (1377), welcher mit seinem Schüler Josef Albo (1425) die Glaubensartikel des Maimonides angriff; Machir (1400), Duran (st. 1444), Josef ben Schemtob (geb. 1420), Bibago (1489), Schalom (st. 1492), Josef Ibn Japja (st. 1539), Josef Kilti der Grieche (1450 bis 1500) etc. Die Ethik konnte zu keiner selbständigen Geltung gelangen. Wenn auch Bechaji aus Saragossa (1050–1100) in seinen »Herzenspflichten« dieselbe zu einem Systeme erheben wollte, so erscheint sie doch entweder als Behandlung der aristotelischen od. als Auslegung der Haggada, namentlich des Tractats Abot, od. in eigenen kleinen Schriften in Form von Episteln, wie vorzüglich bei den Sesaddim, od. auch von sogenannten Testamenten, wie namentlich in Deutschland. Daher sind nur Wenige als Ethiker zu nennen, wie in Deutschland namentlich Jehuda Ben Samuel aus Regensburg (um 1200), dessen Schule das berühmte Sefer chasidim (Buch der Frommen) angehört. Bedeutend für die Philosophie der Zeit sind auch die Bibelcommentare des Ibn Esra (st. 1168), Gersonides, Tanchum (arabisch, um 1250), Ibn Caspe, Immanuel aus Rom (um 1300), Schemarja Negroponte (vor 1346), Schemarja Ikriti (um 1430), Aboab (st. 1492), Abravanel (st. 1506), Isak Schafrat (1385), viele Supercommentare zu Ibn Esra etc., ferner die Vorträge über die biblischen Perikopen, namentlich den Pentateuch etc. Die philosophische Terminologie wurde ebenfalls mehrfach, wie von Menachem Bonsos Perpignano, bearbeitet. In dieser Periode gelangt auch die Literatur der Kabbala (s.d.) zur Blüthe; ebenso die der Secte der Karäer, deren Ursprung von Anan Ben David (um 760) datirt.

Sehr reich ist die polemische Literatur der Juden, welche theils gegen das Christenthum, theils gegen den Muhammedanismus gerichtet ist. Im Orient ist bis jetzt kein Werk namentlich bekannt, welches gegen das Christenthum gerichtet wäre. In Europa ist die erste bekannte polemische Schrift das Buch Kusari des Jehuda Halevi (1140), welches aber mehr gegen Islam, Aristoteliker u. Karäer gerichtet ist. Die eigentlichen Widerlegungsschriften auf die Angriffe der Juden durch die Christen, beginnen erst mit Ende des 12. u. Anfang des 13. Jahrh., seit welcher Zeit von Regenten u. Päpsten auch wirkliche Disputationen angeordnet wurden. Selbständige Arbeiten lieferten aus der Spanischen Schule Josef Kimchi, Jakob Ben Reuben (1170), Jechiel, Nachmanides, Narboni, Isak Nathan u. viele Andere. Vielleicht die bedeutendste jüdische Kritik des Christenthums u. Islam gab Simon Duran (1423), welche auch zum Theil in die Schriften des Farissol (1472) übertragen ist. Die Deutsch-französische Schule lieferte namentlich Sammlungen (Nizzachon) von hierhergehörigen Stellen aus den Exegeten od. in den Disputationen mündlich vorgebrachter Bibeldeutungen; am berühmtesten sind die Nizzachon von Lippmann aus Mühlhausen (1400). Eine bedeutendere Beachtung des Islam tritt erst bei Jehuda Halevi (1140) u. Maimonides ein; den Ersteren suchte der Renegat Samuel Ben Jehuda Ibn Abbas (1163) zu widerlegen. Als das Alte Testament einmal abgeschlossen u. das Hebräische als allgemeine Sprache des Volkes erloschen war, mußte die hermeneutische u. exegetische Thätigkeit ihr Augenmerk auf das Sprachliche richten. Es wurden daher erst Übersetzungen ins Aramäische u. Griechische, später ins Arabische u. während des Mittelalters in verschiedene europäische Sprachen nöthig. Den Anfängen der eigentlichen Grammatik ging die Masora (s.d.) voraus. Während die Bearbeitung der hebräischen Grammatik aus der arabischen entsprungen u. derselben nachgeahmt ist, hat die Lexikographie in verschiedenen Arbeiten über den Talmud ihre Vorgänger. Die sprachlichen Arbeiten der babylonisch-afrikanisch-spanischen u. späteren italienischen Richtung waren bis ins 12. Jahrh. fast nur in arabischer Sprache abgefaßt. Die namhaftesten Sprachgelehrten finde Saadja, Adonim Ben Temim, Samuel Ben Hosni u. Hai Gaon (st. 1038), in Afrika Jehuda Ibn Koreisch, Dunasch Ibn Librat, Menachem Ben Seruk; der Vater der Grammatiker wurde Jehuda Ben David, genannt Chajjug aus Fes, der erste, welcher eine vollständige Grammatik nebst Lexikon darstellte, der Arzt Jona Abulwalid Merwan Ibn Gannah. Mit Salomo Ibn Gabirol beginnt die Hebräische Sprache für das Arabische einzutreten. In Europa sind nun zu nennen Moses Hakohen Ibn Ehlkitilla aus Cordova u. Ibn Esra in Rom (1140–67), Salomo Parchon aus Calatayud (1161), Jehuda Ibn Tibbon (1171), Ibn Bal'am aus Toledo, Abraham Ibn Esra (1093–1168), Josef Kimchi (1160–1170), Isak Ben Elasar Halevi u. Elkana in Spanien; Jakob Ben Elasar, Moses u. David Kimchi. Durch die grammatischen Arbeiten des Letzteren wurden alle früheren in Vergessenheit gebracht u. auch seine Kritiker, unter denen namentlich Prophiat Duran (1403) Verdienstliches leistete, zurückgedrängt. Von Spanien aus kam die hebräische Sprachforschung nach Frankreich, Deutschland, sowie auch nach Italien, aber nur in den dort verständlichen hebräischen Schriften von Seruk u. Dunasch bis Parchon. Doch wurde in diesen Ländern die Grammatik nur von den Exegeten benutzt; selbständige Schriften bewegen sich meist nur auf dem Gebiet der Masora u. Halacha. In Provence u. Italien übten die neuerwachenden klassischen Studien auf die Bearbeitung des Hebräischen ihren Einfluß. Unter Andern schrieben hier über Synonymik Bedarschi (1280) u. Salomo Urbino (1480); Isak Nathan (1437) verfaßte eine Concordanz; grammatische Gegenstände[166] behandelten Salomo Jarchi Sarek (1429), Temar (1449), Leon in Mantua (1454), Ben Chabib in Neapel (1486) etc. Die eigentliche Exegese, welche wiederum ihren Ursprung im Oriente hatte, gestaltete sich in Europa nach den bereits mehrfach erwähnten Ländern verschieden. Die bereits genannten Grammatiker u. Lexikographen der arabischen nach Spanien verpflanzten Schule, von Saadja bis Kimchi (900–1250), waren als solche nicht nur worterklärende Exegeten, sondern Viele derselben sind zugleich Verfasser von wirklichen Commentaren, wie namentlich Ebn Esra u. Kimchi. In Deutschland u. Frankreich knüpfte sich die biblische Wortexegese vorherrschend an die praktischen Bedürfnisse des mündlichen Unterrichtes u. Bibelvortrages. Einen bestimmten Charakter erhielt die Exegese in diesen Ländern durch die Commentare des berühmten Salomo Ben Isak, genannt Raschi aus Troyes (st. 1105), welche unzählige Supercommentare erhielten. Später verfaßte man bloße Compilationen, bis im 14. u. 15. Jahrh. die Bibelkunde der Halacha u. den kabbalistischen Spielereien ganz erliegen mußte. Die Geschichte der neuhebräischen Poesie gehört zu den eigenthümlichsten. Während die poetische Literatur der vorigen Periode nur in Gebeten u. Erweiterungen derselben bestand, welche aus instinctmäßiger Verwendung u. Nachahmung von Bibelstellen hervorging, entwickelte sich seit dem 9. Jahrh. eine künstliche, mit Absicht eine Kunstform erstrebende Poesie. Die ältesten Versuche seit der zweiten Hälfte des 8. Jahrh. gelten der liturgischen Poesie od. den Pijjutim. Als die neuere Poesie u. Stylistik die alten allgemein verbreiteten Gebete erweiterte, mußte auch die tägliche Liturgie, namentlich die der Festtage, in den verschiedenen Ländern modificirt werden. Schon R. Amram Gaon (870–88) sandte seinen Siddur od. Gebetordnung, von Spanien aus aufgefordert, dahin. Den Namen Siddur erhielt später die einfache Sammlung der täglichen u. der ältesten Festtagsgebete. Allmälig dehnte sich die liturgische Poesie auf jede ausgezeichnete Zeit u. Gelegenheit des kirchlichen u. Familienlebens aus, u. es entstanden verschiedene Gattungen liturgischer Poesien. Die Arabische Schule, welche von Babylonien ausging, entnimmt ihren Stoff der Halacha u. der Wissenschaft, erhebt sich aber dabei öfter zu wirklicher Poesie. Ihr gegenüber entwickelt sich auf eigenthümliche Weise die deutsch-französische Poesie; die Poesien dieser Richtung, durch welche übrigens der Ausdruck Pijjut u. Pajtan erst auf die liturgische Poesie beschränkt wurde, sind versificirte Halacha u. Haggada, dabei fast unübersetzbar u. der Erläuterung bedürftig. Als erster Dichter solcher Pajtanim ist zu nennen Eleasar Biribi Kalir (lebte im 10. Jahrh. in Italien), dessen Gebete wohl zuerst in Italien, dann in Frankreich, Deutschland, vielleicht auch in Griechenland Eingang u. Nachahmung fanden. Kalirs Schule im engeren Sinne bildete die Blüthe des pajtanischen Zeitalters (bis um 1100); dahin gehören die berühmtesten Verfasser von Festgebeten, als Jehuda Ben Jakob, der Bruder Kalirs, Meschullam Ben Kalonymus aus Lucca u. dessen Sohn Kalonymus in Mainz, ferner des Letztern Söhne Moses u. Chananel, der berühmte R. Gerson u. Simon Kara, Josef Tob Elem in Limoges, Elia Ben Manonch der Alte, Mair Ben Isaak, Josef Ben Salomo, Salomo Ben Jehuda, Elieser Ben Samuel (1096), Kalonymus Ben Moses u. sein Bruder Jekutiel, Benjamin Ben Samuel, Isak Halevi in Worms u. sein Schüler Raschi, Elia Ben Mardochai u.a. Im 12. Jahrh. verbesserten sich Form u. Sprache auf Kosten von Inhalt u. Kraft; nach der Mitte des Jahrhunderts beginnt jedoch der Verfall, welcher mit wenigen Ausnahmen im 13. u. 14. Jahrh. vollständig wird. Indessen hatte schon im 12. Jahrh. in der Provence eine Verschmelzung dieser deutsch-französischen mit der arabisch-sefaradischen Richtung begonnen, welche in vielen der bereits genannten Gelehrten jener Zeit ihre Vertreter fand. Die Anwendung der Gebete bei dem öffentlichen u. Privatgottesdienst zeigen die Liturgien od. Gebetordnungen (Siddur, Machsor), in denen die Gebete die Hauptsache, der Ritus als Randglosse, Erläuterung u. dergl. behandelt wird, od. eine Art von Agenden (Minhagim), in denen, von den rituellen Bestimmungen ausgehend, die Gebete gelegentlich nach ihrem Namen angeführt werden. Solcher Siddurim wurden seit der Zeit der Gaonim von verschiedenen angesehenen Gelehrten aufgestellt. So in Frankreich u. Deutschland von Josef Tob Elem (1050), Meir Ben Isak, Salomo dem Babylonier, Raschi, Simcha Vitry (1100), Tam, Elchanan, Samuel Ben Salomo, Meir Rothenburg (1270), Chajim Paltiel (um 1280), Abraham Klausner (1380–1400) für Österreich; in Spanien Ascher, Israel Israeli in Toledo (1330), vor allen aber die Liturgie des Abudirahim in Sevilla (1340). Am angesehensten ist das Werk des Jakob Levi in Mainz (st. 1427), welcher auch für den Begründer des deutschen Synagogengesanges gilt. Viele einzelne Stücke u. ganze Sammlungen liturgischer Poesie wurden mit Commentaren versehen, wie einzelne schwierige Pijjutim der Spanier, z.B. von Abitur, Ibn Gabirol, Ibn Gajjat (st. 1089); die größte Thätigkeit mußte hier jedoch die Deutsch-französische Schule entwickeln.

In der nichtliturgischen Poesie der Juden, welche überhaupt nur in der arabischen Schule u. deren Absenkern in der Provence u. Italien gedieh, herrscht nach Inhalt u. Tendenz, wie allerwärts, Ernst u. Sittlichkeit; Scherz u. Witz, Ironie u. Satyre scheinen sich auf die Sprache selbst geworfen zu haben. Viele Juden dichteten in Arabischer Sprache; zu den geschätztesten arabischen Dichtern Spaniens gehören Ibn al Fakkhar (um 1200), Ibrahim Jon Sahl (1211–50), Ibn el Mudawwer u. die Dichterin Kasmune. Der Orient hat keine namhaften jüdischen Dichter während des Mittelalters aufzuweisen. Um die Mitte des 10. Jahrh. beginnt auch die Reihe der hebräischen Dichter in Spanien u. dem Maghreb; doch gelangte die hebräische Poesie erst unter dem Fürsten Samuel (st. 1055) zur Blüthe. Aber schon im 12. Jahrh. hatte sie sich in ihren originellsten u. tüchtigsten Vertretern so erschöpft, daß in Provence u. Italien mehr Kunststücke als Kunstwerke an den Tag traten, poetische stereotype Phrasen allgemein herrschend wurden u. kaum irgend ein Schriftsteller sich nicht im vermeintlichen Dichten versuchte. Die Einkleidung in die poetische Form wurde bei den verschiedensten Gegenständen versucht. Das Epigramm bildet den Übergang von diesen wissenschaftlichen Reimereien zu den Gelegenheitsgedichten, unter denen die Grabschriften Beachtung verdienen. Die Gnomik erhielt durch den Einfluß der Arabischen Literatur die weiteste Ausdehnung u. wurde zur eigentlichen [167] Kunst ausgebildet. Die arabische Gnomensammlung des Gabirol (1040) wurde von Jehuda Ibn Tibbon (1167) übersetzt u. von Josef Kimchi metrisch bearbeitet. Hebräisch schrieben Samuel der Fürst (st. 1055), Ibn Esra (um 1138), Josef Esobi (um 1270) in der Provence, Levi Ben Abraham Ben Chajim, Jochanan Laria (1500) u.a. m. Hieran reihen sich in rhetorischer od. Reimprosa verfaßte Sittenlehren, darunter die berühmte Bechinat Olam von Jedaja Penini (um 1300) u. das zum Theil satyrische Eben bochan von Kalonymus (1323). Theilweise hierher gehört die Disciplina clericalis des Neophyten Petrus Alfonsi (um 1106). Zur Verbreitung der durch die Araber aus Indien u. Persien nach Europa verpflanzten Mährchen- u. Fabelbücher, haben die Juden des Mittelalters nicht wenig beigetragen. Als Fabel dichter machten sich sonst Berachja Hanakdan in Burgund (um 1160) u. der allegorisirende Isak Ben Salomo Sahula (1241) bekannt. Erwähnung verdient auch die Parodie, Travestie u. Humoreske; man wandte nicht blos aus dem Zusammenhang gerissene Bibelstellen selbst auf frivole u. obscöne Gegenstände an, sondern parodirte u. travestirte selbst Halacha, Pijjutim u. dgl. Solche Stücke u. ganze Schriften sind von Kalonymus u. dessen Freunde Immanuel in Rom übrig (um 1320). Die arabische Form der Makamen (Mechaberoth) gebrauchte bereits Josef Ibn Aknin in Ceuta (vor 1185); das beste in dieser Gattung leistete aber Charisi (s.d.), welcher den erwähnten Immanuel zum Nachfolger hatte. Ein großes Paradies in Nachahmung Dantes schrieb Mose Rieti (geb. 1416). Endlich sind noch zu erwähnen die Diwane od. sonstige größere Poesien von Mose Ibn Esra (st. nach 1138), Jehuda Halevi (st. vor 1160), welche beide mit Gabirol das berühmte Dreigestirn am Himmel der spanisch-jüdischen Dichtung bilden; Jakob Ben Elasar, Abraham Bedarschi u. Salomo Bonfed in der Provence (1400), Jehuda Halevi Ben Isaak Ben Sabbutai, Nehemja Ben Menachem Kalomiti (1418) u. Dawid Ben Leon verfaßten größere Dichtungen.

Auch die Mathematik hat ihre Vertreter unter den Juden nur in der Arabisch-spanischen Schule u. deren Verzweigungen gefunden. Die jüdischen Astronomen des Orients wie Spaniens bedienten sich der Arabischen Sprache, wie sie sich auch in der Wissenschaft vollständig on dieselbe anlehnten. Erst im 13. Jahrh. begann die Epoche der hebräischen Übersetzungen u. Bearbeitungen arabischer (von Arabern u. Juden verfaßter), lateinischer u. spanischer Werke. Als Bearbeiter u. Übersetzer machten sich unter den Juden verdient Jakob Antoli, Jehuda Ben Mose Cohen (1256), Ibn Sid (1266), Abulasia (1278–1304), welche sämmtlich im Auftrage Alfons X. arbeiteten; ferner Jehuda Ben Salomo Cohen aus Toledo (1247), Nathan Hamati in Rom (1273–83), Kalonymus Ben Kalonymus in Avignon (1314), Salomo Cohen aus Burgos, Abulcheir Ben Samuel, Abigdor, Kabrut in Barcelona (1382) u.a. Als Verfasser selbständiger astronomischer Schriften sind hervorzuheben: Latif, Melgueil (1250), Israeli (1310), der Verfasser des bekanntesten u. bedeutendsten astronomischen Werks des.Jesod Olam, Prophiat in Montpellier (1301–1336), Schescht in Barcelona (1320), Emmanuel Ben Jakob zu Tarrascon (1330–46), der Verfasser der Sechs Flügel; Alchadib in Castilien (1370–80), Prophiat Duran in der Provence (1392) u.a. In Deutschland sind blos Meir Spira u. sein Sohn Isak zu nennen. Der Astrologie, welche die Araber als Wissenschaft ausgebildet hatten, gestatteten, trotz der Warnungen des Maimonides, viele bedeutende Gelebrie, wie Ibn Esra, Abraham Ben Chijja, praktischen Einfluß; die Zahl der eigentlich astrologischen Schriften ist jedoch nicht bedeutend. Als Mathemiker sind Ibn Aknin, Alchadib, Ibn Esra, Abraham Ben Chijja, Gersonides etc. zu nennen. Die medicinisch-naturhistorische Literatur der Juden ist reich, aber fast noch gar nicht untersucht. Juden zeichneten sich nicht blos als praktische Ärzte u. Leibärzte, sondern auch als Theilnehmer an öffentlichen Anstalten u. Schulen der Christen u. Araber aus, z.B. in Bagdad, Kahira, Salerno, Montpellier. Die selbständigen medicinischen Schriftsteller schrieben, in der ersten Zeit meist arabisch, namentlich die Ärzte in Afrika u. Spanien, wie in Kalwowän Isak Israeli (840 bis 950), Hibet Allah Ibn Dschemi, Leibarzt Saladins, Mubarek, Abul Menni el Atthar (1260), ferner Maimonides (zu Kahira 1165–1204); in Asien sind Ibn Abbas (1163) u. Aknin (st. 1226) zu nennen. In Spanien schrieben Chasdai (959), Jona (um 1050), Josef (1126), Jussuf Ibn Chisdai (1128), Abenhucar, Leibarzt des Alfons (1295 bis 1311), Jehuda Ben Abraham aus Toledo, Josua Lorki (um 1410), Ibn Khani. Doch waren daneben schon frühzeitig einzelne hebräische Originalwerke vorhanden, wie von Sabbatai Ben Abraham Donola (um 980). Mit der Mitte des 13. Jahrh. beginnt auch auf diesem Gebiete die Thätigkeit der Übersetzer, Commentatoren, Bearbeiter arabischer, spanischer, lateinischer u. italienischer medicinischer Werke. Die das ganze Zeitalter beherrschenden Griechen, Hippokrates, Galen, Dioskorides etc., unterwarfen sich auch die jüdisch-medicinische Literatur. Unter den Arabern, deren Schriften bearbeitet wurden, sind Ali Ben el Abbas (st. 994), Ibn Lina od. Avicenna (980–1037) u. Abulkasem (st. 1106) die namhaftesten. Unter den jüdischen Bearbeitern derselben sind hervorzuheben: Ibn Ajub (1259 bis 1265), Mose Ibn Tibbon (1259), Schemtob Ben Isak aus Tortosa (1264), Farragat in Frankreich (1266–85), Nathan Gad Ben Elieser (1279–83), Serachja Ben Isak aus Barcelona (1284), Kalonymus aus Arles (1307) u. viele Andere. Originalwerke lieferten Kaslar aus Catalonien (1329), Palquera, Alguadez, Leibarzt Heinrichs III. von Castilien (1405), Jehuda Ben Jakob, David Ben Melser Leon (1490) etc. Eng verknüpft mit der Medicin ist die Naturkunde, für welche jedoch die J. L. wenig Selbständiges aufzuweisen hat. Einzeln steht die Kosmographie des Gerson Ben Salomo (um 1290). Die Magie mit ihren verschiedenen Unterarten hat natürlich auch in der mittelalterlichen Literatur der Juden ihre Vertreter gefunden.

III. Die dritte Periode

in dem Entwickelungsgange der J-n L., welche vom Ende des 15. bis gegen den Ausgang des 18. Jahrh. reicht, ist charakterisirt durch die Zerstreuung der, aus dem westlichen u. südlichen Europa vertriebenen Juden u. die durch die Buchdruckerkunst begünstigte Verbreitung der Geistesproducte, wodurch Schauplatz u. Charakter der J-n L. geändert ward. Während die hohe Cultur der spanischen Juden auf den Orient u. das Wiederaufleben der klassischen Studien zunächst auf die Juden Italiens einwirkte, äußerte sich der durch die Bedrängnisse genährte Mysticismus[168] auf die Gemüther in Deutschland u. in Polen, wo sich die jüdische Gelehrsamkeit einem kleinlichen Talmudstudium ergab, welches die geistigen Kräfte nutzlos erschöpfte. Es traten eine große Masse von Schriften über biblische Exegese, Kabbala u. talmudische Dialektik, namentlich im 17. Jahrh., aus Licht, welche jedoch nur sehr selten über das Mittelmäßige hinausgehen, während die Gebiete der Poesie, Grammatik u. der Wissenschaften fast ganz darniederlagen. Die homiletische Schriftauslegung, so wie die Gebiete der Rechtsgutachten u. die Literatur zur populären Belehrung fanden dagegen reichlicheren Anbau. In Italien u. dem Orient (1452), in Deutschland u. Polen (1550), so wie endlich in Holland (1629) wirkten jüdische Schulen, Druckereien (z.B. zu Smyrna, Venedig, Livorno, Amsterdam, Prag u. Krakau), so wie zahlreiche Schriftsteller, welche nicht nur in hebräischer, sondern auch in spanischer, portugiesischer, lateinischer, italienischer u. jüdisch-deutscher Sprache schrieben, u. unter denen sich eine Anzahl großer Talente u. ausgezeichneter Lehrer hervorthaten. So sind als Apologeten des Judenthums, welche sich gegen ihre Gegner jedoch der Europäischen Sprachen bedienten, zu nennen David de Pomis, Emmanuel Aboab, Simon Luzzato (1638), Manasse Ben Israel (1635–56), Cardoso (1679), Daniel de Barios (1683), David d'Ascoli (1559), Thomas de Pinedo (1678) u.a. Verfasser bedeutenderer od. interessanterer polemischer Schriften sind Isak Ben Abraham Troki (st. 1594), welcher das berühmte Chizzuk Emuna verfaßte, Salman Zebi Offenhausen (1615), Jak. Lombroso (1640), Saul Levi Mortera (st. 1660), Abendana (1669), Isak Aboab (st. 1687), der gelehrte Jehuda Briel, Dawid Nieto in London (1705) etc. Mendelssohns Erwiderung an Lavater gehört zu den Übergängen in die Gegenwart, deren eigentliche Polemik sich auf das Gebiet der Emancipation zusammengezogen hat.

Die bedeutendsten Vertreter der Halacha waren im 16. u. 17. Jahrh. die Rabbiner u. Schulhäupter der spanisch-portugiesischen Gemeinden in der Türkei u. den venetianischen Inseln. Vom 16. Jahrh. gewinnen die Schulen in den slawischen Ländern (Böhmen, Polen) größeres Ansehen, überschwemmen Deutschland u. verbreiten ihre Richtung bis nach Italien, wo seit der Verbrennung des Talmud (1583) das Studium überhaupt abnahm. Man bewegte sich meist mechanisch auf den längst geebneten Pfaden. Die Lehrer der Halacha waren entweder Commentatoren etc. (sogen. Waffenträger, Nose Chelim) der Alten (Rischonim) od. selbständige Decidenten, Advocaten u. Richter in der Casuistik des göttlichen u. menschlichen Rechtes. Erstere bewegten sich auf zwei Hauptfeldern, der Discussion des Talmud u. der Interpretation der Gesetzcodices der Poskim; letztere besprachen wirkliche od. fingirte Fälle in Gutachten. Aus diesen Bestrebungen gingen die (in Polen u. Ungarn noch üblichen) Chillukim, eine Art Schuldisputation über ein bestimmtes Thema, hervor, als deren Begründer Jakob Pollak in Polen u. Prag angesehen wird. Verschiedenartige Einflüsse der Schule u. des Lebens haben die Halachische Literatur bis ins Unglaubliche anwachsen lassen. Man verfaßte viele Monographien über einzelne Gegenstände, welche öfter nicht ohne Werth sind; namentlich beschäftigte man sich aber mit der Herausgabe u. allseitigen Erläuterung älterer Schriften, deren Benutzung man u.a. durch allerlei Indices u. Claves (Mifteach) zu erleichtern suchte, Unter den zahllosen Commentaren, Glossen u. Übersetzungen sind hervorzuheben die über die Mischna von Bertinoro, Lippmann Heller, Jakob Chagis u. Jakob Abendana (st. 1696 in London), über die Sifra: Aron Ibn Chajim aus Fes (1609); über die Mechilta: Mose Frankfurt (1712). Die Babylonische Gemara behandelten: Meir Lublin, Sal. Luria, Sam. Edeles, Meir Schiff (1734), Jak. Josua; kritische Anmerkungen lieferten der gelehrte Elia Wilna (st. 1797). Über die Hachalot des Alfasi schrieben Ibn Baruch in Italien (1554) u.a.; das Jad des Maimonides u. die Turim des Jakob Ben Asher fanden sehr zahlreiche Commentatoren. Epochemachend in der Geschichte der Halacha wurde der Schulchan Aruch des Josef Karo in Safet (1567), zu welchen Moses Isserls (1540–70) für den Ritus in Polen u. Jakob Ben Abraham Castro für den in Ägypten Ergänzungen lieferten. Bis auf die neuere Zeit herab fand dieses Werk zahlreiche Commentatoren. Andere bedeutendere, mehr selbständige halachische Zusammenstellungen legten Jakob Landau in Italien (1487), Mordechai Jase in Prag (1594–99), Chajim Benveniste im Orient (1658), Elia Spiro in Polen (st. 1712) an. Die Verfasser von auch vielfach gedruckten Gutachten sind unübersehbar, da jeder Rabbiner od. Lehrer von größerem Wirkungskreise deren ausstellte od. sammelte. Unter den ebenfalls zahlreichen methodologischen Schriftstellern ist Malachi Cohen (1767) zu nennen.

Je starrer u. enger die Bande des Religionsgesetzes geworden waren, desto lebhafter wurde das Bedürfniß des Ungelehrten nach Erbauung, so daß die öffentliche freie Rede, welche an einem unendlich weiten Gebiete, Bibel, Talmud, Midrasch, anknüpfen konnte, vielfach Ausbildung fand. Den Mittelpunkt der Homiletik bildete die Behandlung der Haggada, über welche bes. Jakob Ibn Chabib (nach 1511), Samuel Jase (1590), Josua Benveniste schrieben. Die Literatur der Indices, Realwörterbücher u. Concordanzen zum Talmud erhielten bedeutenden Zuwachs, darunter die Arbeiten von Simon Ben Jehuda Peiser aus Lissa (1728), dem ungemein fleißigen Isak Lampronti (st. 1756), Reuben Hoschkes (1681), welcher den Jalkut Reubeni verfaßte; ferner von Ahron Ben Ascher in Haleb, Samuel Jase, Abraham Gadilia (1630–40); Elias Levita, Lonsano, de Pomis, Musaphia, de Laria u. Elia Wilna lieferten talmudisch-aramäische Wörterbücher. Die Ethik besteht in Erläuterung älterer Schriften, wie z.B. der Abot von Samuel Uceda. Zu den ältesten u. verbreitsten der vielverzweigten Gattung der Sittenschriften gehören die Menorat hamaor von Isaak Aboab (gedruckt 1544), das in alle Sprachen übersetzte Sur mera von Jehuda de Modena (1596) gegen das Spiel, u. viele andere. Die Religionsphilosophie lehnt sich außerhalb der Kabbala (s.d.) hauptsächlich an die Erläuterung der älteren anerkannten u. bedeutenden Schriften, wie an das Buch Kusari, u. die Moreh des Maimonides. Vieles dieser Art lieferten auch die jüdischen Polyhistoren dieser Zeit, wie Obadja Seforno, Asarja de Rossi, Leo di Modena (1571–1648), Mordechai Jase in Deutschland (1600), der Arzt Josef del Medigo (st. 1656), Manoach Hendel in Polen (1612), Isak Jesurun in Hamburg (1663), Manasse Ben Israel (1632–51), Leo del Bene (1646), Simon Luzzato, David Nieto[169] (st. 1728) in London, Josef Perez (1729) in Italien etc. Die Exegese dieses Zeitraums, auch in Homiletik überstreifend, bietet alle Richtungen des verflossenen bis zur Entartung dar. In der Deutchen Schule, welcher noch immer Haggada u. Midrasch als exegetische Quellen galten, wurden die Commentare Raschi's, u. selbst Supercommentare desselben, wie der des Elia Misrachi (1527), immer weiter commentirt Hierzu kommen jedoch viele andere, welche einzelne biblische Schriften zum Gegenstande ihrer Erläuterungen nahmen. Mit Mendelssohn's Bibelausgabe gegen den Schluß dieses Zeitraums beginnt die Periode der sogen. Biuristen, der neuesten Exegeten unter Einwirkung der inzwischen vorgerückten christlichen Bibelforschung. Die hebräische Grammatik erlitt einen neuen Stillstand durch die Arbeit des Elia Levita (1472–1549), welcher nebst seinem Vorgänger Kimchi bis Mitte des 17. Jahrh. der Leitstern auch der christlichen Grammatiker blieb. Unter denen, welche die Bibel grammatisch u. kritisch behandelten, tritt Salomo Cohen (aus) Hanau (1708–62) am bedeutendsten hervor, der sich bes. um die Accentlehre verdient machte. Die Schule Mendelssohns führte die grammatischen u. kritischen Forschungen christlicher Gelehrten unter ihren Glaubensgenossen ein u. begründete damit das seitdem wieder aufblühende Sprachstudium überhaupt.

Die liturgische Poesie hatte bereits in der vorigen Periode ihren Gipfelpunkt erreicht; in der gegenwärtigen vermochte nur die Mystik, namentlich im Osten u. Süden, die Phantasie zu neuen Schöpfungen zu befruchten. David Ibn Simra (um 1511), M. Ch. Luzzato, Mose Hammon, Ahron der Blinde, Salomo Luria (1573), Mose Abbas (um 1580), Israel Nadochera (1587), das bedeutendste Talent seines Jahrhunderts; ferner Akiba Frankfurt (st. 1597), Loans (1599), Chelm (1605), Rieti (1615), Mose Jehuda Abbas, Pisa (1750) werden als Hymnologen u. Verfasser von Gebeten genannt. Größere ethische u. didaktische Poesien, sowie Diwane besitzt man von Sam. Archevolti (1551), Isak Onkeneira (1577), Meir Angel in Belgrad (um 1620), Abudiente (1633), Leo di Modena (st. 1648), Leo del Bene (st. 1677), Cantarini in Padua (1718), Jakob London in Lissa (1734), Jehuda Ben Mordechai Huswitz (1765), dessen Zeitgenosse Isak Belinfante zu Amsterdam bereits nach dem Muster Wessely's dichtete. Alle diese Poesien bewegen sich noch in den althergebrachten Formen u. zwar bis zur Entartung. Der sogen. Musivstyl mit seinem Wortspiele entartete namentlich in Italien bis zur abgeschmackten Ziererei u. Verschrobenheit. Erst mit dem Mystiker M. Ch. Luzzato in Italien u. dem erwähnten Hartwig Wessely, dem Freunde Mendelssohns, beginnt auch hierfür eine neue Periode. Die Theilnahme der Juden an der Poesie ihrer Landessprachen war oft von günstigstem Erfolg begleitet. Beachtenswerth ist die Pflege des Spanischen in Holland, des Deutschen in Polen u. anderen Ländern. Zu den geachteten italienischen Autoren gehört auch die Debora Ascarelli, welche die religiösen Poesien M. Rieti's übertrug (1609–22). Der erste hochdeutsche Dichter unter den Juden ist Ephraim Kuh, u. 1771 gab Issachar Falkensohn Gedichte eines polnischen Juden heraus.

Schon in der vorigen Periode beginnt die Literatur im jüdisch-deutschen Jargon (s. Judendeutsch), welche außer ihrer religiösen auch ihre Volkspoesie besitzt. Chroniken umfassende Geschichtswerke od. Gelehrtengeschichten verfaßten unter Anderen Saadja Ibn Danan in Spanien (1485), Zakuto in Italien; Verga schrieb eine Geschichte der Verfolgungen der Juden, Josef Tohen (1554) behandelte die Geschichte Frankreichs u. der Türkei; Gedalja Ibn Jahja schrieb eine höchst unzuverlässige Traditionskette. Der erste deutsche Jude, welcher sich lebendig für Geschichte, Geographie u. Astronomie interessirte, war David Gans (st. 1613), der eine größere Chronik verfaßte. Für die jüdische Gelehrsamkeit des Osten u. Süden im 16. u. 17. Jahrh. ist David Consorte (1677–83) eine schätzbare Quelle. Eine gründliche Arbeit über die Gelehrten des Talmud lieferte Salomo Heilprin in Miesk (1666–68), welcher auch das bibliographische Verzeichniß der Sabbatai Bass in Prag (1680) ergänzte. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon schrieb Chajim David Josef Asulai aus Jerusalem in Livorno (1777–96); als Kritiker zeichnete sich Josef del Medigo (vor 1629) aus. Die Geschichten einzelner Verfolgungen u. Zeitereignisse, die Legenden u. Märtyrergeschichten, zum Theil in Jüdisch-deutscher Sprache, sind äußerst zahlreich. Unter der geographischen Literatur sind namentlich die Beschreibungen der Reisen nach dem Heiligen Lande zahlreich vertreten; auch viel über das angebliche Land der 10 Stämme in Abyssinien u. Arabien geschrieben. Auch die hebräischen Alterthümer fanden ihre Bearbeiter; das Hauptwerk über den alten Cultus lieferte David Portaleone (1612). Unter den Mathematikern sind Del Medigo, Jakob Alexandri, Baruch Sklow u. And., als Astronomen David Gans, Porto, Esobi, Neumark, Tobia Cohen, Raphael Lewi, Israel Samosc, Baruch Sklow, Israel Lyons hervorzuheben Die medicinische Literatur dieser, unter der sich jedoch nur sehr wenige Schriften in Hebräischer Sprache finden, eröffnen italienische, zum Theil aus Spanien u. Portugal stammende Ärzte, wie Amatus Lusitanus (1547), Abr. Portaleone (1564), Zakuto aus Portugal, Josef del Medigo, Jakob Zahalon (1683), Tobia Cohen (1708), Josef Ben Abraham Stern (1714), Silva (1727) u. Pereira in Paris, Castro Sarmento, Israel Lyons, Jakob Marx in Hannover. Bekannte, zum Theil berühmte, in Berlin gebildete Ärzte, wie Leon Elia Herschel (st. 1722), Mordechai Gumpel (Lewisohn) in Hamburg (st. 1797), der berühmte Ichthyolog Bloch (st. 1799), Professor Herz (st. 1803), beschließen diese Periode u. eröffnen zugleich die lange Reihe jüdischer Schriftsteller über Medicin u. Heilkunde, welche gegenwärtig den christlichen völlig ebenbürtig zur Seite stehen.

IV. Die vierte Periode

beginnt mit der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. u. reicht bis in die Gegenwart. Vom Geiste des 18. Jahrh. unterstützt, eröffnete Moses Mendelssohn (s.d.) in Berlin seinen Glaubensgenossen eine neue Ära, in welcher die nationale Literatur mit junger Kraft einen ganz neuen Aufschwung nahm. Charakter u. Inhalt änderten sich ebenso wie Ausdruck u. Sprache. Die Heiligen Bücher wurden in die europäischen Sprachen u. fremde Werke in das Hebräische übersetzt: die Dichtkunst, Sprachen u. Sprachkunde, Kritik, Erziehungslehre, jüdische Geschichte u. Literatur wurden angebaut; eine nicht geringe Anzahl von Juden u. christlichen Gelehrten jüdischer Abkunft nahmen an dem wissenschaftlichen u. öffentlichen[170] Leben Europas thätigen Antheil. Werke aus allen Gebieten des Wissens, in Hebräischer, Französischer u. Deutscher Sprache, waren die Resultate des bürgerlichen u. geistigen Fortschrittes der Juden, welcher bes. in Deutschland seinen Mittelpunkt fand, während im Russischen Polen zugleich sich eine neue Mystik ausbreitete. Viele ältere Werke wurden in Italien u. Polen, sowie unter dem Einfluß der Fortschritte der philologischen Kritik u. allgemeinen Sprachforschung auch in Deutschland herausgegeben. Überhaupt hat der Geist der modernen Wissenschaft in Deutschland, Frankreich u. den Niederlanden auch die jüdische Gelehrsamkeit durchdrungen, so daß in Wahrheit von einer jüdischen Wissenschaft die Rede sein kann, welche schon seit Decennien in mehreren gediegenen Zeitschriften, wie u.a. den Bikkura haittim (1820–31), Kerem Chemed (1833–45) des gelehrten Salomon Jehuda Rapoport, dem Orient von Fürst, den Zeitschriften für die Wissenschaft des Judenthums von Geiger u. von Frankel, gut geleitete Organe besitzen. Unter den berühmtesten Gelehrten der jüngsten Literaturepoche sind zu nennen: die Gesetzlehrer Ezechiel Landau, Maleachi Cohen, Jesaia Berlin; der Rechtslehrer J. D. Meyer; außer Mendelssohn die Philosophen Sal. Naimon u. Bendavid; die Dichter Franco Mendez, Ephr. Luzzato, Sal. Cohen u. Simcha Calemani; die deutschen Dichter Büschenthal u. Mich, Beer, der Prediger de Sollas; die Prosaisten, Ästhetiker, Grammatiker u. Übersetzer Joel Löwe, Isaak Enchel, Benser, David Levy, Dav. Friedländer, Salomon Pappenheimer, Isaak Satanow, Simon Bondy, Johlson u. Löwisohn; die Ärzte van Laar u. Mich. Friedländer; die Mathematiker Rafael Levi, Abraham Cassel, Meier Hirsch: ferner Samuel Dubno, Saul Levin, S. P. Gans, A. L. Davids, Asulai, Rubinstein, Heydenheim, N. Krochmal, S. Bloch, Peter Beer, Jeitteles, Creizenach. Unter den gelehrten Juden, welche sich im letzten Decennium bes. um die jüdische Wissenschaft Verdienste erworben haben, sind bes. auszuzeichnen: A. Haindorf, Jost (der Geschichtsschreiber des Judenthums), A. Geiger in Breslau, Lebrecht, Rapoport, Salomon, Saalschütz, Ephr. Unger, Steinheim, Gabr. Rießer, Zunz (wohl der gelehrteste Kenner der J-n L.), Formstecher, Hirsch, Fürst in Leipzig, S. Stern, M. Stern, L. Dukes, A. Frankl, Z. Frankel in Dresden, M. Sachs, Arnheim, P. Rieß, S. Cassel, Kämpf, Holdheim, Kley, A. Jellinek (s.d. a.), M. Steinschneider; im Auslande Luzzato, Reggio, Salvador, Frank, Carmoly, Munk, Slonimski, Valentin u.a. m. Von Seiten der Christen wurde die J. L. nur im 16. u. 17. Jahrh. studirt, doch sind alle ihre Arbeiten nur dem Boden der Theologie, namentlich der Polemik entsprungen u. nicht über die Schwelle der Erkenntniß hinausgekommen, daher auch auf den größeren Bibliotheken mit wenigen Ausnahmen die J. L. fast gar nicht vertreten ist. Die bedeutenden Sammlungen hebräischer Bücher, welche von dem Rabbiner David Oppenheim in Prag (st. 1736) u. dem Hamburger Kaufmann H. Michael (st. 1846) zusammengebracht worden waren, befinden sich jetzt in England zu Oxford. Sonst finden sich reiche Schätze rabbinischer Bücher in Paris, Parma u. Rom. Die Reihe literarhistorischer Arbeiten beginnt J. Buxtorf Bibliotheca rabbin., Basel 1613; die Bibliotheca hebraica von J. C. Wolf (Hamb. 1715–1733, 4 Bde., fortgeführt von Köcher, Jena 1783–84, 2 Bde.), bildet den Gipfelpunkt der Theilnahme an jüdischer Wissenschaft von Seiten der Christen. Unter den Katalogen jüdischer Büchersammlungen ist die Bibliotheca hebraica von J. B. de Rossi (1803) über die zu Parma am bedeutendsten, der über die kleine Sammlung auf der Stadtbibliothek in Leipzig von Delitzsch u. Zunz (Catalogus manuscriptorum bibl. Senat. lips., Grimma 1837 f.) der beste. Ein Verzeichniß sämmtlicher Oxforder Handschriften von Steinschneider wird im Druck erscheinen. Sonst sind von biographischen u. bibliographischen Werken zu nennen: De Rossi, Dizionario storico degli autori Ebrei, Parma 1802 (deutsch von Hamburger, Lpz. 1839), u. J. Fürst, Bibliotheca judaica, Lpz. 1853–58, Bd. 1–3. Die erste vollständige Übersicht über die Geschichte der J-n L. gibt Steinschneider in Ersch u. Grubers Allgemeiner Encyklopädie (Lpz. 1850, Bd. 27, Sect. 2), welche auch ins Englische (Lond. 1858) übersetzt wurde. Die schätzbarsten Beiträge lieferte bisher Zunz in: Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden, Berl. 1832; Beiträge zur Literatur, ebd. 1845, u. Die synagogale Poesie des Mittelalters, ebd. 1855. Sonst sind noch zu nennen: M. Sachs, Die religiöse Poesie der Juden, Berl. 1845; Kämpf, Nichtandalusische Poesie andalusischer Dichter, Prag 1858; Kayserling, Sephardim, Lpz. 1859.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 160-171. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010194932

Brockhaus 1911

[907] Jüdische Literatur, die meist in hebr. (neuhebr., rabbinischer) Sprache verfaßte Literatur, deren Anfänge bis in die Zeit der Entwicklung des Judentums aus dem Hebraismus zurückreichen. Sie begann mit der Sammlung und Erläuterung derjenigen Gesetze, in denen das nachexilische Judentum den eigentlichen Kern der jüd. Religion fand. An sie schlossen sich die Erläuterungen der Tannaim (Mischnalehrer) genannten Thoraerklärer, unter denen Hillel und sein Gegner Schammai, des erstern Schüler Jossanan ben Sakkai und bes. Rabbi Akiba hervorragten. Die Gesetzesnovellen, die von ihnen herrühren, führten den Namen Halachot (s. Halacha). Neben ihnen her gingen die Haggadot (s. Haggada). Seit dem letzten Jahrh. v. Chr. war das Interesse teils auf die Übersetzung des A. T. ins Aramäische (sog. Targume), teils auf die Übersetzung des A. T. ins Griechische gerichtet. In Alexandria blühte daneben auch eine jüd.-griech. Literatur, die in Josephus und Philo ihre Hauptvertreter hatte. Die endgültige Redaktion der Halacha erfolgte um 219 n. Chr. durch Juda Hannasi zu Sepphoris in der sog. Mischna; durch die Verbindung derselben mit neuen Auslegungen (Gemaren) entstanden (in aramäischer Sprache) die Talmude. Daneben halachische Kommentare (Midraschim) zu einzelnen bibl. Büchern. Im 6. bis 8. Jahrh. entstand zu Tiberias und in den babylon. Schulen die sog. Masora (s.d.). Im 10. Jahrh. beginnt unter den von der arab. Kultur gehobenen Juden Afrikas und Spaniens die wissenschaftliche Exegese und Grammatik; daneben blühte bes. auch die Auslegung des Talmud, die Philosophie und Poesie. Diese jüd. Wissenschaft verbreitete sich seit dem 11. Jahrh. auch nach Frankreich und Italien; die glänzendsten Namen sind Juda ha-Levi, Jehuda Chajjug, Abulwalid Merwan, R. Isaaki, Salomo ben Gabirol, Abraham ibn Esra, Ibn Esra, Moses und David Kimchi, Moses Maimonides, Abravanel, Jehuda Alcharizi, Mose ben Nachman, Elias Levita (gest. 1549). In der Folge trat immer mehr der Hang zu Spitzfindigkeiten und zur Mystik (der sog. Kabbala oder Geheimlehre) hervor, die noch jetzt bes. in der Sekte der Chasidim (s.d.) gepflegt wird. – Vgl. Zung (1865), Steinschneider (1850 u. 1902), Winter und Wünsche (3 Bde., 1891-96).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 907. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001227785